Ich nehme mal an, ihr seid noch nie oder wenn, dann nur sporadisch, in Joe’s Pizza gewesen. Das ist ein echt feiner und netter Laden in der Carmine Street und vom Angelika Film Center nur ein paar Schritte entfernt, was für eine Megacity wie New York ja wirklich keine Selbstverständlichkeit ist.
Okay, die Pizza ist billig und gut und das Coke schmeckt wie überall in der ganze USA gleich. Aber wem interessiert ein typisch amerikanisches Abendessen, wenn du einer aufgedrehten Schreckschraube wie Suzie Q. gegenüber sitzt, die haarklein über ihre Schreckenszeit in Texas berichtet und den zweit größten Bundesstaat der USA wie eine Art Vorhölle in Grund und Boden verdammt? Überflüssiger Weise philosophiert die feine Dame, wie wohl sie sich nach der Gluthitze in Texas im schlimmsten New Yorker Sommergewitter der Saison fühlt, das vor Joe’s Pizza nieder geht.
Der Wolkenbruch ist so schlimm, dass das Wasser ins Lokal eindringt und wir unsere Füße hoch lagern müssen, um nicht völlig durchnässt zu werden, was mir eigentlich Schnuppe wäre, weil ich Flip Flops anhabe, aber Suzie Q. trägt High Heels und das ist angeblich total unbequem, wenn die Schuhe nass werden, so als wären diese Schuhe nicht konstruktionsbedingt unbequem, was mir bisher immer ein Rätsel ist, wieso die Girls solche Schuhe überhaupt tragen. Aber das ist nun mal so. New Yorker Girls stehen auf ihre High Heels und das wird sich wohl nicht so schnell ändern.
So ein geschwätziges und lautes Persönchen mit unendlich langen Beinen zwischen High Heels und Hot Pants wie Suzie Q. fällt natürlich auf und erst recht in einem Laden wie Joe’s Pizza, der im Village einen Ruf zu verteidigen hat.
Neugierige und vor allem begehrliche Blicke verschlingen die fesche, junge Dame mir gegenüber, was Suzie Q. total nicht unrecht ist, das könnt ihr mir glauben.
Fotos von ihr geistern sofort durch das Netz und die nicht unberechtigte Frage wird sehr schnell und erfolglos diskutiert, wie so eine Niete wie der da, also ich, so eine Traumfrau abschleppen kann.
Nur Quatsch. Nur Unsinn. Typisch Village. Das übliche Netzstrohfeuer, das einfach nur auflodert, um die Zeit totzuschlagen und nicht wirklich nichts bringt.
Immerhin simsen Suzie Q’s Ex-Freunde Fragen wie: Wow, du bist wieder in der Stadt? Du siehst fantastisch aus? Wo bist du? Lässt du dich heute Nacht flach legen?
Suzie Q. und ich amüsieren uns königlich. Ich bekomme übrigens keine SMS, ganz einfach deshalb nicht, weil ich kein Handy habe. Was so nicht ganz stimmt. Ich benutze es nur zum telefonieren und das auch nur mit Mom und Dad und mit meinen Brüdern, die jetzt irgendwo abhängen und sich voll laufen lassen, aber das ist für Mom und Dad kein Problem, denn meine Brüder sind älter als ich und studieren an den wirklich angesehenen Unis und das wird für ihr Leben wohl was bringen, das ist ja klar. Um die braucht man sich keine Sorgen mehr machen, so wie um mich, der noch ein echter Grünschnabel und Junior am College ist, und dem man besser heute als morgen den Arsch versohlen sollte, damit er endlich zur Vernunft kommt, das gilt übrigens noch mehr für Suzie Q., doch die würde dafür glatt noch Geld abkassieren, wenn man/frau ihr den Hintern versohlt.
Aber bei solchen SM-Rollenspielen kenne ich mich nicht aus und Filme wie ‚fifty shades of grey’ sind nichts für mich und ‚Die Geschichte der O’ finde ich auch total überbewertet.
Vor mir aus soll sich Suzie Q. für 10 Dollar den Po von irgend so einem Idioten versohlen lassen, wenn ihr das als geeignetes Geschäftsmodell erscheint, um sich zumindest mittelfristig recht bequem was dazu zu verdienen, ich jedenfalls, mache so etwas nicht. Mich könnt ihr mit dem ganzen SM-Kram den Buckel hinauf rutschen und ganz kräftig am Arsch lecken, und das noch dazu ohne Bezahlung.
Erfreulicher Weise gibt Suzie Q. vor Zeugen zu, dass ihr noch nie der Po versohlt wurde und schon gar nicht gegen Bezahlung. Sie findet „Fifty shades of grey“ ebenfalls zum Verzweifeln, räumt jedoch ein, dass sie die Rolle der Anastasia übernehmen würde, allerdings nur wegen der Gage, was ja bei so einem Hochglanzschinken ein echtes Argument ist.
Lange Blicke.
Hm?
Wir tauschen je ein Stück Pizza und prosten uns zu, wieder etwas was wir beide, das It-Girl und der Loser, gemeinsam haben. Wir verachten SM- und Hochglanzfilme. Wer hätte sich das gedacht?
Joe’s Pizza schließt um 5 Uhr morgens. Total entspannt ziehen Suzie Q. und ich durch das Village. Es ist warm und es ist noch ruhig. Die Rush hour wird erst beginnen. Wir gehen durch die Carmine und Clarkson Street und endlich hält auch Suzie Q. mal die Klappe. Sie ist ganz ruhig und atmet tief die frische Morgenluft ein, die vom nahe Hudson River ins Village weht.
Was ist das?
Ihre Hand tastet nach mir und ich Flasche kann wieder mal nicht die Zeichen der Zeit deuten.
Suzie Q. ist mir diesbezüglich um viele Nasenlängen voraus. Sie knurrt und endlich kapiere ich, was zu tun ist.
Ich nehme sie an der Hand und wir gehen wie alle braven New Yorker Kids in den Hodson River Park, um nach einer durchzechten Nacht nach Newport, New Jersey, hinüber zu schauen.
Die Nacht dämmert dem Ende entgegen und der neue Tag beginnt und Suzie Q. und ich sind mitten drin.
Kapitel 3: Buchhandlung oder Bibliothek?
Ich muss schon sagen die Leseliste, die sie uns im ersten Kurs an der Uni aufbrummen hat es in sich. Wenn du den ganzen Kram, den die dort für wichtig halten kaufen würdest, wäre selbst der schlimmste Schnöselstudent innerhalb eines Tages pleite.
Hm?
Suzie Q. ist auch meiner Meinung. Wir beide hocken in der Cafeteria und überlegen, ob wir uns Angesichts dieser horrenden Investitionen nicht sofort exmatrikulieren lassen und uns um einen guten Job als Gogotänzerin (Suzie Q.) und als Aushilfsgangster (ich) suchen sollten.
Hm?
Besser wir kontaktieren erst einmal einen echten Tutor, der uns beim Einstieg in die Uni hilft.
Hm?
Blickwechsel.
Hm?
Ganz fest an der Nase nehmen, die Pimps sind Suzie Q. und ich. Von unserer extrascharfen High School Coolness ist nach der ersten Woche an der Uni nur noch die Lächerlichkeit übrig geblieben.
Immerhin finden Suzie Q. und ich binnen ein paar Stunden einen netten Typ, George, dem keine Frage von einem großmäuligen Junior (ich) und einer geschwätzigen Göre (Suzie Q.) zu blöd ist.
Im Gegenteil.
George ist ganz auf unserer Seite, besonders reflektiert er auf Suzie Q.’s blasierten Theater, dass ich ihn vorerst in die Idiotenschublade stecke, aber auch ich muss zugeben, dass die Biene perfekt in ihrer Rolle als angehendes Campusluder geschult ist, der gestelzte, texanische Slang, unterstützt ihren Auftritt.
George meint, dass Suzie Q. genau das richtige Fach gewählt hätte, so verrückte Weiber wie sie würden es in der Film- und Medienszene weit bringen.
Suzie Q. schnappt nach Luft ob dieser Frechheit. George und ich klatschen ab.
Suzie Q. spielt die beleidigte und lässt sich auf einen Capuccino und ein Stück Kuchen einladen, schon sind wir wieder quitt.
Also:
Dank George wissen wir jetzt, dass man an der Uni keineswegs alle Bücher kauft, die man lesen sollte, sondern sich nur die Standards zulegt, alles andere bekommt man problemlos in der Bibliothek, in deren Entleihsystem wir von George eingeführt werden, der bei der Gelegenheit gleich die Leseliste von dreißig auf fünf Bände zusammenkürzt.
Die wirklich wichtigen Bücher sind mit drei Rufzeichen markiert, die weniger wichtigen mit einem und das wichtigste Buch, das wir beide uns kaufen sollten hat George mit einem Textmarker gekennzeichnet. Alles andere ist reines, zwar nicht uninteressantes Lesefutter, aber eigentlich entbehrlich.
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