»Du bist das Beste, was mir je passiert ist, Silvi. Ich liebe dich über alle Maßen.«
»Das will ich wohl meinen«, gab diese erheblich trockener zurück, als ihr offenbar zumute war.
»Nun denn«, unterbrach Vitus die rührselige Szene, »das wäre demnach geklärt. Vielleicht bekommen wir einen Termin zusammen, der sich sowohl mit den Zeiten, die Anna in der Schule und Viktoria in der Universität verbringen, als auch mit Jens‘ und Lenas Arbeitszeiten vereinbaren lässt.« Schief grinsend fügte er hinzu: »Interessanterweise scheint es für Loana, Viktor und sogar mich selbst als Führende eines recht großen Elfenreiches einfacher zu sein, die Termine mit euch abzustimmen.«
Anscheinend war für ihn damit das Thema vorerst vom Tisch, denn er stand auf und nahm seine Frau bei der Hand. »Der erste Verhandlungstag ist jetzt übrigens vorbei. Wie ich es mitbekommen habe, hat dieses Arschloch, wie Anna den Kerl so treffend genannt hat, vor Kurzem ein umfangreiches Geständnis abgelegt. Vielleicht wird deshalb schon morgen das Urteil verkündet werden. Obwohl, ich befürchte, dass der Rechtsanwalt weiterhin auf unzurechnungsfähig plädieren wird. So oder so, dieses Arschloch, um das schöne Wort noch einmal zu wiederholen, bleibt weggesperrt.«
Er küsste zuerst Anna, danach seinem Sohn, Jens und Silvi die Stirn. »Johannes und Theresa sind bald hier. Deshalb gehen wir jetzt. Dann ist es etwas ruhiger, wenn sie eintreffen. Bitte grüße sie herzlich von uns, Anna, und richte ihnen aus, dass wir sie gern wiedersehen möchten. Ach, und sag Bescheid, dass Lena morgen früh von Sentran direkt zum Friseursalon gebracht wird.«
Das war das Stichwort für die anderen, sich ebenso zu erheben. Nach kurzem Händeschütteln und diversen Wangenküssen waren sie fort.
Keinem Kraut gewachsen
Sie fanden tatsächlich einen Tag in der Woche, an dem sich alle ein paar Stunden für den Unterricht freischaufeln konnten.
Lena behagte es nicht, dass es sich dabei ausgerechnet um ihren freien Montag handelte. Als Friseurin war ihr dieser Tag heilig. Deshalb gehörte er eigentlich allein Sentran und ihr. Da der Unterricht allerdings ohnehin im Schloss und somit in der Nähe ihres Freundes stattfand, gab sie sich geschlagen. Schließlich war sie viel zu neugierig. Im Grunde genommen konnte sie es gar nicht abwarten, mehr über ihre elfischen Heilkräfte sowie den Nutzen der diversen Pflanzen und Kräuter hierfür zu erfahren. Obendrein war es ein kleines Wunder, alle unter einen Hut bekommen zu haben.
Schmunzelnd erinnerte sie sich an die Schilderungen ihrer Geschwister, die Reaktion ihrer Eltern und die äußerst frivolen Gedanken einiger Elfenmänner:
… Jens war glücklich über das Entgegenkommen seines Chefs, hatte der ihm doch erlaubt, an diesem Wochentag regelmäßig früher in den Feierabend zu gehen und die verlorene Arbeitszeit an anderen Tagen wettzumachen. Zwar war Jens trotz dieses Umstandes und seiner Neugierde auf den Unterricht noch ein wenig skeptisch, denn er wollte seine Silvi schließlich auch an diesem Tage noch zu Gesicht bekommen. Aber Vitus hatte ihm versprochen, ihn stets pünktlich heimbringen zu lassen.
Anna hatte die Mitglieder ihrer Bio-Lerngruppe dazu überredet, den wöchentlichen Termin von montags auf mittwochs zu verlegen. Miri, Annas ein wenig verrückte, schrille neue Schulfreundin, hatte sie zwar gelöchert, um den Grund hierfür zu erfahren. Doch bei der Erwähnung des Namens Viktor hatte Miri wissend die Augen verdreht und gemeint, dass sie für so eine Sahneschnitte notfalls die Nacht zum Tage machen würde. Anna fing an, die unkomplizierte Miri gernzuhaben, und bedauerte es zunehmend, sie nicht in das Elfengeheimnis einweihen zu dürfen.
Johannes und Theresa hatten sich zunächst nicht vorstellen können, fast einen ganzen Tag in der Woche ohne eines ihrer drei Kinder zu verbringen, sich dann aber rasch mit dem Gedanken angefreundet. Nach über zwanzig Jahren ließe sich mit so einem »kinderfreien« Tag sicherlich etwas anfangen.
Sentran, Ketu und Viktor waren sich zudem einig darüber, dass dieser Unterrichtstag einen praktischen und noch dazu äußerst erfreulichen Nebeneffekt mit sich brächte. Denn an diesem Tag blieben ihre Freundinnen stets über Nacht im Schloss, somit letztendlich bei ihnen – und in ihren Betten. Ein wirklich verlockender Gedanke. …
So gehörte der Montagnachmittag ab sechzehn Uhr nunmehr Vitus und Loana.
***
»Elfenmänner sind letztlich eben auch nur Männer«, spöttelte Viktoria, als Ketu sie an seinen gedanklichen Fantasien teilhaben ließ. »Gibt es eigentlich Augenblicke am Tag, an denen ihr nicht an Sex denkt?«
Er verzichtete auf eine Antwort. Stattdessen runzelte er die Stirn, bis die Brauen fast gänzlich unter seinem dichten braunen Haar verschwanden, sodass er den Eindruck erweckte, angestrengt nachzudenken. Das brachte ihm einen Knuff in die Rippen ein.
»Also wirklich«, frotzelte sie weiter.
Während sie gemütlich durch den Schlossgarten schlenderten, lehnte Viktoria sich an Ketus Schulter. Sie nutzten die Zeit, um ein paar Sonnenstrahlen einzufangen und bei dieser Gelegenheit die beginnenden Bauarbeiten in einem abgelegenen Teil des Schlossparks zu inspizieren. Der Unterricht würde erst in einer Stunde beginnen und Ketu hatte gerade Feierabend.
Ein richtiger Feierabend ergab sich für ihn als königlichen Elitewachmann allerdings eher selten. Eigentlich war er immer im Dienst, außer Vitus gab ausdrücklich frei oder genehmigte ein paar Tage Urlaub.
Trotz alledem gab es einen Dienstplan. Außerhalb dieses Plans befand sich Ketu, wie auch seine Kollegen, quasi in Bereitschaft. In dieser Zeit konnte er seinen privaten Interessen nachgehen, hatte sich jedoch auf Befehl des Königs oder natürlich bei drohender Gefahr sofort zu melden.
Diesen Dienstplan hatte Vitus, seitdem Lena und Sentran ein Paar waren, neu abgestimmt und dabei insbesondere Ketus und Sentrans Schichten weitestgehend zusammengelegt. Das machte es Ketu leichter, die freie Zeit gemeinsam mit Viktoria zu gestalten. Seine persönlichen Verhältnisse waren derart eng mit ihr, den Nell-Geschwistern und dadurch zusätzlich mit Viktor und Sentran verwoben, dass es Vitus zudem wichtig erschien, auch Viktor in diese Planung mit einzubeziehen. Einmal mehr war Ketu erstaunt über die Umsicht seines Königs, Dienstherrn und Freundes.
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