3. Beweglichkeit – Bedeutung und spezifische Erklärung
Beweglichkeit ist für jeden Menschen wichtig und ermöglicht den Gelenken einen großen Spielraum an Bewegung. Viele Sport- und Alltagsbewegungen erfordern die Beweglichkeit in vielerlei Hinsicht. Schon das Armausstrecken, das Fingerspiel und das Gehen in die Hocke gehören dazu und sind erschwert, wenn die Beweglichkeit nachlässt.
Die Grundlage für die Beweglichkeit ist die Anatomie des dehnbaren Gewebes. Dazu gehören immer Muskeln, Sehnen, Bänder, das Bindegewebe und die Haut. Die meisten Skelettmuskeln, die der Bewegung dienen, besitzen an ihren Enden Nerven und Sehnen. Die Sehne verbindet die Muskeln dann über das Bindegewebe mit dem Knochen. Über diese werden die einwirkenden Bewegungsenergien und Kräfte übertragen.
Die Muskulatur besteht aus Muskelfaserbünden und einzelnen Muskelfasern, aus Muskelfibrillen und aus der kleinsten funktionellen Einheit der Sarkomer. Letztere weisen viele kontraktile Einheiten auf, die wiederum die Muskelanspannung und die Muskelentspannung bewirken. Vergleichbar ist das mit einer Teleskopantenne, die ein- und ausgefahren wird. Im Muskel wirkt sich das beim Dehnen als Kontraktion aus, wobei die Filamente ineinandergleiten und sich der Muskel so verkürzt und dicker wird. Bei der Entspannung dann erfolgt die Gegenbewegung. Die Filamente gleiten auseinander, der Muskel verlängert sich wieder.
Die Sehne wiederum besteht aus Kollagen. Das Gewebe ist daher zwar reißfest, besonders wenn verstärkt Kräfte auf es einwirken, jedoch nicht allzu dehnbar. Das Bindegewebe hält im Grunde alle Strukturen zusammen und umhüllt jeweils Muskeln und Fasern. Dadurch beeinflusst es den Spannungszustand.
Wird der Muskel nun gedehnt, geschehen mehrere Abläufe. Wichtig sind dafür auch die Muskelspindeln und die Golgi-Sehnenorgane. Beide sind der Spannungsmelder und geben die Informationen der Dehneinheit und Muskellänge an das Gehirn weiter. Am Anfang der Dehnung geben die Sarkomer-Einheiten nach, bildlich fährt hier dann das Teleskop auseinander. Ist die Spannung überreizt, agieren die Muskelspindeln als Schutzmechanismus und signalisieren dem Nervensystem, dass der Muskel nicht weiter angespannt werden sollte und reißen kann. Dieser natürliche Eigenreflex wird bei einer weiteren Überreizung dann durch die Golgi-Sehnenorgane unterstützt. Diese sitzen am Übergang jedes Muskels zur Sehne und sorgen für die reflektorische Muskelentspannung. Dadurch, und das ist für das Beweglichkeitstraining dann von Bedeutung, ist für den Muskel ein gewisser Dehnungsspielraum gegeben. Gesprochen wird hier von einem Spannungsreflex. Beide Reflexe sind für die verschiedenen Dehnmethoden wichtig.
3.1 Trainierbare Komponenten der Beweglichkeit
Um sich nun dem Beweglichkeitstraining selbst zu nähern, ist auch ein Blick auf die Gelenkmobilität notwendig. Sie ist durch die Gelenkstruktur und die Muskeln, Sehnen und Bänder und durch das Bindegewebe determiniert. Die Gelenkigkeit hängt entsprechend zu einem großen Teil von der knöchernen Struktur des Gelenks und die Krafteinwirkung auf dieses ab. Dabei kann jeder Knochen auf eine bestimmte Belastung reagieren und diese anpassen.
Es ist so möglich, mit Geduld, Zeit und Wiederholung die Gelenkigkeit nach und nach zu erhöhen, da im Grunde die Anpassung jedes Muskels beeinflusst werden kann. Hier lässt sich einfach vor Augen führen, dass ein Muskel, der nicht beansprucht wird und dabei auch nie auf eine bestimmte Schwingweite gebracht wird, sich auf die Länge einstellt, die benötigt wird. Beim Dehnen wird in kurzfristige und in langfristige Effekte unterschieden. Es ermöglicht die Steigerung der Gelenkreichweite, wobei das vorwiegend von einer höheren Dehnungsspannungstoleranz abhängt und nicht von einer eventuellen Veränderung des Muskels. Wenn von einer Muskelverkürzung die Rede ist, tritt weniger die Längenveränderung ein als eine niedrigere Dehntoleranz und Elastizität. Pathologisch gesehen kann ein Muskel seine strukturelle Längenform also nicht verändern und ist gleichbleibend. Er verändert sich lediglich im Anspannungs- und Entspannungszustand selbst, während er immer nach der Regeneration und Entspannung wieder in seine typische Längenausrichtung zurückfindet.
Wird beim Beweglichkeitstraining oder in anderen Sport- und Gymnastikbereichen der Muskel gedehnt, kommt es zu einer mechanischen Spannung. Sehr gut spürbar wird sie z. B., wenn bereits Muskelkater an den Beinen der Fall ist und diese normal gestreckt werden. Das kann dann für bestimmte Sportarten auch einen gegenteiligen Effekt zur Folge haben, z. B. nimmt die Sprunghöhe ab, wenn zuvor ein statisches Dehnen stattgefunden hat. Ein ausgiebiges Stretching ist für den Mannschaftssport, z. B. Basketball oder Volleyball, teilweise genauso unsinnig wie für den Hochsprung. Besser ist die Übungsvorbereitung durch das dynamische und federnde Stretching. Das ermöglicht eine größere Flexibilität und führt gleichzeitig zum Absenken der passiven Muskelspannung.
Nicht alleine nur zum Aufwärmen, auch nach dem Ausdauer- und Krafttraining ist das Dehnen wichtig, sollte jedoch nicht statisch erfolgen, da ansonsten durch die hohe Belastung im Training entstandene Risse und kleinere Verletzungen verstärkt werden. Die Auswirkung wäre dann der bekannte Muskelkater. Gesprochen wird von einem „Creeping-Phänomen“. Es bezieht sich auf das langsame Dehnen, das eine andere Auswirkung auf das Bindegewebe hat als das kurze Dehnen. Es beschreibt daher eine kurzfristige Längenveränderung des Muskels, die temporär möglich ist, wenn ein kontinuierliches und langsames Dehnen stattfindet. Möglich ist das, weil die Kollagenfibrillen, die im natürlichen Zustand nicht linear auf die in Zugrichtung wirkende Kraft ausgerichtet sind, dann genau dieses tun. Der Effekt kann auch noch nach dem Dehnen einige Zeit lang anhalten. Das statische Dehnen reduziert daher selten die Verletzungsgefahr, sondern begünstigt sie bei manchen Sportarten sogar.
3.2 Bedeutung der Beweglichkeit
Neben der Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer und Koordination ist die Beweglichkeit eine der fünf wichtigen motorischen Eigenschaften des Körpers. Daher bedeutet Beweglichkeit ein gutes Zusammenspiel aller Gelenke, Muskeln, Sehnen und Bänder. Nur das Zusammenwirken ermöglicht den vollen Bewegungsspielraum, der aus den Gelenken herausgeholt werden kann, natürlich nur in einem anatomisch möglichen Bereich. Während die Kraft den Reiz auf die Muskulatur bewirkt, gestattet die Koordination, den gesamten Bewegungsspielraum überhaupt ausschöpfen zu können. Beide bestimmen daher die Beweglichkeit mit. Ausdauer und Schnelligkeit spielen für den Sport selbst eine Rolle.
Entsprechend kann jeder Mensch alle Bewegungen eines gesunden Körpers ausführen, die innerhalb eines vorgegebenen Bewegungsradius liegen, während die körperlichen Voraussetzungen dann die Dehnintensität bestimmen. Während die anderen Grundeigenschaften im Laufe der Zeit erst einmal zunehmen, nimmt die Beweglichkeit ab, wenn sie nicht trainiert wird. Besonders gefährdet ist sie durch Bewegungsarmut und das Einnehmen falscher und ungünstiger Körperhaltungen.
3.3 Biologischer und medizinischer Hintergrund
Unter der Beweglichkeit wird die motorische Fähigkeit verstanden, die muskuläre Dehnbarkeit der Gelenkstruktur innerhalb einer bestimmten Schwingungsweite und eines Bewegungsablaufs zu beeinflussen. Gleichzeitig steht die Beweglichkeit auch für die gesamte Körperhaltung, die dann in der maximalen Winkeleinstellung aller beteiligten Gelenke eingenommen wird. Die Beweglichkeit setzt sich demzufolge aus zwei Komponenten zusammen, aus der Dehnfähigkeit des Körpers und aus seiner Gelenkigkeit. Die Gelenkigkeit betrifft die Gelenke und Wirbelsäule, die Dehnfähigkeit die gesamte Muskulatur. Nicht nur für bekannte Sportarten wie Turnen und Yoga spielt die Beweglichkeit eine Rolle, sondern auch für die gesunde Körperhaltung, die Prophylaxe und die Physiotherapie.
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