Die richtige Erziehung gibt es nicht
Eine Schadensbegrenzung
Julia Schneider
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Einleitung
Einfach ist es, so heißt es, ein Kind zu erziehen, schwierig jedoch, das Ergebnis zu lieben. Wie viele Eltern sprechen irgendwann den Satz aus: „Was haben wir falsch gemacht?“ Erziehung ist wahrscheinlich so lange einfach, bis Kinder ihren eigenen Kopf entwickeln. Das kann auch schon sehr früh der Fall sein, besonders wenn die ersten Phasen der Bockigkeit, des Trotzverhaltens oder der Rebellion aufkommen. Gute Ratschläge haben viele parat. Letztendlich bleibt das Miteinander zwischen Eltern und Kindern ein sich ständig wandelnder Prozess und unterliegt dabei vielen Schwankungen in Zu- und Abneigung.
Erziehung ist daher auch eine Art Schadensbegrenzung. Während früher bestimmte Erziehungsregeln angewandt wurden, die oftmals die strengere Ausbildung und Zucht über die Liebe stellten, gibt es heute viele Möglichkeiten, das Kind gleichzeitig liebevoll und moralisch zu erziehen, ihm die geeigneten Werte beizubringen und den Charakter günstig zu prägen. Es gibt ganzheitliche Erziehungsansätze und Lehren, die für Eltern hilfreich sein können und ihnen als guter Wegweiser beim eigenen Konzept dienen.
Dieses Buch beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Erziehungsstilen und Methoden, mit Problemen und Schwierigkeiten und mit den einzelnen Entwicklungsphasen des Kleinkindes. Es soll Ratgeber sein und Eltern zeigen, worauf es letztendlich ankommt. Denn diese haben nun einmal immer den größten Anteil daran, wie sich ein Kind entwickelt und wie es das Leben in allen Höhen und Tiefen meistert. Ein gutes Vorbild zu sein, ist eine Sache; dem Kind Liebe und Geborgenheit zu vermitteln, die andere. Besser als jede Disziplin ist das Vorleben guter Werte, an denen sich das Kind orientiert. Mitunter scheint jedoch genau das der schwierigste Aspekt an der Sache zu sein.
Index
1. Die richtige Erziehung gibt es nicht!
2. Die Entwicklungsphasen des Kindes
2.1 Nach der Geburt – die Entwicklung in den ersten Monatsphasen
2.2 Vom Säugling zum Kleinkind
3. Die Entstehung der Gefühle, auf die Eltern Einfluss nehmen können
3.1 Die Wut- und Trotzphase
4. Pädagogik als Wegbereiter zu einem zufriedenen und selbstbewussten Menschen
5. Verschiedene Erziehungsstile
5.1 Die bekanntesten Erziehungsstile im Überblick
5.2 Ungesunde Erziehungsmethoden und -stile
6. Erziehungsmaßnahmen und Konzepte
6.1 Lob und Belohnung
6.2 Tadel und Bestrafung
6.3 Probleme mit bestrafenden Maßnahmen
6.4 Zuhören und Kommunikation
6.5 Erfolgserlebnisse
7. Erzieherischer Freiraum – Eltern bestimmen das Konzept
8. Liebe, Geduld und Zeit – der Schlüssel zum Erfolg
9. Kinderentwicklung und Lerntheorien – Spieltrieb nutzen und Kreativität fördern
9.1 Spieltrieb
9.2 Lerntheorien
10. Sicherheit und Geborgenheit in der Familie
11. Das Kind verwöhnen und verhätscheln
12. Die Ehrlichkeit der Kinder
13. Ständiges Schimpfen – was wird dadurch erreicht ?
14. Was sind Rabeneltern?
15. Die Eltern-Kind-Bindung
15.1 Das kindliche Gedächtnis als Speicherplatz für unbewusste Erfahrungen
15.2 Resilienz und Eigenverantwortung
16. Die Schattenseiten der Erziehung – Verhaltensauffälligkeiten und andere Schwierigkeiten beim Kind
16.1 Aggression
16.2 Furcht und Ängstlichkeit
16.3 ADHS
17. Was habe ich falsch gemacht? – Situationen und Lösungen, wenn das Kind nicht hören will
18. Respektvoller Umgang zwischen Kindern und Eltern – alternative Erziehungsmethoden
1. Die richtige Erziehung gibt es nicht!
So manche Eltern wünschen sich sicherlich ab und zu einen Schimpf-Ratgeber oder möchten eine Wut-Diät angehen, wenn am Ende der Nerven immer noch genügend Kind übrig ist. Es ist gar nicht so leicht, in den schwierigen Phasen der Entwicklung nicht auszurasten oder immer auf alles gelassen und ruhig zu reagieren. Das Staunen wächst, wenn sich die geliebten Kinder auf einmal in wahre Monster verwandeln, wenn das Verständnis nicht richtig zu klappen scheint und wenn die Peinlichkeit wächst, weil Monsieur Sohn oder Madame Tochter auf einmal mitten in der S-Bahn einen Wutanfall bekommt und sich in einer beeindruckenden Ausdauer übt, die Stimme heiser zu schreien und dabei auszusehen, als könnte er oder sie jederzeit wie ein Luftballon zerplatzen.
Häufig werden Eltern in solchen Situationen in völlige Ratlosigkeit gestürzt. Sollen sie schimpfen, dem Kind den Hintern versohlen, so tun, als wäre nichts, oder als Belohnung für das Aufhören ein Eis versprechen? All diese Dinge sind völlig sinnlos, hat sich das Kind erst so richtig in seine Wut hineingesteigert. Die Auslöser für ein solches Verhalten können ganz banal sein, z. B. wenn das Kind etwas will und es nicht bekommt oder wenn es zu etwas gezwungen wird, was es nicht möchte. Hier dienen der Trotz und die Wut vor allen Dingen dazu, mehr Autonomie zu erlangen. Jedes Kleinkind probiert verschiedene Möglichkeiten und Verhaltensweisen aus, um zu sehen, was damit erreicht wird und welche Mittel helfen, sich gegenüber den Eltern durchzusetzen. Die Methoden sind dabei oftmals auch kreativ und überraschend. Das lässt schon vermuten, dass eine falsche Reaktion der Eltern nur zu mehr Wutausbrüchen führt. Geduld und Ruhe sind nötig. Das aber ist gar nicht so leicht.
Oft zeigt sich, dass Eltern ein regelrechtes dickes Fell entwickeln, wenn es um das Geschrei und den Trotz ihrer Kinder geht. Wo andere bereits ausflippen, sitzt die geübte Mutter lässig neben dem vor Wut im Gesicht rot anlaufenden Sohn und liest ein Buch. Es scheint, als hätte sie Watte in den Ohren, während die Lautstärke noch ansteigt. Einerseits ist dieses Verhalten natürlich gut für die Nerven der Mutter, zumal ihr kaum etwas anderes übrig bleibt, andererseits bringt eine Abhärtung der Gefühle wenig, wenn es um die Erziehung geht. Etwas erinnert das Ganze an Resignation und Flucht.
Viele Menschen zeigen im Alltag zwar Verständnis, wenn das Geschrei groß ist, sobald Eltern jedoch gar nicht reagieren, wird hinterfragt, was da nicht stimmt. Auch anders herum ist das Ganze schwierig. Sehr unangenehm wirken Erwachsene, die ihr Kind anschreien oder gewaltsam wegziehen. Kein Elternteil möchte, dass sich Fremde in die Erziehung einmischen.
„Was ich mit meinem Kind mache, geht nur mich etwas an“, heißt es nicht selten giftig von bereits gestressten Eltern. Wie sollte eine fremde Person auch nachvollziehen können, dass das Geschrei täglich mehrere Male mit Ausdauer erfolgt. Guter Rat ist dann teuer.
Kinder haben lange Zeit eine wunderbar freie Sicht auf die Dinge, stellen Tausende von Fragen und erleben die Welt in ihrem ganz eigenen Verständnis. Der Blick ins Leben ist von Staunen und Neugier geprägt. Erwachsene meinen, das Kind wäre damit leicht zu durchschauen. Es bleibt jedoch eine Tatsache, dass ein Kind die Umwelt anders erlebt als der Erwachsene. Deshalb kommt es auch immer wieder zu Unstimmigkeiten oder schweren Enttäuschungen beim Kind.
Kinder können, gerade im unschuldigen Alter zwischen 2 und 5 Jahren, das Handeln und Verhalten der Eltern entlarven und in Frage stellen. Der Erwachsene blickt dann erstaunt, wenn er sich durch die Reaktion des Kindes beim Lügen oder bei der Gleichgültigkeit Dingen gegenüber ertappt fühlt. Hinterfragt das Kind ein Ereignis immer wieder, gehen die Antworten bald aus, während das Kind noch lange nicht zufrieden ist. Während der Erwachsene die Frage schnell fallen lässt, bohrt sie im Kind weiter und fordert eine Antwort. Dass es nicht immer eine gibt, akzeptiert das Kind nicht.
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