Viele junge Menschen sind sich der Spätfolgen der Abtreibung nicht bewusst. Ich sage diesen jungen Menschen immer: Es gibt einen Schwarzen Weg und einen Weißen Weg.
Der Schwarze Weglässt sich wie folgt beschreiben. Die junge Frau wird schwanger, sie treibt nicht ab. In diesem Falle ändert sich ihr Leben. Sie verliert vielleicht ihre Beziehung, die finanzielle Situation verändert sich, die Diskobesuche und andere Annehmlichkeiten fallen weg, es drohen Konflikte am Arbeitsplatz und mit den Eltern....kurz gesagt: es gibt ein total anderes Leben. Dieses Leben ist unbekannt und scheint damit auf den ersten Blick dunkel =Schwarz.
Der Weiße Weghingegen, also die junge Frau treibt ab, ändert scheinbar aus kurzfristiger Sicht wenig in ihrem Leben. Alles scheint zu bleiben, wie es ist. Keine Probleme in den Freundschaften und Beziehungen, kein Ärger am Arbeitsplatz, die Eltern erfahren nichts davon, man kann das volle Leben weiter auskosten.
Doch dieser Weiße Weg entpuppt sich im Nachhinein oft als der Schwarze Weg.
Keine Frau wird jemals vergessen, dass sie ihr Kind abgetrieben hat. Der Verdrängungsprozess ist schmerzhaft, es erfordert eine gewaltige Kraft mit sich ins Reine zu kommen, die Seele in Harmonie zu bringen. Hier fängt meine Arbeit an."
Ich bin ein Mann und kann mich daher nur unzureichend in die Seele einer Frau hineindenken. In Erinnerung sind mir jedoch die Fernsehaufzeichnungen über Gespräche mit posttraumatisierten Vietnam-Veteranen. Im Gedächtnis haften geblieben ist mir der Satz eines gebrochenen Mannes:
"Diesen elfjährigen Jungen, den ich in Vietnam erschossen habe, werde ich nie vergessen. Er erscheint mir jede Nacht in meinen Träumen. Ich wusste, dass er unschuldig war."
Unsere Gesellschaft hat diesen wertvollen Menschen nach Vietnam geschickt. Er hatte in seinem Leben gelernt: "Du darfst nicht töten."
Wir, unsere Gesellschaft haben sich darüber hinweg gesetzt, dieser Mann ist mit vielen anderen posttraumatisierten Soldaten allein gelassen worden.
Wie verhält sich eigentlich unsere Bundeswehr? Werden die jungen Soldatinnen und Soldaten betreut, intensiv und richtig betreut, wenn ihre Seele angegriffen ist, nachdem wir sie in den Krieg geschickt haben? Konnte ich nicht im Radio hören, dass die Bundeswehr zu wenig qualifizierte Psychologen und Psychotherapeuten hat? Wie sorglos gehen wir mit jungen Menschen um!
Wer denkt an die Mütter und Väter, Frauen, Ehefrauen und Kinder, die das Wertvollste ihres Lebens verloren haben: Ihre Tochter, ihren Sohn, ihren Ehemann und Partner, ihre Kinder? Lassen wir die nicht allein, mit all ihren Sorgen und Nöten?
Wir haben kein Recht auf dieser Welt, Menschenleben zu zerstören. Oft denke ich an die alte Weisheit
" Wer Krieg sät, wird Krieg ernten,
wer Hass sät, wird Hass ernten,
wer Frieden sät, wird Frieden ernten,
wer Liebe sät, wird Liebe ernten."
Ist diese Weisheit nicht älter als das Christentum, der Islam, das Judentum, der Buddhismus.......?
Frieden zu säen und bedingungslose Liebe zu geben, ist weitaus schwieriger, als "drauf zuhauen". Friedvolle Lösungen sind intelligente Lösungen. Das gilt für Familien, Freunde, Arbeitskollegen, Gesellschaften, Staaten..... und Anna.
Über jeden Todeskandidaten in dieser Welt werden tausende Berichte geschrieben. Bürger gehen auf die Straße und betteln um das Leben dieses Menschen. Es werden Petitionen eingereicht, Urteile werden angefochten. Der Angeklagte wird befragt......................
Anna, diesem kleinen Lebewesen ermöglicht man das nicht. Sie hat keinen Anwalt und keinen neutralen Richter.
Deswegen sollten wir unsere Gesellschaft ändern. Wir sollten sensibler werden im Umgang mit jungen Menschen und ihren Familien- ihre Sorgen und Ängste verstehen. Wir sollten auf sie zugehen, so wie diese Frau, die Nora einfach ansprach. Wir sollen ihnen helfen!
Warum stürzen in diesem Lande viele Menschen in die Armut, wenn sie entscheiden: Wir werden Mama und Papa. Ein Kind braucht beides: Die Mama und den Papa und darüber hinaus das Nest: Oma, Opa, Freunde,........
Es darf nicht sein, dass in diesem reichen Lande allein aus wirtschaftlichen Gründen eine Vielzahl unserer Kinder einfach abgetrieben wird.
Kapitel 6 Anna, "Ane"= Mutter
Anna, "Ane" = Mutter
Oft wurde ich gefragt, warum ich den Namen "Anna" gewählt habe. Darauf möchte ich antworten:
1. Anna schreibt sich von vorne wie von hinten. Man muss die Situation also von beiden Seiten betrachten.
Die eine Seite ist die Sicht der Frau, die andere Seite ist die Sicht der Gesellschaft - die eine Seite ist die Sicht des Vaters, die andere Seite ist die Sicht seines sozialen Umfeldes.
Weiterhin habe ich gelernt, dass der Name Anna in vielen Kulturen vorkommt. Er ist dem türkischen Wort Ane= Mutter sehr verwandt. Somit ist Anna unser aller Stern im riesigen Universum.
2. Auf der ganzen Welt werden mehr Mädchen abgetrieben als Jungen. Man denke an Indien und China. Der Junge steht in vielen Kulturen für Lebensabsicherung im Alter, zukünftiger Ernährer, Stärke.....
Glücklicherweise haben wir in Deutschland eine andere Sichtweise. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau, von Frau und Mann.
3. Anna kann sowohl für ein "gesundes Kind" stehen als auch für ein Mädchen mit handycaps. Die Erfahrung hat gezeigt, dass viele Eltern ihr behindertes Kind von Herzen lieben, und es bewusst angenommen haben, als die ersten Untersuchungen auf eine Behinderung hinwies.
Andererseits muss auch gesagt werden, dass jedes Jahr in Deutschland über 300 Kinder, auch noch nach der 20. Schwangerschaftswoche im Mutterleib getötet, zerstückelt und operativ entfernt werden.
Statistisch entspricht das einer Tötung pro Tag.
Dieses Töten nimmt unsere Gesellschaft klaglos hin und wehrt sich gleichzeitig gegen die pränatale Diagnostik. Ich komme damit nicht klar. Die Entscheidung sollte allein den Eltern überlassen bleiben. Im Zweifelsfall werden sie einfach diese Untersuchung im benachbarten Ausland z.B. Niederlande vornehmen lassen. Glücklicherweise öffnet sich unsere Gesellschaft gegenüber der pränatalen Diagnostik.
Ist es denn nicht viel besser, eine Untersuchung vornehmen zu lassen vor der Nidation (der Einnistung der befruchteten Eizelle im Mutterleib), als dieses Kind ab der 20. Schwangerschaftswoche im Mutterleib abzutöten und operativ zu entfernen?
Die Gegenargumente - der bewussten Auslese sind mir sehr wohl bekannt.Sie haben mit unserer Vergangenheit zu tun. Nach Auskunft von Dr. med. Wolfgang Bayerl, dem Vorstand des Vereins"Lasset uns Nester bauen", gibt es derzeit in Deutschland 135 Zentren für die künstliche Befruchtung.
Wer kümmert sich aber ebenso vehement darum, dass seit 1949 mindestens 12 Millionen Kinder in Deutschland abgetrieben wurden - Schätzungen gehen sogar von 24 Millionen Kindern aus.
Damit hat unsere Generation eine große Verantwortung auf sich geladen. Sie dürfte ebenso hoch sein wie die unserer Eltern, die überwiegend dem Nazi-Regime nicht die Stirn geboten haben. Demut ist geboten.
Beim Lesen diverser Blogs traf ich auf wunderschöne Geschichten, die die Problematik ungewollter Schwangerschaften und ihrer Konflikte intensiv beschreiben.
So fand ich das Gedicht von Bettina Wegner:
“Sind so kleine Hände, winzge Finger dran.
Darf man nie drauf schlagen, die zerbrechen dann.
Sind so kleine Füße mit so kleinen Zehn.
Darf man nie drauf treten, könn sie sonst nicht gehn.
Sind so kleine Ohren scharf, und ihr erlaubt.
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