In den schläfrigen Augen der traurigen Isabel schlummert das Feuer des Nachts, in dem sie selbst war. Erfasst von einer Wut führte sie ihren brüllenden Löwen spazieren, aggressiv und tötend, dann schweißgebadet und klebrig am Schluss. Irgendjemand musste sterben, denn unter ihren schmerzvollen Haaren hatte sich etwas eingenistet, das nach erfahrenen Beleidigungen und Kränkungen roch. Wie ein Stausee war sie, Isabel, gärend schließlich und angewidert von falschen Berührungen und Küssen. Eine beschwerliche Passivität hatte sie neben Küchengeschirr und Staubsaugern alt gemacht. Formlos und umhergetrieben war sie, zwischen Atemstößen keine Klänge mehr spürend. Doch da war ein Verlangen, sehr irdisch, nach Intensität und Gerechtigkeit: Den blanken Seelen darf nicht verziehen werden, rief sie, den schmierigen Dealern und Armeeröcken, den gleichgültigen Köpfen und Lügnern, den Fettwänsten, Frauenschändern und Mackern. Keine Sanftheit legte sich auf die Stirn von Isabel, als die Nacht durch Wände kroch und sie schlafen wollte, so wie man eben schläft, schwer und etwas plump, um den Zorn nicht zu merken, die drängende Verzweiflung, da wenig Besseres ist und die Hände zu klein. Ich bin sind Worte, sie können bedeuten: Hier bin ich, immer noch, ohne schweigenden Mund, gleich einem Aufstand gegen alles. Denn war er nicht schon längst geplant, dieser schrille Laut, der herausplatzt aus dem immer unruhigen Blut? Gute Isabel, ich verstehe dich.
Apologie einer Spezies Apologie einer Spezies Das fragwürdige Glück ist weiter verschollen und die Eberesche schüttelt ihre Zweige in den Himmel. Wie gehabt, bleiben in der Ferne die monströsen Versprechen und ein ängstliches Begehren. Wenn ein Tag zieht, vorbei am Geröll eines fremden Herzens, das keine Zuwendung will, verweilt eine Wolke beim armen Träumer. Er nennt die Dinge bei ihrem Namen, denn er ist ein Narr mit seinen blanken Augen und seinem Anisgeruch. Und unterirdisch wuchern die Rosen mit erneuter Sanftheit, um noch einmal den Aufbruch zu wagen, hinaus aus den Schmerzen und dem frühen Rückzug. Noch immer sind Stimmen und Teppiche da sowie die Normalität von Glastüren und Plastikbechern. Sich festhalten an der stummen Materie, die ihren Wandel durch uns vollzieht: Du musst durchhalten, wenn auch niemand kommt; und nur Frachtschiffe sind voll Kohle und Ruß, wie aus abgelebten Jahrhunderten. Nein, sagt manchmal der Träumer, obwohl sich etwas regt, wie auferstanden. Sein Herz ist träge geworden, und Maden sichtete man schon an seinen Rändern. Und selbst, wenn in den Verstecken seines Ichs Erschütterungen von Tänzern fühlbar werden, lächelt er nur knapp. Welchen Anreiz gibt es, wenn die Erfüllung Trauer trägt, weil sie die roten Münder fraß? Zu viel Erdigkeit, zu viel Planet und Stoff, zu viel Hinterher, Verbrauch und klebrige Dinge. Im Wollen soll das Glück enthüllt werden. Ganz Geist dann, gleitet wie ein Schwan. Wäre alles nur gleitend und leise, hätte Federn und lange Schleppen! Von Ahnungen kann der Träumer erzählen, den vielen, die in Bäuchen schwimmen, sich verlieren an den Drähten eines einfachen, harten Tages; denn die anbrechende Dämmerung ist nicht sein Gebiet. Ich sehe Wasser und Wölbungen, sagt er, Zungen, die auf Süßem kauen und verwandelte Gegenstände, nicht mehr in Schlamm getaucht. Seid ihm nicht böse, als wäre er ein irrer Prophet.
Physisch Physisch Ich hatte schon vorher geträumt, Bachstelzen liefen und Schneeberge gab es, doch war es zu laut in mir. Eine kahle Hand forderte Bewusstsein, und ein Sekretär brachte beharrlich neues Papier an meinen Tisch. Das kriegerische Zeitalter kannte nicht mehr die Logik der Kunst, Fragen zu stellen. Eine digitale Hand forderte Unterwerfung, und ich musste durch Lichtschleusen und meine Taschen entleeren. Doch der Instinkt des Glücks, der in einem kleinen Finger wohnen konnte, war mir geblieben. Ich leerte die vollgestopften Schubfächer und legte Lockmittel auf meine Waden. Mein Menschenglück war für kurze Zeit eine raue Geliebte mit unerhörtem Witz, die die Bewegungen der Nächte kannte und eine gewisse Notwendigkeit, Feinde zu haben.
Im Prozess Im Prozess Manche wissen vom Danach, das kein Ruhen ist, eher abgeblätterter Farbe ähnlich; und dem unheimlichen Kampf mit den schlimmen Gedanken. Wenig ist überstanden. Auch du, mein Mädchen, musst noch Kanäle durchschwimmen, obwohl du auf ein Ende hoffst. Wenn es der Einzelne wagt, einzeln zu bleiben, so muss er auch in der Zumutung ausharren, etwas kalt und geheimnisvoll ist er dann, angeblasen von einer Feuchtigkeit und vom blauen Schimmel, sich sehend auf einem menschenleeren Feld, immer hoffend, dass da etwas wäre, etwas Rätselhaftes, das ergriffen werden muss, eine Schöpfung vielleicht oder eine unbekannte Sonne. Manche denken, das Danach sei ein Platz mit Säulen, Flaschen und Rädern, wo sie verweilen können, doch es ist ein Fluss mit Narben und einem zu großen Gedächtnis. Der Junge mit der tiefen Traurigkeit, der die Symbole sucht und einen Geist hat, der nie schläft, will die letzte Deutung, wenn sie auch heikel und vieldeutig wäre, müde und in einem zerknickten Strohhalm versteckt. Bleibt ein Teil, der sich stets erneuert, der über dem Eigenen ist, denke ich, unbegreiflich und erschütternd.
In fremden Zimmern
Abgeschaltet
Akkumulation
Amok
Tiefes Ohr
Arger Verbleib
Dennoch
Tag vor Abbruch
Klamm
In Residenzen
Erinnerungsschwärme
Nie mehr
Keine Immanenz
Denn es ist Vergessen
Unter Dächern
In Strömungen
Einsichten beim Schreiben
Eigener Feind
Vor November
Furcht und Ahnung
In den Eingeweiden
Immer wieder Schlacht
Philosophie
Kein Halten
Schwierige Beschreibungen von Einsichten
Schluchten
Gewisse Empfindungen beim Anblick des Meeres
Keine Mäßigung
Verschwiegenes Gesicht
Genie
Mein menschliches Auge
Heiliges Phlegma
Kurze Beschreibung eines Lebens
Totenklage am Wasser
Zurück in nasser Erde
Menschen
Verstrickung
Eremit
Verbleibt ein Lachen
Zurückgelassen
Tragender Atlas
Vorstellungen in großer Entfernung
Ausbleibende Vorsehung
Flächen
Erregung wie Nacht
Steine
Rapide Furcht
Elemente einer Stadt
Erweiterte Wahrnehmung
Seufzer
Fortwährend
Zyklus des Fantastischen
Katrin Sell
Nachtaufnahme
Schritte und Geräusche
Texte
1. Auflage
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Umschlaggestaltung
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Ach Akazie, ruft es. Der König hat heute schönes Wetter befohlen. Tatsächlich ist das Wetter sonnig und stündlich. Deshalb gehen sie dahin, Volk und Geschmeiß in sauberen Kostümen, friedfertig wie schlummernde Wölfe; nichts ist zu tun, außer den Tag zu kennen, wie er sich hinstreckt an einem Ufer und die Kirschen rollen lässt.
Der König träumt oben auf seinem Fels, zerzaust wie ein Windspiel geht er platonisch durch Gärten, deren abgerissene Blätter bewundernd.
Heute möchte ich mir auf den Kopf schlagen,
Kraniche sammeln und ein mysteriöses Rätsel stellen. Hängen sollte auch jemand, oder besser wäre es,
ihn zu erschießen, meint der König.
Eine Exekution mit Korallenzweigen und unerschrockenen Düften.
Alle sollen sprechen lernen, die richtigen Wörter
auf Bretter nageln zur Anschauung und Lehre und
den Reigen tanzen.
Man sollte auch öfter Dame sagen, Dummkopf und Dill.
Ach, soviel Aufgaben existieren!
Es ist gut, sie in ein Glas zu sperren und bisweilen dagegen-zu-klopfen – und vergessen sollte jeder,
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