Elina klopft wieder und ruft von draußen. “Hallo? Jemand zu Hause?”
Vater Konrad rollt die Augen und murmelt, missmutig, “Nein, wir sind auf den Bahamas.” Er öffnet die Tür, und Elina steht mit vorwurfsvollen Gesichtsausdruck an den Türrahmen gelehnt, sich den Bauch haltend. Manfred eilt auf sie zu, und sie greift nach Manfreds Nacken und zieht ihn an sich, küsst seine Stirn. “Mein Süßer! Ich hab’s schon gedacht ...”
Sie schaut Konrad ärgerlich an. “Lustig, mich warten zu lassen?”
Konrad runzelt die Stirn und adjustiert den Rucksack auf Manfreds Rücken. “Dir auch einen schönen Tag, liebe Elina.”
Manfred will dem schwangeren Bauch seiner Mutter ausweichen, aber Elinas Hand drückt ihn an sich, während sie sein Haar krault und Konrad strafend anfunkelt. “Hat der Bub zu Mittag gegessen?”
Vater Konrad seufzt, ärgerlich. “Der Bub isst, wann er Hunger hat. Unregelmäßig. Und gelernt hat er das –“
Auf einmal zuckt Manfred mit einem Schrei vor Elina zurück, und sie zuckt zusammen und macht einen erschrockenen Schritt und schreit auch auf. “Was?”
Manfred deutet entsetzt auf den riesigen Bauch. “Er ... er hat mich gestoßen!” Er weicht zurück, und Konrad fängt ihn ein. “Langsam, du wird noch die Treppe hinunter fallen!”
Elina legt sich die Hand aufs Herz und atmet tief durch. “Du meine Güte! Du kannst mich doch nicht so erschrecken! Das ist doch normal, das das Baby in diesem Alter – “
Konrad schneidet ihr das Wort ab: “Manfred ist neun, und er sollte nicht unbedingt mit derlei Naturphänomenen erschreckt werden.”
Mutter Elina greift tröstend nach Manfred, aber er taucht unter ihrem Arm hindurch und läuft die Stufen hinunter in den Garten, zum Auto.
Konrad wendet sich herausfordernd Elina zu, die ihn streitlustig anfunkelt. “Ich habe keine Geheimnisse vor meinem Sohn.”
“Genau das ist das Problem. Er ist ein Kind, Elina. Er muss nicht bei jeder Geburt von irgend einer Katze in eurer Kommune dabei sein.”
“Er ist dabei, wenn er es will.”
Vater Konrad schnaubt. “Was weiß den schon ein Neunjähriger, was er will ?”
Elina hebt die Hand, um weitere Konversation abzuschneiden, wendet sich ab und geht vorsichtig die Stufen hinunter. “Friede und Licht mit dir, Konrad.”
Konrad murmelt, missmutig. “Einsicht und Vernunft mit dir.” Er ruft Manfred nach. “Bis Montag, Fredo! Hab’ dich lieb.”
Er verschwindet schnell im Haus und schließt die Tür. Mutter Elina geht gereizt zum Auto. “Fredo ...” Sie schüttelt den Kopf über den Namen. “Kein Wunder ist er schwierig.”
Manfred sitzt bereits im Auto, die Arme verschränkt, geradeaus starrend und wischt sich heimlich eine Träne ab.
Manfred sitzt in seinem Zimmer auf Mutter Elinas Bauernhof und schaut aus dem offenen Fenster in den Wald, während er einen Apfel isst. Unten sind lachende Stimme zu hören und das Blöken von Schafen. Manfred schaut vom Wald zum Himmel. Er holt aus und wirft den Apfel aus dem Fenster. Draußen ist ein dumpfer Knall zu hören, und die lachenden Stimmen verstummen. Ein Hund bellt heiser.
Vater Konrad bring Manfred mit dem Auto zur Schule, während er sehr geschäftig am Telefon spricht.
Frau Lehrerin Burger stellt fest, dass Manfred seine Hausaufgaben nicht gemacht hat und rügt ihn; Mitschüler lachen heimlich. Ewa schmachtet Manfred an; Yilmaz ist zornig darüber. Marie beobachtet und spielt heimlich mit dem Knopf von Manfreds Hemd.
Manfred und Vater Konrad gehen durch ein Shopping-Center; Manfred hebt einen Dosenverschluss auf, aber Vater Konrad nimmt ihn ihm weg und wirft ihn in einen Abfalleimer.
Mutter Elina und Manfred sitzen in einem orientalisch geschmückten Raum und meditieren zu melodiösen Klängen. Manfred schläft ein und kippt um.
Mutter Elina merkt, dass an Manfreds Hemd ein Knopf fehlt und näht einen neuen an.
Manfred verrichtet Hausarbeiten in seinem Heim bei seinem Vater;
Manfred geht durch den Schulpark und hebt dort Abfall-Stücke auf. Vater Konrad wartet vor der Schule und ist genervt, weil Manfred sich verspätet.
Mutter Elina sitzt mit Manfred auf einer Decke im Blumengarten und liest ihm etwas vor. Manfred schaut sehnsüchtig zum Wald und krault einen alten Schäferhund, der neben ihm liegt und schnarcht.
Manfred sitzt in seinem Zimmer im Haus seines Vaters lustlos vor seinen Schulsachen; Er kritzelt in seine Hefte; Vater Konrad kommt und schimpft.
Manfred liegt in seinem Zimmer im Haus seiner Mutter auf dem Boden vor seinen Schulsachen und bekritzelt seine Hefte; Mutter Elina kommt und umarmt ihn, nachdenklich.
Manfred sitzt in Mutter Elinas Auto vor Vater Konrads Haus, während seine Eltern vor der Haustür streiten; Manfred legt sich im Auto nieder und schläft ein.
Es ist Elternsprechtag, und in Manfreds Klassenzimmer sitzen Mutter Elina (in einem “alternativ”-bunten Aufzug) und Vater Konrad (in einem Anzug) in der ersten Bankreihe. Frau Lehrerin Burger lehnt an ihrem Lehrer-Pult und schaut beide auffordernd an, während beide missgelaunt und verstockt schweigen.
Von draußen klingen die Stimmen anderer Eltern, die auf dem Gang warten, gedämpft herein.
Elina massiert ihren schwangeren Bauch und schaut sich im Klassenzimmer um. Konrad hält die Arme verschränkt und betrachtet seine Schuhe.
Die Lehrerin nickt und atmet tief durch. “Gut. Wenn Sie keinen Vorschlag haben, dann mache ich einen.”
Konrad schnaubt, provokant. “Ich bitte darum, damit ich nicht der einzige bin, der sich Gedanken um mein ...” (ärgerlich provokant) “... bereits geborenes Kind macht.”
Elina zischt ihn erbost an. “Ach? Ich bin eine schlechte Mutter für Manfred? Und wer läuft immer nur seinen Geschäften hinterher und dem Geld?”
“Das bin ich. Damit du es verbrauchen kannst. Mit deinen Hippie-Freaks.”
Elina wendet sich an die Lehrerin: “Sehen Sie das Muster? Manfred lernt einfach keine sozialen Fähigkeiten bei diesem ...”
Vater Konrad unterbricht sie, verächtlich. “Wenigstens bin ich nicht so über-sozial , dass ich mit verlausten Studenten in einem Stall lebe und mir drei Monate nach der Scheidung gleich einen neuen Braten ...”
Lehrerin Burger hebt abwehrend die Hände, geht hinter ihr Pult (als wolle sie sich dort verschanzen) und greift nach Papieren. “Konzentrieren wir uns bitte auf Manfred, es ist wirklich nötig.”
Konrad springt auf und folgt ihr, gestikulierend. “Ich konzentriere mich immer auf Manfred! Im Gegensatz zu diesen kommunistischen Polygamisten.”
Elina hält sich den Bauch und schnaubt, bitter. “Ich führe endlich eine funktionierende Ehe, und Manfred fühlt sich bei uns sehr wohl! Und genau das ist es, was dich so stört, gibt’s ruhig zu!”
“Pah! Ein Dauer-Woodstock ist das! Ständig kommen irgendwelche neuen Aussteiger –“
Elina unterbricht ihn empört und wendet sich an Frau Burger. “Es ist eine Bio-Farm, wie Sie wissen. Wir haben Praktikanten und Studenten, die mit Harry, das ist mein Lichtpartner, ein Professor mit renommierter Expertise in makrobiotische Ernährung –“
“Pah! Den Titel hat er sich selber gegeben!” Konrad patrouilliert vor der Tafel, gestikulierend. Elina beobachtet ihn verächtlich. Die Lehrerin macht eine Geste, um sich Rederaum zu schaffen. “Es scheint mir so, als ob Manfred auf gewisse Weise ... überfordert wäre. Und zugleich unterfordert. All seine Energie wird verbraucht, noch ehe er sie in die Schule investieren kann. Aber zugleich hat er soviel mentale Kapazität, die er zurückhält.”
“Die Konsumgesellschaft ist ein Energie-Räuber, das ist bewiesen.” Elina ballt die Fäuste und schaut sich im Klassenzimmer um. “Diese materialistische Umgebung kann ja nur giftig sein! Und all das Plastik überall! Niemand sollte dem ausgesetzt sein! Mein Mann und ich kämpfen ...”
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