Manfred senkt den Kopf und dreht sich um. Frau Burger verschränkt die Arme und schaut Burkhard streng an, macht eine Kopfgeste zum Klassenbuch hin. “Das Klassenbuch ruft schon deinen Namen, Burkhard.”
Im Hintergrund flüstern Stimmen “Monkey, Monkey!”
Manfred liest weiter: “Yil ... Maus-Bazar.”
Alle lachen wild auf. Marie schreibt “Enthe” und zuckt wegen dem Gelächter zusammen. Yilmaz furcht die Stirn, zornig.
Die Lehrerin spricht ruhig und freundlich. “Konzentriere dich, Manfred! Denk mit beim Lesen, ich bitte dich!”
Inzwischen bessert Marie die “Enthe” aus.
Manfred wiederholt, verlegen. “Yil ... maz ...” (leise) “Pes ... Pazar ... 3 plus.”
Er bringt das Blatt zu Yilmaz, der merkt, dass die Lehrerin ihn scharf beobachtet und verneigt sich spöttisch.
“Tesekkür ederim.”
Die Lehrerin schaut Yilmaz herausfordernd an (“Sprich deutsch”).
Yilmaz grinst. “Danke.”
Manfred runzelt die Stirn und nickt, schaut sich das nächste Blatt an. Die Lehrerin winkt ihm ermutigend. “Schau immer genau, was da steht! Lies zuerst leise, dann laut.”
Manfred schaut kurz zu Ewa hin, um ihre Position zu orten, und Ewa seufzt besorgt auf. Yilmaz beobachtet es grimmig. Lily verdreht kichernd die Augen.
Manfred holt tief Luft. “Ewa ... Bot ... Botu ... wa ...” (stöhnt) “Bo –“
Ewa ruft laut heraus. “Botowamungu!”
Die anderen lachen. Ewa hält sich die Hand auf den Mund und schaut die Lehrerin “schuldbewusst” an. “Ups.” Frau Burger nickt, “wissend” und lächelt leicht. Manfred nickt und wendet sich Ewa zu. “Ewa Bomungu. 2.”
Lehrerin Burger seufzt nur, schaut derweil Marie an der Tafel zu, die “Faltr” geschrieben hat.
Manfred geht durch die Reihe zu Ewa, die sich freudig aufrichtet und Manfred die Hand entgegen streckt, strahlend lächelnd. Yilmaz stellt Manfred ein Bein, und Manfred stolpert, aber Benji hält Manfred in einem Reflex fest, damit er nicht auf ihn fällt. Dabei reißt ein Knopf von Manfreds Hemd ab, und kollert auf den Boden. Manfred fängt sich polternd und verschiebt zwei Tische, und die Mitschüler brechen in Rufe aus, während die Lehrerin laut “Was soll denn das?” ruft.
Marie dreht sich um, durch den Aufruhr erschreckt - und sieht wie der Knopf über den Boden kollert.
Manfred stößt wieder ein grunzendes Geräusch aus, rappelt sich auf und gibt Ewa ihr Blatt; Ewa strahlt ihn an, spricht schmachtend. “Danke, Manfred. Hast du dir wehgetan?” Sie nimmt das Blatt so, dass ihre Finger Manfreds Hand streifen; Er bemerkt es gar nicht, wendet sich schon dem nächsten Blatt zu.
Yilmaz grunzt laut, senkt aber den Kopf, weil die Lehrerin sich vor ihm aufpflanzt. “Du weißt, dass ich das notieren muss, oder?”
Yilmaz verschränkt die Arme und zuckt die Schultern. “Bin nicht schuld, wenn Maymun nicht gehen kann.”
Die Lehrerin runzelt die Stirn. “Er heißt Manfred, und ich hoffe, deine Eltern kommen zum Sprechtag.”
Inzwischen schaut Ewa beglückt das Papier an, und Lily kichert und flüstert ihr ins Ohr. “Oh! Da sind jetzt seine Bakterien drauf! Vielleicht musst du auch die Klasse wiederholen.” Ewa zuckt die Schultern, ein wortloses “Na und?” ausdrückend.
Yilmaz murmelt missmutig, “Maymun ... Affenbakterien.” Die Lehrerin gesellt sich wieder zu Marie, die bereits bei K ist und “Kirsche” geschrieben hat.
Inzwischen wirft Yilmaz Ewa heimlich eine Kusshand zu und flüstert schmachtend. “Sen beni seviyor musun?” (Es bedeutet ”Liebst du mich?”)
Ewa fuchtelt zu Yilmaz, dass er gefälligst wegschauen solle, und Lily prustet los und taucht unter ihr Pult, weil die Lehrerin genervt seufzt.
Yilmaz’ Nachbar Rudi kichert solidarisch.
Etwas später sitzt Lehrerin Burger an ihrem Pult und schreibt. Die Klasse ist leer, bis auf Manfred, der auf seinem Platz lümmelt und in einem Heft herumkritzelt.
Lehrerin Burger steht auf und tritt neben ihn; Sie sieht, dass er hauptsächlich Silhouetten von Bäumen, Häusern, Sonnen und Sterne gezeichnet und kaum etwas geschrieben hat. Sie hockt sich neben ihn hin. “Manfred, du hast doch am Wochenende irgendetwas gemacht, oder? Mit deinen Eltern, mit Freunden?”
Manfred zuckt die Schultern und schaut aus dem Fenster. Lehrerin Burger schiebt sich in sein Blickfeld. “Nichts? Hm. Du bist nicht einmal aufgestanden, hast nicht gefrühstückt, bist nicht spazieren gegangen?”
Sie schaut ihn herausfordernd an; Manfred zuckt die Schultern.
“Ferngesehen?”
Manfred nickt vage; Lehrerin Burger lächelt geduldig. “Na also. Dann schreibe etwas darüber. Was hast du dir angesehen?” Sie hockt sich zu ihm hin und schaut ihm direkt in die Augen. Manfred schluckt. “Hab’ ich vergessen.”
Die Lehrerin mustert sein Gesicht aufmerksam und sieht, dass er ein wenig verloren und irritiert wirkt. Sie lächelt ihn an, steht auf und tippt auf sein Heft. “Na gut. Dann schreib’ einfach vier Sätze über irgendetwas, das dir gefällt, hm? Egal was.”
Manfred schaut sich in der Klasse um, zuckt die Schultern.
“Vielleicht nicht hier drinnen. Irgendwo. Etwas Schönes. Ein Auto? Das Wetter? Vielleicht etwas zum Essen? Dir wird schon etwas einfallen.”
Sie geht zu ihrem Pult zurück und Manfred schaut ihr angestrengt nach. Die Lehrerin setzt sich hin und merkt, dass Manfred sie anstarrt. Sie lächelt freundlich. “Manfred, ist es dir egal, ob du schreiben kannst oder nicht?”
Manfred schaut verlegen von ihr weg und presst die Lippen zusammen; Dann schüttelt er den Kopf, und Lehrerin Burger äußert einen erfreuten Laut. “Na, wusste ich’s doch. Entspanne dich und dann schreib etwas. Wenn Fehler darinnen sind, werden wir sie gemeinsam ausbessern.” Sie zwinkert ihm zu. “Du bist ein schlauer Bursche. Ich weiß das. Wir müssen nur herausfinden, wie wir es machen, dass du das auch ... zeigst.”
Manfred schaut aus dem Fenster.
Manfred steht mit einem gepackten Rucksack im Vorraum. Sein Vater Konrad sitzt an seinem Schreibtisch im Arbeitszimmer und schreibt am Computer. Als er Manfred durch die offene Tür sieht, winkt er ihm zu. “Möchtest du noch etwas essen?”
Manfred schüttelt den Kopf und späht aus dem Fenster. Ein Auto bleibt draußen stehen, und Manfred’s Mutter Elina (29, groß, blond, in einem langen fließenden Kleid und bunter Halskette) steigt aus. Sie ist hochschwanger.
“Aber dann beklag’ dich nicht wieder bei deiner Mutter, dass du Hunger hast!”
Er verlässt das Arbeitszimmer, gesellt sich zu Manfred hin und kneift ihn sanft in die blasse Wange. “Du weißt ja, wie sie ist. Sie missversteht immer alles.”
Er ordnet Manfreds Kleidung und schaut etwas streng. “Deine Frau Lehrerin hat angerufen.”
Manfred presst die Lippen zusammen.
“Weißt du, warum?” Konrad legt den Kopf schief und mustert Manfred aufmerksam. Manfred schaut verlegen zur Seite, aber Konrad ergreift seinen Arm und schüttelt ihn sanft. “Na?”
Manfred blinzelt schüchtern. “Das Schreiben?”
“Und das Lesen. Und das Rechnen.” (seufzt) “Kiddo, du bist doch smart. Und es geht dir doch gut, oder?”
Elinas Schritte nähern sich und landen vor der Tür, Manfred schaut hinüber. Konrad schüttelt ihn am Arm, dass er ihn wieder ansehen soll. “Ich sage deiner Mutter jetzt nichts davon, okay? Aber wenn du wieder zu Hause bist, müssen wir darüber reden, gut?”
Manfred zuckt die Schultern. Konrad bläst Atem aus, genervt. “Du könntest mich wenigstens anschauen, wenn ich mit dir rede.”
Manfred schaut seinen Vater an, der verhalten murmelt, “Du hast wirklich das Verstockte von deiner Mutter. Diese unheimlich ... anstrengende Art.”
Es klopft an der Tür; Vater Konrad schüttelt Manfred leicht. “Also dann, ich wünsche dir trotzdem ein schönes Wochenende!”
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