Wir waren Staatsbesuch und dementsprechend auch laufend bewacht, was für uns ungewohnt war. So schlugen wir ein Schnippchen. Wir baten um Fahrräder und gaben vor, dass wir im Stadion zur körperlichen Ertüchtigung einige Runden drehen wollten. Stattdessen flohen wir zu zweit in den Verkehr ab in die Stadt, trafen einen Läufer, der uns vom Tag her kannte und verbrachten bis spät in die Nacht die Zeit bei seiner Familie. Währenddessen sassen die Organisatoren und Gastgeber der Stadt zusammen und bangten um uns. Schliesslich auf dem Weg zurück, kreuzten wir einen Polizisten auf dem Motorrad, welcher uns am Tag am Lauf begleitet hatte. Er bat uns auf dem schnellsten Weg zurückzukommen. Dort trafen wir auf versteinerte Minen. Ägypter kennen viel Humor. Ich versuchte es damit. Aber nichts hellte sie auf. Einige Minuten später wäre die gesamte Polizei der Stadt aufgeboten worden, um uns zu suchen, bekamen wir schliesslich zu wissen.
In Kairo fand bei den Pyramiden ein Lauf statt vom König Faysal aus Saudi-Arabien gesponsert. Divaspatti durfte gar seine Hand schütteln. Für Frauen war dies nicht möglich. Wir konnten aber Preise von ihm in Empfang nehmen.
Irgendwie bekam auch Gaddafi von diesem Lauf zu wissen, bevor wir in Ägypten waren. Sein Sekretär rief im Restaurant in der Schweiz an und bat darum, dass wir auch nach Libyen kommen sollten. „Er dürfe gerne einen Lauf organisieren“ wurde ihm ausgerichtet. Die internationale, politische Situation war zu angespannt, um dieses Angebot anzunehmen.
I
ch schloss dieses Land in mein Herz und fühlte mich in dieser Welt zu Hause. Dieses Leben ist mir bekannt. Es gab eine Zeit, da wollte ich hier alles liegen lassen und nach Kairo ziehen.
Ägypten eröffnete in meiner Seele Dimensionen, welche hier nicht gelebt und nicht geachtet werden. Spiritualität, Arbeit, Familie ist alles eins. Nichts wird getrennt vom anderen. Es wird aber auch nichts verdeckt und alles gehört zusammen. In der Gasse zur Mauer der heiligen, altehrwürdigen Azhar Moschee, hängt auf der Gegenseite das Fleisch einer vollständigen Kuh in der Hitze der Sonne. Es wird Schach gespielt mitten in einer engen Strasse, wo der Verkehr nur stockend vorwärtsgeht. Es ist Freitag, die ganze Gasse ist belegt mit Gebetsteppichen und Männern beim Gebet während der Gebetsausrufer vom Minarett seine Koranworte rezitiert. Ich sitze inmitten mit meinem Pink Hut auf einem goldigen, verschnörkelten, feingeschnitzten Polsterstuhl, welcher ein Möbelverkäufer vor seinen Laden gestellt hat. Das Gefängnis liegt mitten in der Stadt, Entlassene kommen raus, andere blicken mit ihren finsteren Blicken aus den Gefängnistransportern auf mich runter. Frauen laufen verhüllt neben halbnackten Touristinnen. Alles hat seinen Platz. Die Vielfalt wird angenommen. In einem renommierten Goldgeschäft kommt ein junger, kranker Mann und bekommt etwas zu essen. Da er in seinem kranken Zustand nicht sauber essen kann, entsteht eine riesige Sauerei. Gleichzeitig werden vornehme Gäste aus irgendwoher bedient. Es gibt Schurken und Rechtschaffene. Es gibt sehr Arme und sehr Reiche. Es gibt aber keine Grenzen zwischen den einen und anderen. Es ist ein grosses Miteinander.
Und wo ist nun dieses Kairo geblieben? Was geschieht in dieser Stadt? Kairo war eine der sichersten Städte auf dieser Welt. Es ist ein Machtkampf, übertragen auf diese Menschen, welche Spielball spielen, aber es eigentlich nicht wollen. Sie wollen Freiheit. Sie wollen Ägypter bleiben. Sie wollen weder eine saudische Kultur noch eine amerikanische Kultur aufgedrückt bekommen. Sie wollen ihr Land selber gestalten. Und genau das, wird immer schwieriger. Jeder lockt mit Geldern, welche schwierig sind auszuschlagen, wenn jedem das Wasser am Halse steht. Es ist kein Kampf der Ägypter. Es ist ein Kampf von aussen mit dem einzigen Ziel Ägypten in die Knie zu zwingen und dem einen oder anderen Herrn zu dienen.
Möge Frieden und Stabilität siegen. Alles andere kann daraus wachsen. Es ist etwas zerbrochen. Möge heilen, was zerbrochen wurde.
11. Spiritismus, Spiritualität und Reinheit
I
ch mag mich erinnern. Ich war in Kairo, sass draussen vor dem Glasladengeschäft von Osama Said.
Osama kenne ich über 30 Jahre. Sein Vater war der Chauffeur von Anwar Al Sadat. Sein Vater war ein Sufi, welcher oft in der Wüste einige Wochen verbrachte, um sich in der Spiritualität zu versenken. Anwar El Sadat gab ihm diese Freiheiten.
Leider wurde er Opfer eines Verkehr Unfalles. Er hinterliess fünf Kinder. Osama war der Älteste. So galt es schon früh, die Schule zu verlassen und zu arbeiten.
Einst kam ich zu seinem Laden just zur Gebetszeit. Osama war mitten in seinem Gebet. Ich spürte ihn, in diesem Moment in intensivster Zwiesprache mit Allah, wie ich dies noch nie zuvor erfahren hatte, wenn ich Muslime im Gebet beobachtete.
Als ich damals bei einem anderen Besuch in Kairo vor seinem Laden sass, kam eine Frau auf mich zu und sagte in Arabisch zu Osama etwas, das ich nicht verstand. Osama erklärte mir, dass diese Frau eben festgestellt hätte, dass ich eine grosse Reinheit ausstrahlen würde.
Reinheit ist hier im Westen keine Qualität, welche irgendjemand erwähnenswert findet, geschweige dann, dass eine wildfremde Frau sich dazu äussern würde.
Ich bin überrascht, weiss aber ihre Aussage sehr zu schätzen. Auf Reisen lernte ich sehr wohl Unterschiede festzustellen zwischen Menschen, welche meditieren oder ihren Glauben lebendig leben. Mir ist aber sehr aufgefallen, dass Ägypter im Besonderen sehr darauf achten, was Menschen ausstrahlen. Die Beduinen im Sinai wussten sogleich, wenn Menschen ein Leben der Meditation führten. Auch Ismael, welcher mir den Weg öffnete, die Cheops Pyramide zu besteigen, erkannte in mir einen Menschen der Meditation. Im Katharinen Kloster war es der griechisch-orthodoxe Mönch, so wie der Beduine, welcher mich zu den Ikonen eintreten liess. Sie alle spürten und wussten um mein spirituelles Leben.
So erging es mir auch, als ich zu einem spiritistischen Zirkel geführt wurde. Als ich noch sehr jung war, lud mich ein junger Herr ein zu einer spiritistischen Sitzung. Er konnte in der englischen Sprache das Wort «Spirituality» und «Spiritism» nicht unterscheiden. So dachte ich, er führe mich zu Menschen, welche meditieren. Während Menschen, welche sich mit Spiritualität beschäftigen, sich aufs Göttliche ausrichten und mittels Meditation oder Gebet sich dem Göttlichen nähern wollen, so beschäftigen sich spiritistische Kreise mit Geistern und Geisteraustreibungen. Ich kannte mich in diesem Gebiet überhaupt nicht aus und beschäftigte mich in diesem Leben nie damit. Ich hatte zwar bedingt durch das Räucherwerk öfters Kunden, welche in diesem Bereich Hilfe suchten. Dies gab ich jeweils ab an eine liebe Freundin, welche sehr seriös in diesem Bereich zu arbeiten weiss. Eine Grundausbildung erhielt sie von ihrer Grossmutter. Ausserhalb verschiedenster tiefgründiger Ausbildungen, so hat sie auch in der Schulmedizin einen Abschluss vorzuweisen. Sie kennt ihre Grenzen, erklärte den hilfesuchenden Menschen auch möglichst genau, was und wie sie arbeitet.
Hier in Ägypten verkehrten in diesem Kreis Menschen aus obersten Schichten. Es waren Menschen dabei aus Regierungskreisen. Ich war damals noch keine 30 Jahre alt. Sie glaubten in mir jemanden gefunden zu haben, der sich an ganz schwierige Fälle heranwagen kann und baten mich, eine Frau zu heilen, welche von Geistern besessen war. Ich verneinte. Ich hatte bestimmt Inkarnationen, wo ich mich mit solchem befasste. Mein jetziges Leben ist und war für anderes bestimmt. So hat jeder sein Plätzchen.
Es war mir in diesem Kreis nicht sehr wohl, obwohl sie ihre Arbeit sehr ernst nahmen. Bei solcher Arbeit die eigene Reinheit zu erhalten, ist keine einfache Aufgabe.
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