Was Klaus J. wirklich vorhatte, ist unklar. Zunächst war er nämlich Richtung Osten unterwegs. Im Vernehmungsprotokoll liest sich das so:
„Ich begab mich zu Fuß Richtung Autobahn. Mein Ziel war es, von dort aus per Anhalter in eine größere Stadt zu fahren, um dort erst einmal >unterzutauchen< bis die Großfahndung vorbei ist, um dann über Hamersleben, Wackersleben, Orslebenin die BRD zu gelangen. Ich wollte deshalb nicht gleich Richtung Grenze gehen, weil ich sicher wusste, dass Wanzleben bereits informiert ist und demzufolge auch an der Grenze entsprechender Alarm ausgelöst würde. Ich benutzte nicht den eigentlichen Weg, sondern ging bei den Neubauwohnungen entlang, um von niemanden gesehen zu werden.“
Das Verfahren wegen Mordes wird nun ausgeweitet. „Bohrist Klaus J. geb. am 18.06.1949 in Seehausen, Krs. Wanzleben wird beschuldigt, Terror, Mord und unbefugten Waffenbesitz begangen zu haben. Der Beschuldigte hat es mit dem Ziel, die sozialistische Staatsordnung zu schädigen, unternommen, vorsätzlich einen VP-Angehörigen zu töten. Seit dem Jahre 1968 wurde der Beschuldigte durch den VP-Angehörigen L. mehrfach wegen disziplinwidrigen Verhaltens in der Öffentlichkeit zur Ordnung angehalten. Deshalb fasste er den Entschluss, den VP-Angehörigen wegen seiner staatlichen Tätigkeit zu töten und setzte das, nachdem er den VP-Angehörigen L. niedergeschlagen hatte, in die Tat um, entriss diesem die Dienstwaffe und töte ihn durch mehrere Schüsse.“
Damit hat der Staat damit das letzte Mittel herausgeholt, die Terrorbeschuldigung. Damit wurde J. zum politischen Mörder gemacht. Aber, wenn man einen Polizisten tötet, ist es Terror, verunsichert die Bevölkerung und richtet sich gegen die elementarsten Grundlagen der Gemeinschaft. Heute bekäme der Täter dafür Lebenslänglich, aber damals war es noch anders.
In der ehemaligen DDR gelten Straftaten, die die Bevölkerung verunsichern und den Staats angreifen als Terror. Dazu zählt schon ein unerlaubter Grenzübertritt und erst recht Gewalt gegen Staatsorgane. Das Strafmaß für Terror ist besonders hoch, bis hin zum Todesurteil.
Im Fall des J. lautet das Urteil am 23.03.1973 wegen Mord und Terror auf Todesstrafe. Bei einer offiziellen Versammlung erfahren die Dorfbewohner von dem Ausgang des Verfahrens. Es sollte aber nicht groß darüber diskutiert werden. Doch nicht jeder der Versammelten hält seine Meinung zurück und das hat schwerwiegende Folgen.
Der Bürgermeister und sein Stellvertreter diskutierten im „Ratskeller“ darüber. Der Bürgermeister sagte, dass man J. in eine psychiatrische Klinik hätte bringen sollen und in der Heilanstalt wegschließen sollte. Aber nicht hinrichten. Das Gespräch hörte auch ein Fahrer der SED-Kreisleitung und erzählte es brühwarm seinen Sekretär.
Beide, Bürgermeister und Stellvertreter waren über Nacht ihren Job los, das war die Reaktion auf das Gespräch. Es war also sehr schwer, seine persönliche Meinung zu äußern, wenn die nicht in Richtung von Partei und Gesellschaft ging. Am Ende verliert die Gemeinde Seehausen gleich zwei ihrer Dorfbewohner.
Das Opfer und sein Mörder, obwohl die Umstände für ein Todesurteil mehr als fraglich waren. Ansonsten war es ein schlimmer Fall in der Geschichte von Seehausen.
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