Nur dass uns hoffentlich zum Schluss, wie es den beiden am Ende des Films ergangen ist, kein Redneck vom Bike schießt!
Seit drei Jahren machten wir dass nun gemeinsam: Helga mit ihrer 125er, ich mit meiner Yamaha XJ 750 von 1983, die nun auch schon etwa 130.000 Km in ihren 35 Jahren angesammelt hat; genau weiß ich es nicht, weil der Kilometerzähler bei 98.763 stehen geblieben ist. Vielleicht sind es ja auch schon 140.000. Egal.
Wir hatten größere oder kleinere Touren und auch schon zwei Reisen in Deutschland so gemacht: Immer auf der Landstraße. Und wenn ich auch das eine oder andere Mal doch ein gaaanz klein wenig ungeduldig wurde auf meine Süße zu warten - wenn sie mit ihrem kleinen Motor und 11 PS wieder mal hinter einem LKW hing und nicht mal so eben überholen konnte wie ich, mit einem kurzen Dreh am Gasgriff dran vorbei; oder wenn sie in den Bergen wie wild im Getriebe herumrühren musste, um überhaupt vorwärts zu kommen: Eigentlich war die Langsamkeit für mich so okay.
Bin ja überhaupt ein sehr geduldiger und ausgeglichener Mensch.
„Ach, ja?“. Helga sitzt im Sessel und strickt, während ich ihr vorlese, an den Socken für Tom, einem unserer Enkelkinder. Sie schaut mich über den Rand ihrer Brille an.
„Das ist ja mal ganz was Neues!“.
„Wieso denn? Ich bin schließlich einer der geduldigsten Menschen, die ich kenne!“.
Dann war da noch etwas, das uns verband: Schon lange bevor wir uns über den Weg liefen, hatte jeder für sich einen Traum - mit dem Mopped mal eine längere Reise zu machen. Aber nicht einfach irgendwo hin fahren, da dann bleiben und wieder zurück, nein: Das Motorradfahren selbst als Erlebnis. Eben „On the road again“ sein!
Nur, allein macht das eben doch weniger Spaß; und wenn da niemand ist, mit dem man auf einer Wellenlänge sendet und empfängt, keiner da, der so was mitmacht – dann verschiebt man es halt. Wie man überhaupt im Leben viel zu oft viel zu Vieles, das man gerne machen möchte - und das eigentlich sofort getan werden müsste - auf später, auf irgendwann verschiebt. So geht‘s halt im Leben: Immer wieder diese Eigentlichs. Aber jetzt: Hatten wir ja uns!
Irgendwann kam der Gedanke auf, es wäre doch toll, wenn wir ihre noch immer ausstehende Reise gemeinsam und auf dem Motorrad machen würden. Auf meinem natürlich, denn wenn sich die An- und Abfahrt nach Dingle und zurück nicht endlos hinziehen sollten, würden wir wohl oder übel viele Kilometer über die Autobahn fahren müssen; und das wäre mit ihrer kleinen Maschine Stress pur. Und so viel Urlaub, dass wir wie gewohnt nur die Landstraße nehmen konnten, würden wir auch nicht so einfach bekommen. Aber, so richtig gefiel ihr der Gedanke daran nicht: Sie liebt es halt selbst zu fahren.
Dann, es war letztes Jahr Ende Oktober, rief sie mich Montag Mittag überraschend an: Ob ich sie beim TÜV in Traunreut abholen könne. Eigentlich sollte sie um diese Uhrzeit auf der Fraueninsel sein, um die Seniorin einer dortigen Fischerfamilie zu betreuen.
„Wieso in Traunreut? Ich denk du bist auf der Insel?“. Der Sohn ihres Chefs habe sie mitgenommen, weil er da was erledigen musste, wischt sie meine Frage beiseite; und überhaupt solle ich sofort kommen, innerhalb der nächsten Viertelstunde, es sei dringend.
Bitte.
Als ich zehn Minuten später dort ankomme wirft sie sich aufgeregt auf den Beifahrersitz, packt mich am Arm und sagt: „Du liebst mich doch? Oder? ODER? Versprichst Du mir nicht böse zu sein?“. Häh?
„Versprich mir nicht böse zu sein! Bitte!“
Okay, bin ich ihr also nicht böse. Geht ja auch gar nicht, so wunderbar lebhaft und quirlig, mit vor Aufregung roten Wangen und schön, wie sie da so sitzt, und mich mit großen Augen ansieht. Sie platzt geradezu vor Begierde, mir was ganz Wichtiges zu sagen.
„Was hast Du denn so Furchtbares gemacht?“
Kurzes Funkeln in ihren Augen, und dann:
„Ich hab heimlich den Führerschein fürs Motorrad gemacht!“.
„…….?!?!“.
Ungläubiges Staunen.
Unmöglich, diese Frau.
Un….d fabelhaft.
Ja, und so kam es, dass wir in diesem Frühjahr für Helga eine schöne 750er Honda Spirit erstanden, die wir auf den Namen „Eagle“ - Adler tauften; und mit der sie jetzt aber so was von locker mit meinem alten Schätzchen namens „Moodchanger“ mithalten kann; und somit der Irlandreise nichts mehr im Wege stand.
Außer vielleicht der Zustand meiner doch schon nicht mehr so ganz taufrischen Gesundheit.
~
Meine Tochter schüttelte besorgt den Kopf.
„Also weißt du, Papa, manchmal denk ich wirklich, du wirst nie vernünftig“.
Sie sah Schwiegersohn an, aber der lächelte nur. Dann stand er auf, und während er die Espressomaschine bediente, um uns einen frischen Kaffee zu machen, schaute sie nachdenklich aus dem Fenster, hinaus in den seit ein paar Stunden stetig strömenden Regen, der den Blick auf die Weide vor dem Haus verhinderte. Irgendwo hatte sie ja Recht – vielleicht war es doch eine Schnapsidee. Vorsichtshalber sagte ich erst mal nichts, und wartete. Nach einer Weile glättet sich ihre Stirn etwas, und die steile Falte zwischen den Augenbrauen, die sie immer hat, wenn sie etwas beschäftigt oder aufregt, verschwand allmählich.
Dann, als unsere Tassen mit frischem Milchkaffee wieder dampfend vor uns standen, sah sie mich an.
„Aber eigentlich – ist das ja auch wieder klasse“.
„Was?“.
Sie lächelte.
„Das du einfach nicht erwachsen wirst!".
Sonntag, 10.6.2018 – Noch in den Vorbereitungen
2 Tage bis zum Start
Die Vorbereitungen für unser irisches Abenteuer sind fast abgeschlossen: Die Fähren von Calais nach Dover und von Fishguard nach Rosslare hin und zurück sind gebucht (über Gaeltacht, ein Anbieter für Irlandreisen; war ein Tip von Jaqueline, der sich gelohnt hat, sie bieten wirklich einen bemerkenswerten Service). Hotels für die beiden geplanten Zwischenstop-Übernachtungen auf der Hinfahrt sind über Booking.com reserviert und über PayPal bezahlt (für mich alten Sack ist es immer wieder ein Erlebnis, was heut so alles völlig problemlos übers Internet möglich ist. Bei aller berechtigter Kritik über Datenklau und Big Data: Ist das Alles trotzdem nicht einfach sa-gen-haft? Wenn mir das einer vor dreißig Jahren erzählt hätte!).
Die Servicearbeiten an den Maschinen sind erledigt, Öl und Filter sind neu, Ersatzseilzüge für Kupplung und Gas, Kerzen und noch ein paar lebensnotwendige Kleinigkeiten sind eingepackt, und Helgas „Eagle“ hat sogar noch ein Paar frische Reifen bekommen. Christian Hopf aus Traunwalchen hat meinen Motor so super eingestellt – mein alter "Moodchanger" ist noch nie so gut gelaufen. Und obwohl ich nach wie vor ein wenig – nein, das stimmt nicht: Gehörig Muffensausen habe bei der Vorstellung, dass wir Zwei übermorgen tatsächlich nach Irland fahren: Ich freu mich riesig auf die Fahrt!
Beim Probeanziehen der Regenklamotten (es geht ja nach Irland, was haben wir nicht schon alles über das Wetter dort gehört und gelesen) stelle ich fest, dass an einem Regenhandschuh eine Naht aufgegangen ist. Mann, wenn ich das erst unterwegs gemerkt hätte: Ich bin einmal siebenhundert Kilometer mit nassen Händen gefahren, das hat mir mehr als gereicht! Also, morgen noch neue besorgen. Das andere Gepäck ist alles gepackt, und morgen nachmittag werden die Moppeds damit beladen.
In den letzten Monaten haben wir immer wieder unsere Reiseführer über Irland und den Süden von England gewälzt: Unsere Reiseroute soll, von unserem Heimatort am Chiemsee startend, über Luxemburg und Belgien – dort eine erste Übernachtung - nach Calais führen, dann rüber nach Dover. Mit dem Schiff über den Kanal, natürlich. Wir wollen schließlich was erleben und sehen für unser Geld: Vielleicht mit einem Kaffee an der Reling stehend aufs Meer schauen, dann ein zweites Frühstück haben – und nicht eine halbe Stunde in einem merkwürdigen Zugwagon hocken, der unter dem Ärmelkanal durchrast. Denn: Reisen bedeutet auch, den Weg ohne Zeit zu genießen! Wollt ich nur noch mal so drauf hinweisen. Und dazu ist es per Fähre auch noch billiger. O.k. - nur, wenn man das Frühstück auf dem Schiff weglässt.
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