Die beiden menschlichen Gestalten, die diese Landschaft belebten, theilten hinsichtlich ihrer Kleidung und ihres Ansehens den wilden und ländlichen Charakter, der dem Gehölze von West Riding (Yorkshire) zu jener Zeit eigen war. Der ältere von diesen Männern hatte ein wildes und finsteres Aussehen. Seine Kleidung war von der einfachsten Art, die man denken kann. Sie bestand in einer eng anschließenden Jacke mit Aermeln, die aus einem gegerbten Thierfelle verfertigt war, an welchem man ursprünglich das Haar gelassen hatte. Doch da es an vielen Stellen abgescheuert war, so konnte man an den wenigen noch übrigen Haarbüscheln nur mit Schwierigkeit unterscheiden, welchem Thiere es angehört hatte. Dieses Kleid reichte dem Manne der Vorzeit vom Halse bis an die Kniee, und war das einzige, welches er trug. Am Halse befand sich eine Oeffnung, die nur groß genug war, um den Kopf durchzulassen, woraus man schließen konnte, daß er es nach Art eines heutigen Hemdes oder einer alterthümlichen Halsberge anlegte, indem er es über Kopf und Schultern zog. Sandalen, mit Riemen von Eberfell festgebunden, schützten seine Füße, und eine Rolle dünnen Leders war künstlich um seine Beine gewickelt, die bis über die Wade ging und wie die eines schottischen Hochländers die Kniee bloß ließ. Um die Jacke fester um den Leib zusammenzuziehen, war sie in der Mitte von einem breiten ledernen Gürtel gehalten und mit einer kupfernen Schnalle versehen. An der einen Seite desselben war eine Tasche befestigt, und an der andern hing ein Bockshorn, mit einem Mundstück, um darauf zu blasen. In demselben Gürtel stak eins von jenen langen, breiten, scharf zugespitzten, zweischneidigen Messern, mit einem Griffe von Bockshorn, wie sie in der Gegend, selbst zu jener frühen Zeit, unter dem Namen Sheffielder Messer fabricirt wurden. Der Mann trug keine Kopfbedeckung. Sein Haupt wurde bloß durch sein eigenes dichtes Haar beschützt, welches verschlungen und zusammengefilzt war. Es hatte von der Sonne eine rostige dunkelrothe Farbe angenommen und bildete einen Gegensatz zu dem mächtigen Barte an seinen Wangen, der von gelblicher Farbe war. Nur ein Theil seiner Kleidung blieb bis jetzt unerwähnt, der zu merkwürdig ist, um übergangen zu werden. Es war dies ein kupferner Ring, einem Hundehalsband nicht unähnlich, doch ohne Oeffnung und um seinen Hals so lose festgelöthet, daß er ihn nicht am Athmen hinderte, aber doch so dicht anliegend, daß er ohne Anwendung einer Feile nicht abgenommen werden konnte. Auf diesem seltsamen Halsschmucke war in angelsächsischen Runen eine Inschrift folgenden Inhalts eingegraben: »Gurth, der Sohn Beowulfs, ist der geborne Leibeigene Cedrics von Rotherwood.«
Neben dem Schweinehirten, denn ein solcher war Gurth, saß auf einem der umgestürzten druidischen Denkmäler ein Mann, dem Ansehen nach etwa zehn Jahre jünger, dessen Kleider, obgleich denen seines Gefährten ähnlich, von etwas besserem Material, jedoch phantastischer, waren. Seine Jacke war von heller Purpurfarbe, auf die man versucht hatte, groteske Zieraten in verschiedenen Farben zu malen. Außer der Jacke trug er noch einen kurzen Mantel, der kaum bis zur Hälfte über seine Schenkel reichte. Er war von hochrothem Tuch, ziemlich beschmutzt, und mit einem hellgelben Besatze versehen; da er ihn von einer Schulter auf die andere legen oder nach Gefallen ganz um sich zuziehen konnte, weil die Weite mit der Kürze in keinem Verhältniß stand, so bildete derselbe ein seltsames Stück Draperie. Er trug dünne silberne Armbänder und ein Band von demselben Metall um den Hals, auf welchem die Inschrift stand: »Wamba, der Sohn des Witleß, ist der Leibeigene Cedrics von Rotherwood.« Dieser Mensch trug dieselben Sandalen wie sein Gefährte, aber anstatt der ledernen Umhüllung steckten seine Beine in einer Art von Gamaschen, von denen die eine roth, die andere gelb war. Auch war er mit einer Kappe versehen, an welcher mehrere Schellen von der Größe derjenigen, die man den Falken anhängt, rings herum angebracht waren; dieselben klingelten, sobald er den Kopf von einer Seite zur andern bewegte, und da er selten eine Minute in der nämlichen Stellung blieb, so schien das Geklingel fast unaufhörlich. Um den Rand seiner Kappe befand sich eine steife lederne Binde, die aber ausgeschnitten war und einer Grafenkrone glich, während sich aus dem Innern derselben ein langer Beutel erhob und auf die eine Schulter niederfiel, ähnlich einer altmodischen Nachtmütze, einem Filtrirsack oder dem Kolpak eines deutschen Husaren. An diesem Theile der Kappe waren die Schellen befestigt, was ihn zusammen mit der Form seiner Kopfbedeckung und dem halb verrückten halb pfiffigen Ausdruck seines Gesichts hinlänglich als einen jener Hansnarren oder Spaßmacher bezeichnete, die in den Familien der Reichen gehalten wurden, um die Langeweile jener lästigen Stunden zu verkürzen, die sie im Hause zuzubringen genöthigt waren. Auch er trug, wie sein Gefährte, eine Tasche am Gürtel, hatte aber weder Horn noch Messer. Man rechnete ihn wahrscheinlich zu der Klasse von Menschen, denen man scharfe Werkzeuge nicht gern anvertraut. Anstatt derselben führte er ein hölzernes Schwert, ähnlich demjenigen, mit welchem Harlekin auf der modernen Volksbühne heute noch seine Wunder ausführt.
Das äußere Aussehen dieser beiden Männer bildete kaum einen stärkeren Contrast als ihr Ausdruck und ihr Benehmen. Der Knecht war finster und traurig. Sein Blick war mit dem Ausdruck tiefer Niedergeschlagenheit auf den Boden geheftet, und man hätte diese für Gefühllosigkeit halten können, wenn nicht das Feuer, welches hin und wieder in seinem rothen Auge funkelte, bezeugt hätte, daß dort unter dem Anschein düstrer Trostlosigkeit ein Gefühl des Druckes und die Neigung zum Widerstand schlummre. Wambas Blicke dagegen zeigten, wie das bei dieser Klasse gewöhnlich, eine Art leerer Neugier nebst der äußersten Selbstzufriedenheit hinsichtlich seiner Lage und der Figur, die er spielte. Ihr Gespräch wurde in angelsächsischer, d.h. der deutschen Sprache geführt, welche, wie wir bereits gesagt haben, von den untern Klassen damals allgemein gesprochen wurde. Wollten wir ihre Unterhaltung im Original mittheilen, so würde der jetzige Leser wohl nur wenig davon verstehen, und darum liefern wir ihm die folgende Uebersetzung.
»Sanct Witholds Fluch über dieses verdammte Schweinevieh!« sagte der Hirt, nachdem er heftig auf seinem Horn geblasen hatte, um die zerstreute Schweineheerde zu versammeln, die zwar seinen Ruf mit gleich melodischen Tönen beantwortete, aber keineswegs eilte, sich von dem üppigen Mahle der Buchmast und Eicheln zu entfernen, an denen sie sich erlabte, oder die sumpfigen Ufer des Baches zu verlassen, wo einige Borstenthiere, halb im Schlamm versenkt, gemächlich ausgestreckt lagen, und den Ruf des Hüters nicht hörten. »Sanct Witholds Fluch über sie und mich!« sagte Gurth; »wenn der zweibeinige Wolf nicht vor Anbruch der Nacht einige von ihnen aufschnappt, so bin ich kein Mann! Hier, Packan, Packan!« rief er mit lauter Stimme einem zottigen, wolfähnlichen Hunde zu, welcher umherhinkte, als wolle er seinem Herrn die widerspenstigen Grunzer zusammentreiben helfen. »Der Teufel reiße ihm die Zähne aus.« sagte Gurth, »und die Mutter des Unheils komme über den Wildmeister, der unsern Hunden die Vorderzehen abschneidet und sie zu ihrem Geschäft untauglich macht! Wamba, mach Dich auf und hilf mir, wenn Du ein Mann bist; lauf um den Hügel, um ihnen den Wind abzuschneiden; hast Du sie vor Dir, so kannst du sie treiben wie unschuldige Lämmer.«
»Wahrlich,« sagte Wamba, ohne sich von der Stelle zu rühren, »ich habe meine Beine über die Sache befragt, und die sind durchaus der Meinung, daß meine bunten Kleider durch diese Pfützen zu schleppen eine unfreundschaftliche Handlung gegen meine hohe Person und meine königliche Garderobe sein würde; deshalb rathe ich Dir, Gurth, Deinen Packan zurückzurufen und die Herde ihrem Schicksal zu überlassen. Mögen nun Banden reisiger Kriegsleute sie treffen, oder Geächtete, oder wandernde Pilger, die werden doch vor morgen früh zu Deiner nicht geringen Ruhe und Behaglichkeit in Normänner verwandelt werden.«
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