Edward Bellamy
Inhaltsverzeichnis
Vorrede
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebentes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Siebzehntes Kapitel
Achtzehntes Kapitel
Neunzehntes Kapitel
Zwanzigstes Kapitel
Einundzwanzigstes Kapitel
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Vierundzwanzigstes Kapitel
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Sechsundzwanzigstes Kapitel
Siebenundzwanzigstes Kapitel
Achtundzwanzigstes Kapitel
Impressum
Abteilung für Geschichte im Shawmut College, Boston, den 28. Dezember 2000.
Wir leben im letzten Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts und genießen die Segnungen einer ebenso einfachen wie logischen sozialen Ordnung, die lediglich als Triumph des gesunden Menschenverstandes erscheint. Jedoch denjenigen, welche nicht gründliche geschichtliche Studien gemacht haben, mag der Gedanke fern liegen, dass die gegenwärtige Organisation der Gesellschaft weniger als hundert Jahre alt ist. Keine geschichtliche Tatsache stand fester, als der bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts festgehaltene allgemeine Glaube, dass das alte Gewerbesystem mit all seinen schrecklichen sozialen Folgen, vielleicht mit etwas Flickwerk, bis zum Ende aller Tage dauern würde. Wie wunderbar und fast unglaublich scheint es doch, dass eine so großartige moralische und materielle Umgestaltung, wie sie seitdem stattgefunden hat, in einem so kurzen Zeitraum sich vollziehen konnte! Die Leichtigkeit, mit welcher sich die Menschen an eine Besserung ihrer Lage gewöhnen, die selbst die kühnsten Hoffnungen übertrifft, könnte nicht besser illustriert werden. Was könnte die Begeisterung der Reformatoren, welche auf lebhafte Dankbarkeit zukünftiger Jahrhunderte rechnen, gründlicher herabstimmen!
Dieses Schriftchen soll denen eine Hilfe sein, welche zwar einen bestimmten Begriff von den sozialen Gegensätzen des 19. und 20. Jahrhunderts sich aneignen möchten, aber durch den Umfang des historischen Materials über diesen Gegenstand abgeschreckt werden. Meine Erfahrung als Lehrer hat mir gezeigt, dass Lernen als unliebsame Anstrengung angesehen wird, deshalb habe ich mich bemüht, die in dem Buch enthaltenen Lehren in die Form einer romantischen Erzählung zu kleiden, welche, wie ich hoffe, ihrer selbst wegen, nicht ganz ohne Interesse sein wird.
Der Leser, welchem die modernen sozialen Einrichtungen und die Grundsätze, auf denen sie beruhen, geläufig sind, wird bisweilen Dr. Leetes Auseinandersetzungen etwas trocken finden, aber er muss bedenken, dass dieselben dem Gaste des Doktors nicht geläufig waren, und wir müssen ihn bitten, auch einmal zu vergessen, dass sie es ihm sind. Noch ein Wort. Das fast allgemeine Thema der Schriftsteller und Redner, welche diesen zweitausendjährigen Zeitraum gefeiert haben, war mehr die Zukunft als die Vergangenheit, nicht die Verbesserung, die gemacht worden ist, sondern der Fortschritt, der gemacht werden soll, bis das Menschengeschlecht seine Bestimmung wird erreicht haben. Dies ist ja ganz gut, aber es will mir scheinen, dass wir nirgends solidere Grundlagen für hohe Erwartungen menschlicher Entwicklung in den nächsten tausend Jahren finden können, als indem wir einen Rückblick tun auf den Fortschritt der letzten hundert Jahre.
Dass dieses Schriftchen das Glück haben möchte, Leser zu finden, deren Interesse für den Gegenstand sie die Mängel der Behandlung desselben übersehen lässt, ist die Hoffnung, mit welcher der Verfasser zurücktritt und es Herrn Julian West überlässt, selbst zu sprechen.
Ich erblickte das Licht der Welt in der Stadt Boston im Jahre 1857. »Was«, wird der Leser sagen, »achtzehnhundertsiebenundfünfzig? Das ist ein komisches Versehen; er meint natürlich 1957.« Bitte um Entschuldigung, es ist kein Versehen. Es war etwa um vier Uhr Nachmittag am 26. Dezember, einen Tag nach Weihnachten, im Jahre 1857, nicht 1957, dass mir zum ersten Male der Ostwind von Boston um die Nase wehte, welcher, ich versichere es dem Leser, in dieser grauen Vorzeit ebenso durchdringend war, als in dem gegenwärtigen Jahre des Heils, 2000.
Diese Angaben, namentlich wenn ich noch hinzufüge, dass ich ein junger Mann von anscheinend etwa dreißig Jahren bin, scheinen offenbar so abgeschmackt, dass es niemand verdacht werden kann, wenn er sich weigert, auch nur noch ein Wort von dem zu lesen, was eine Zumutung an seine Leichtgläubigkeit zu werden verspricht. Nichtsdestoweniger versichere ich dem Leser, dass keine Täuschung beabsichtigt ist, und will es auf mich nehmen, ihn vollständig davon zu überzeugen, wenn er mir ein paar Seiten weiter folgt. Wenn ich also, mit dem Versprechen die Annahme zu rechtfertigen, annehmen darf, dass ich besser wissen muss als der Leser, wann ich geboren bin, will ich in meiner Erzählung fortfahren. Wie jeder Schuljunge weiß, gab es gegen Ende des 19. Jahrhunderts keineswegs eine solche, oder nur eine ähnliche Zivilisation als die heutige, obwohl die Elemente, aus welcher sie hervor gehen sollte, schon in Gärung begriffen waren. Jedoch war noch nichts geschehen, die seit undenklichen Zeiten bestehende Einteilung der Gesellschaft in vier Klassen zu mildern: die Reichen und die Armen, die Gebildeten und die Ungebildeten. Ich war reich und gebildet und vereinigte daher in mir alle Bedingungen eines Glückes, dessen sich in jenem Zeitalter die Bevorzugtesten erfreuten. Dass ich in Luxus lebte und nur bemüht war die Vergnügungen und Verfeinerungen des Lebens zu genießen, verdankte ich der Arbeit anderer und leistete nicht den geringsten Gegendienst. Meine Eltern und Großeltern hatten ebenso gelebt, und ich hoffte, dass meine Nachkommen, wenn ich solche haben sollte, sich einer ebenso leichten Existenz erfreuen würden.
Aber wie konnte ich leben, ohne der Welt zu dienen? wird der Leser fragen. Wie konnte die Welt jemand Unterhalt gewähren, der nicht arbeitete und doch arbeiten konnte? Die Antwort auf diese Frage ist, dass mein Urgroßvater ein Vermögen gesammelt hatte, von dem seine Nachkommen lebten. Man wird vermuten, dass das Vermögen sehr groß gewesen sei, da es durch das Leben dreier Generationen in Untätigkeit nicht aufgezehrt wurde. Das war jedoch nicht der Fall. Das Vermögen war ursprünglich keineswegs groß. In der Tat war es jetzt, nachdem drei Generationen untätig davon gelebt hatten, viel größer als anfänglich. Dieses Geheimnis von Benutzung ohne Verbrauch, von Wärme ohne Verbrennung scheint wie ein Zauber, war aber einfach die geistvolle Anwendung der, glücklicherweise jetzt verloren gegangenen, von unseren Vorfahren aber zu großer Vollkommenheit gebrachten Kunst, die Last für jemandes Unterhalt auf die Schultern anderer zu werfen. Der Mann, der das fertig brachte, und alle trachteten danach es soweit zu bringen, lebte dann, wie man sagte, von dem Abwurf seines Vermögens. Es würde uns zu weit führen, hier zu erklären, wie die alten Methoden der Industrie dies ermöglichten. Ich will nur soviel sagen, dass die Interessen von Kapitalanlagen eine Art Steuer waren, welche ein Mann, der Geld erworben oder geerbt hatte, von dem Erwerb derer erhob, welche sich mit Industrie beschäftigten. Man darf nicht glauben, dass ein nach modernen Begriffen so unnatürliches und widersinniges Verhältnis von unseren Vorfahren niemals getadelt worden wäre. Gesetzgeber und Philanthropen bemühten sich von den frühesten Zeiten an, die Zinsen abzuschaffen, oder doch auf möglichst geringes Maß zu beschränken. All diese Bemühungen sind jedoch misslungen und mussten notwendigerweise misslingen, solange die alte soziale Organisation herrschte. Zu der Zeit, von welcher ich schreibe, also vom Ende des 19. Jahrhunderts, hatten im allgemeinen die Regierungen den Versuch, die Sache zu regulieren, vollständig aufgegeben.
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