JOHANNA.
Es war kein Irrtum, eine Schickung wars.
RAIMOND.
Ihr littet alle diese Schmach unschuldig,
Und keine Klage kam von Euren Lippen!
– Ich staune über Euch, ich steh erschüttert,
Im tiefsten Busen kehrt sich mir das Herz!
O gerne nehm ich Euer Wort für Wahrheit,
Denn schwer ward mirs, an Eure Schuld zu glauben.
Doch konnt ich träumen, daß ein menschlich Herz
Das Ungeheure schweigend würde tragen!
JOHANNA.
Verdient ichs, die Gesendete zu sein,
Wenn ich nicht blind des Meisters Willen ehrte!
Und ich bin nicht so elend, als du glaubst.
Ich leide Mangel, doch das ist kein Unglück
Für meinen Stand, ich bin verbannt und flüchtig,
Doch in der Öde lernt ich mich erkennen.
Da, als der Ehre Schimmer mich umgab,
Da war der Streit in meiner Brust, ich war
Die Unglückseligste, da ich der Welt
Am meisten zu beneiden schien – Jetzt bin ich
Geheilt, und dieser Sturm in der Natur,
Der ihr das Ende drohte, war mein Freund,
Er hat die Welt gereinigt und auch mich.
In mir ist Friede – Komme, was da will,
Ich bin mir keiner Schwachheit mehr bewußt!
RAIMOND.
O kommt, kommt, laßt uns eilen, Eure Unschuld
Laut, laut vor aller Welt zu offenbaren!
JOHANNA.
Der die Verwirrung sandte, wird sie lösen!
Nur wenn sie reif ist, fällt des Schicksals Frucht!
Ein Tag wird kommen, der mich reiniget.
Und die mich jetzt verworfen und verdammt,
Sie werden ihres Wahnes inne werden,
Und Tränen werden meinem Schicksal fließen.
RAIMOND.
Ich sollte schweigend dulden, bis der Zufall –
JOHANNA ihn sanft bei der Hand fassend.
Du siehst nur das Natürliche der Dinge,
Denn deinen Blick umhüllt das irdsche Band.
Ich habe das Unsterbliche mit Augen
Gesehen – ohne Götter fällt kein Haar
Vom Haupt des Menschen – Siehst du dort die Sonne
Am Himmel niedergehen – So gewiß
Sie morgen wiederkehrt in ihrer Klarheit,
So unausbleiblich kommt der Tag der Wahrheit!
Die Vorigen. Königin Isabeau mit Soldaten erscheint im Hintergrund.
ISABEAU noch hinter der Szene.
Dies ist der Weg ins engelländsche Lager!
RAIMOND.
Weh uns! die Feinde!
Soldaten treten auf, bemerken im Hervorkommen die Johanna, und taumeln erschrocken zurück.
ISABEAU.
Nun! was hält der Zug!
SOLDATEN.
Gott steh uns bei!
ISABEAU.
Erschreckt euch ein Gespenst!
Seid ihr Soldaten? Memmen seid ihr! – Wie?
Sie drängt sich durch die andern, tritt hervor und fährt zurück, weil sie die Jungfrau erblickt.
Was seh ich! Ha!
Schnell faßt sie sich und tritt ihr entgegen.
Ergib dich! Du bist meine
Gefangene.
JOHANNA.
Ich bins.
Raimond entflieht mit Zeichen der Verzweiflung.
ISABEAU zu den Soldaten.
Legt sie in Ketten!
Die Soldaten nahen sich der Jungfrau schüchtern, sie reicht den Arm hin und wird gefesselt.
Ist das die Mächtige, Gefürchtete,
Die eure Scharen wie die Lämmer scheuchte,
Die jetzt sich selber nicht beschützen kann?
Tut sie nur Wunder, wo man Glauben hat,
Und wird zum Weib, wenn ihr ein Mann begegnet?
Zur Jungfrau.
Warum verließest du dein Heer? Wo bleibt
Graf Dunois, dein Ritter und Beschützer?
JOHANNA.
Ich bin verbannt.
ISABEAU erstaunt zurücktretend.
Was? Wie? Du bist verbannt?
Verbannt vom Dauphin!
JOHANNA.
Frage nicht! Ich bin
In deiner Macht, bestimme mein Geschick.
ISABEAU.
Verbannt, weil du vom Abgrund ihn gerettet,
Die Krone ihm hast aufgesetzt zu Reims,
Zum König über Frankreich ihn gemacht?
Verbannt! Daran erkenn ich meinen Sohn!
– Führt sie ins Lager. Zeiget der Armee
Das Furchtgespenst, vor dem sie so gezittert!
Sie eine Zauberin! Ihr ganzer Zauber
Ist euer Wahn und euer feiges Herz!
Eine Närrin ist sie, die für ihren König
Sich opferte, und jetzt den Königslohn
Dafür empfängt- Bringt sie zu Lionel –
Das Glück der Franken send ich ihm gebunden,
Gleich folg ich selbst.
JOHANNA.
Zu Lionel! Ermorde mich
Gleich hier, eh du zu Lionel mich sendest.
ISABEAU zu den Soldaten.
Gehorchet dem Befehle. Fort mit ihr!
Geht ab.
Johanna. Soldaten.
JOHANNA zu den Soldaten.
Engländer, duldet nicht, daß ich lebendig
Aus eurer Hand entkomme! Rächet euch!
Zieht eure Schwerter, taucht sie mir ins Herz,
Reißt mich entseelt zu eures Feldherrn Füßen!
Denkt, daß ichs war, die eure Trefflichsten
Getötet, die kein Mitleid mit euch trug,
Die ganze Ströme engelländschen Bluts
Vergossen, euren tapfern Heldensöhnen
Den Tag der frohen Wiederkehr geraubt!
Nehmt eine blutge Rache! Tötet mich!
Ihr habt mich jetzt, nicht immer möchtet ihr
So schwach mich sehn –
ANFÜHRER DER SOLDATEN.
Tut, was die Königin befahl!
JOHANNA.
Sollt ich
Noch unglückselger werden als ich war!
Furchtbare Heilge! deine Hand ist schwer!
Hast du mich ganz aus deiner Huld verstoßen?
Kein Gott erscheint, kein Engel zeigt sich mehr,
Die Wunder ruhn, der Himmel ist verschlossen.
Sie folgt den Soldaten. Das französische Lager.
Dunois zwischen dem Erzbischof und Du Chatel.
ERZBISCHOF.
Bezwinget Euern finstern Unmut, Prinz!
Kommt mit uns! Kehrt zurück zu Euerm König!
Verlasset nicht die allgemeine Sache
In diesem Augenblick, da wir aufs neu
Bedränget, Eures Heldenarms bedürfen.
DUNOIS.
Warum sind wir bedrängt? Warum erhebt
Der Feind sich wieder? Alles war getan,
Frankreich war siegend und der Krieg geendigt.
Die Retterin habt ihr verbannt, nun rettet
Euch selbst! Ich aber will das Lager
Nicht wieder sehen, wo sie nicht mehr ist.
DU CHATEL.
Nehmt bessern Rat an, Prinz. Entlaßt uns nicht
Mit einer solchen Antwort!
DUNOIS.
Schweigt, Du Chatel!
Ich hasse Euch, von Euch will ich nichts hören.
Ihr seid es, der zuerst an ihr gezweifelt.
ERZBISCHOF.
Wer ward nicht irr an ihr und hätte nicht
Gewankt an diesem unglückselgen Tage,
Da alle Zeichen gegen sie bewiesen!
Wir waren überrascht, betäubt, der Schlag
Traf zu erschütternd unser Herz – Wer konnte
In dieser Schreckensstunde prüfend wägen?
Jetzt kehrt uns die Besonnenheit zurück,
Wir sehn sie, wie sie unter uns gewandelt,
Und keinen Tadel finden wir an ihr.
Wir sind verwirrt – wir fürchten schweres Unrecht
Getan zu haben. – Reue fühlt der König,
Der Herzog klagt sich an, La Hire ist trostlos,
Und jedes Herz hüllt sich in Trauer ein.
DUNOIS.
Sie eine Lügnerin! Wenn sich die Wahrheit
Verkörpern will in sichtbarer Gestalt,
So muß sie ihre Züge an sich tragen!
Wenn Unschuld, Treue, Herzensreinigkeit
Auf Erden irgend wohnt – auf ihren Lippen,
In ihren klaren Augen muß sie wohnen!
ERZBISCHOF.
Der Himmel schlage durch ein Wunder sich
Ins Mittel, und erleuchte dies Geheimnis,
Das unser sterblich Auge nicht durchdringt –
Doch wie sichs auch entwirren mag und lösen,
Eins von den beiden haben wir verschuldet!
Wir haben uns mit höllschen Zauberwaffen
Verteidigt oder eine Heilige verbannt!
Und beides ruft des Himmels Zorn und Strafen
Herab auf dieses unglückselge Land!
Ein Edelmann zu den Vorigen, hernach Raimond.
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