Johanna. Du Chatel. Dunois. Zuletzt Raimond.
DU CHATEL zurückkommend.
Johanna d'Arc! Der König will erlauben,
Daß Ihr die Stadt verlasset ungekränkt.
Die Tore stehn Euch offen. Fürchtet keine
Beleidigung. Euch schützt des Königs Frieden –
Folgt mir, Graf Dunois – Ihr habt nicht Ehre,
Hier länger zu verweilen – Welch ein Ausgang!
Er geht. Dunois fährt aus seiner Erstarrung auf, wirft noch einen Blick auf Johanna und geht ab. Diese steht einen Augenblick ganz allein. Endlich erscheint Raimond, bleibt eine Weile in der Ferne stehen, und betrachtet sie mit stillem Schmerz. Dann tritt er auf sie zu und faßt sie bei der Hand.
RAIMOND.
Ergreift den Augenblick. Kommt! Kommt! Die Straßen
Sind leer. Gebt mir die Hand. Ich will Euch führen.
Bei seinem Anblick gibt sie das erste Zeichen der Empfindung, sieht ihn starr an und blickt zum Himmel, dann ergreift sie ihn heftig bei der Hand und geht ab.
Ein wilder Wald, in der Ferne Köhlerhütten. Es ist ganz dunkel, heftiges Donnern und Blitzen, dazwischen Schießen.
Köhler und Köhlerweib.
KÖHLER.
Das ist ein grausam, mördrisch Ungewitter,
Der Himmel droht in Feuerbächen sich
Herabzugießen, und am hellen Tag
Ists Nacht, daß man die Sterne könnte sehn.
Wie eine losgelaßne Hölle tobt
Der Sturm, die Erde bebt und krachend beugen
Die alt verjährten Eschen ihre Krone.
Und dieser fürchterliche Krieg dort oben,
Der auch die wilden Tiere Sanftmut lehrt,
Daß sie sich zahm in ihre Gruben bergen,
Kann unter Menschen keinen Frieden stiften –
Aus dem Geheul der Winde und des Sturms
Heraus hört ihr das Knallen des Geschützes;
Die beiden Heere stehen sich so nah,
Daß nur der Wald sie trennt, und jede Stunde
Kann es sich blutig fürchterlich entladen.
KÖHLERWEIB.
Gott steh uns bei! Die Feinde waren ja
Schon ganz aufs Haupt geschlagen und zerstreut,
Wie kommts, daß sie aufs neu uns ängstigen?
KÖHLER.
Das macht, weil sie den König nicht mehr fürchten.
Seitdem das Mädchen eine Hexe ward
Zu Reims, der böse Feind uns nicht mehr hilft,
Geht alles rückwärts.
KÖHLERWEIB.
Horch! Wer naht sich da?
Raimond und Johanna zu den Vorigen.
RAIMOND.
Hier seh ich Hütten. Kommt, hier finden wir
Ein Obdach vor dem wütgen Sturm. Ihr haltets
Nicht länger aus, drei Tage schon seid Ihr
Herumgeirrt, der Menschen Auge fliehend,
Und wilde Wurzeln waren Eure Speise.
Der Sturm legt sich, es wird hell und heiter.
Es sind mitleidge Köhler. Kommt herein.
KÖHLER.
Ihr scheint der Ruhe zu bedürfen. Kommt!
Was unser schlechtes Dach vermag, ist euer.
KÖHLERWEIB.
Was will die zarte Jungfrau unter Waffen?
Doch freilich! Jetzt ist eine schwere Zeit,
Wo auch das Weib sich in den Panzer steckt!
Die Königin selbst, Frau Isabeau, sagt man,
Läßt sich gewaffnet sehn in Feindes Lager,
Und eine Jungfrau, eines Schäfers Dirn,
Hat für den König unsern Herrn gefochten.
KÖHLER.
Was redet Ihr? Geht in die Hütte, bringt
Der Jungfrau einen Becher zur Erquickung.
Köhlerweib geht nach der Hütte.
RAIMOND zur Johanna.
Ihr seht, es sind nicht alle Menschen grausam,
Auch in der Wildnis wohnen sanfte Herzen.
Erheitert Euch! Der Sturm hat ausgetobt,
Und friedlich strahlend geht die Sonne nieder.
KÖHLER.
Ich denk, ihr wollt zu unsers Königs Heer,
Weil ihr in Waffen reiset – Seht euch vor!
Die Engelländer stehen nah gelagert,
Und ihre Scharen streifen durch den Wald.
RAIMOND.
Weh uns! Wie ist da zu entkommen?
KÖHLER.
Bleibt,
Bis daß mein Bub zurück ist aus der Stadt.
Der soll euch auf verborgnen Pfaden führen,
Daß ihr nichts zu befürchten habt. Wir kennen
Die Schliche.
RAIMOND zur Johanna.
Legt den Helm ab und die Rüstung,
Sie macht Euch kenntlich und beschützt Euch nicht.
Johanna schüttelt den Kopf.
KÖHLER.
Die Jungfrau ist sehr traurig – Still! Wer kommt da?
Vorige. Köhlerweib kommt aus der Hütte mit einem Becher. Köhlerbub.
KÖHLERWEIB.
Es ist der Bub, den wir zurückerwarten.
Zur Johanna.
Trinkt, edle Jungfrau! Mögs Euch Gott gesegnen!
KÖHLER zu seinem Sohn.
Kommst du, Anet? Was bringst du?
KÖHLERBUB hat die Jungfrau ins Auge gefaßt, welche eben den Becher an den Mund setzt; er erkennt sie, tritt auf sie zu und reißt ihr den Becher vom Munde.
Mutter! Mutter!
Was macht Ihr? Wen bewirtet Ihr? Das ist die Hexe
Von Orleans!
KÖHLER UND KÖHLERWEIB.
Gott sei uns gnädig!
Bekreuzen sich und entfliehen.
Raimond. Johanna.
JOHANNA gefaßt und sanft.
Du siehst, mir folgt der Fluch, und alles flieht mich,
Sorg für dich selber und verlaß mich auch.
RAIMOND.
Ich Euch verlassen! Jetzt! Und wer soll Euer
Begleiter sein?
JOHANNA.
Ich bin nicht unbegleitet.
Du hast den Donner über mir gehört.
Mein Schicksal führt mich. Sorge nicht, ich werde
Ans Ziel gelangen, ohne daß ichs suche.
RAIMOND.
Wo wollt Ihr hin? Hier stehn die Engelländer,
Die Euch die grimmig blutge Rache schwuren –
Dort stehn die Unsern, die Euch ausgestoßen,
Verbannt –
JOHANNA.
Mich wird nichts treffen, als was sein muß.
RAIMOND.
Wer soll Euch Nahrung suchen? Wer Euch schützen
Vor wilden Tieren und noch wildern Menschen?
Euch pflegen, wenn Ihr krank und elend werdet?
JOHANNA.
Ich kenne alle Kräuter, alle Wurzeln,
Von meinen Schafen lernt ich das Gesunde
Vom Giftgen unterscheiden – ich verstehe
Den Lauf der Sterne und der Wolken Zug
Und die verborgnen Quellen hör ich rauschen.
Der Mensch braucht wenig und an Leben reich
Ist die Natur.
RAIMOND faßt sie bei der Hand.
Wollt Ihr nicht in Euch gehn?
Euch nicht mit Gott versöhnen – in den Schoß
Der heilgen Kirche reuend wiederkehren?
JOHANNA.
Auch du hältst mich der schweren Sünde schuldig?
RAIMOND.
Muß ich nicht? Euer schweigendes Geständnis –
JOHANNA.
Du, der mir in das Elend nachgefolgt,
Das einzge Wesen, das mir treu geblieben,
Sich an mich kettet, da mich alle Welt
Ausstieß, du hältst mich auch für die Verworfne,
Die ihrem Gott entsagt –
Raimond schweigt.
O das ist hart!
RAIMOND erstaunt.
Ihr wäret wirklich keine Zauberin?
JOHANNA.
Ich eine Zauberin!
RAIMOND.
Und diese Wunder,
Ihr hättet sie vollbracht mit Gottes Kraft
Und seiner Heiligen?
JOHANNA.
Mit welcher sonst!
RAIMOND.
Und Ihr verstummtet auf die gräßliche
Beschuldigung? – Ihr redet jetzt, und vor dem König,
Wo es zu reden galt, verstummtet Ihr!
JOHANNA.
Ich unterwarf mich schweigend dem Geschick,
Das Gott, mein Meister, über mich verhängte.
RAIMOND.
Ihr konntet Eurem Vater nichts erwidern!
JOHANNA.
Weil es vom Vater kam, so kams von Gott,
Und väterlich wird auch die Prüfung sein.
RAIMOND.
Der Himmel selbst bezeugte Eure Schuld!
JOHANNA.
Der Himmel sprach, drum schwieg ich.
RAIMOND.
Wie? Ihr konntet
Mit einem Wort Euch reinigen, und ließt
Die Welt in diesem unglückselgen Irrtum?
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