»Nun habe ich verstanden. Ich stelle es dir in die Wohnung ins Badezimmer, okay? Dein Auto steht übrigens am angestammten Platz vor dem Haus. Wurde von einem Beamten dort hingebracht.«
Ich nickte zustimmend. War von meinem Heimathaus noch etwas übriggeblieben? Das spielte im Moment keine Rolle, und ich würde es früh genug herausfinden.
»Ach Suni, ich wünschte, ich könnte dich gleich mitnehmen. Melde dich, so oft du willst und kannst. Und wenn du ein Taxi nach Hause brauchst, hol ich dich selbstverständlich ab. Komm, lass dich noch einmal drücken. Ganz vorsichtig, versteht sich.«
»Danke«, raunte ich ihr ins Ohr. »Ich danke dir.«
»So, Frau Winzer, dann wollen wir Ihre Brandwunde genauer begutachten.« Doktor Wurm wirkte geschäftig, stülpte sich Handschuhe über.
Ich setzte mich gleich auf. Schwester Angela war ihm behilflich und löste den alten Verband. Der Arzt tastete meinen Rücken ab. Ich presste die Lippen aufeinander, denn trotz Schmerzmittel spürte ich ein starkes Brennen.
»Wie sieht es aus?«, fragte ich nach.
»Bedeutend besser. Es war gut, dass wir am ersten Tag gleich die abgestorbenen Wundränder entfernt haben. Die Sekretion ist zurückgegangen und es sind an sich keine Entzündungszeichen vorhanden. Natürlich, wie Sie wissen, bleiben bei einer Verbrennung dritten Grades meist Narben zurück. Doch wie es sich zurzeit darstellt, dürften diese nicht allzu massiv ausfallen. Da bin ich optimistisch.«
»Kann ich es sehen? Vielleicht ein Bild mit meiner Handykamera machen?«, bat ich.
»Das wird Schwester Angela für Sie gerne tun.« Doktor Wurm entledigte sich seiner Handschuhe und trat mir gegenüber. »Ihre Werte haben sich deutlich gebessert, sodass keine weitere Sauerstoffbehandlung mehr nötig ist. So wie es sich darstellt, können wir Sie heute noch auf die Normalstation verlegen, und wenn alles gut geht, und kein Fieber mehr auftritt, übermorgen in häusliche Pflege entlassen. Die Verbandswechsel können Sie vor Ort von Ihrem Hausarzt vornehmen lassen.«
»Das freut mich.«
Doktor Wurm zeigte ein Lächeln. »Somit gehe ich davon aus, dass wir uns nicht mehr sehen, da ich mich die nächsten Tage in Urlaub befinde. Ich wünsche Ihnen deshalb heute schon eine gute Genesung.«
»Danke, auch Ihnen alles Gute und einen schönen Urlaub.«
Der Arzt drehte ab. Schwester Angela ergriff mein Handy, das ich ihr reichte und machte das versprochene Bild. »Hier bitte.«
Während die Krankenschwester die Wunde desinfizierte, starrte ich auf die Aufnahme. Die Verletzung war kleiner als erwartet, auch wenn sich ein geröteter Streifen über das gesamte linke Schulterblatt erstreckte. Zum Glück gab es nur zwei kleine nässende Wunden, etwa daumennagelgroß, die somit tiefer in die Hautschichten bis in den Muskel vorgedrungen waren. Das Foto beruhigte mich mehr als die Worte des Arztes. Ich hatte Glück gehabt, war um eine Hauttransplantation herumgekommen, was ich wohl einer guten Wundheilung, der raschen Behandlung und den mittlerweile effizienten Verbandsstoffen verdankte.
Ich spürte, wie Schwester Angela eine Salbe auftrug und ein spezielles Gewebe vorsichtig andrückte, ehe sie alles mit einem sterilen Verband abdeckte.
»So, erledigt. Wie geht es Ihnen mit den Schmerzen?«
»Sie werden besser. Auch das Atmen fällt mir leichter und ich fühle mich etwas kräftiger.«
»Das ist gut. Im Nebenraum wartet übrigens ein Polizist. Ich habe gesagt, dass ich mich zuerst bei Ihnen erkundige, ob Sie sich fit genug für eine Vernehmung fühlen. Wenn Sie mögen und einverstanden sind, bringe ich Sie mit dem Rollstuhl nach nebenan.«
»Ich glaube, ich schaffe es auf meinen eigenen Beinen. Aber bitte begleiten Sie mich sicherheitshalber.«
»Selbstverständlich.«
Ich schlüpfte in die Hausschuhe, die Mara mitgebracht hatte, und stellte mich hin. Mein Kreislauf fühlte sich stabil an, die Beine wirkten schwächer, aber sie zitterten nicht. Ich ging langsamer als für gewöhnlich, gestützt von Schwester Angela, die schließlich die Tür zum angrenzenden Zimmer öffnete. Ich erkannte, dass es sich hier normalerweise um einen Aufwachraum handelte. Es gab Monitore, Infusionsständer, einen Defibrillator, sowie einige Schränke, die wohl weitere medizinische Geräte und Gegenstände enthielten. Die mittlere Fläche des Raumes war frei und bot somit ausreichend Platz für ein Krankenbett. An der Seite stand ein kleiner rechteckiger Tisch mit zwei Kunststoffstühlen. Sogleich erhob sich ein Mann in Uniform, der dort wartend gesessen hatte. Ich schätzte ihn zwischen vierzig und fünfzig. Er nahm die Dienstkappe ab, zeigte rotblondes kurzes Haar, während sein Gesicht mit unzähligen Sommersprossen übersät war.
»Alsuna Winzer?«, erkundigte er sich.
Ich nickte, und unterließ die Bemerkung, dass ich normalerweise mit Jasmin angesprochen wurde, und sich der Vorname Alsuna für mich fremd anfühlte. Schwester Angela schloss die Tür, damit wir ungestört waren.
»Ich habe Sie schon erwartet. Sind Sie der Polizist, mit dem ich per Telefon gesprochen habe?«
»Nein. Manuel Lichter. Ich bin Ermittler in der Mordkommission.« Er zog seinen Dienstausweis hervor.
Ich schaute flüchtig drüber, nahm auf dem gegenüberliegenden Stuhl Platz. Mit einem Mal fühlten sich meine Beine schwummrig an, was nicht an der körperlichen Schwäche lag, sondern daran, weil ich wusste, über was wir jetzt sprechen würden. »Wie ist der aktuelle Stand?«
Lichter kam gleich zur Sache. »Das Feuer wurde mit Absicht gelegt, wir haben Brandbeschleuniger gefunden in Form von Benzin. Und …«
»Und Mama wurde ermordet«, nahm ich den Satz auf, weil der Beamte zögerte. »Ihr … ihr Kopf … war …« Ich gestikulierte ungelenk mit der Hand über meinem herum, brachte das Wort für gespalten nicht heraus.
»Es tut mir leid. Als Tatwerkzeug konnten wir eine Axt sicherstellen. Zumindest das vordere Eisenteil, der Holzstiel ist verbrannt.«
»Ich bin zu spät gekommen.« Ich wischte mir über die Tränen schwimmenden Augen.
Lichter räusperte sich. »Ohne Sie, wäre Ihre Mutter im Haus verbrannt und wir hätten womöglich noch weniger Indizien. Dann wäre der Mord als Unfall durchgegangen und zu den Akten gelegt worden. So haben wir die Chance, den wahren Täter auszuforschen, und ich denke, das ist auch in Ihrem Sinn. Ich weiß nicht, ob es ein Trost für Sie sein kann, aber Ihre Mutter musste wenigstens nicht lange leiden.«
Das hoffe ich. »Haben Sie eine Spur?«
Lichter kratzte sich am Kinn. »Wenig, keine Fingerabdrücke. Leider haben Feuer und Wasser vieles vernichtet. Gab es einen besonderen Grund, wieso das Haus mit Kameras gesichert wurde? Auf dem Aufzeichnungsgerät konnten wir nichts mehr Brauchbares finden.«
»Mama war diesbezüglich etwas eigen und immer sehr vorsichtig. Sie versperrte stets alles gewissenhaft, solange ich mich zurückerinnern kann. Auch Kameras gab es lange Zeit, bevor ich in die Pubertät kam und sie achtete akribisch darauf, dass sie funktionierten. Ich kann mich aber an kein besonderes Ereignis erinnern, weshalb das so war, falls Sie das meinen.«
»Kam Ihnen das nie sonderbar vor?«
»Jetzt, im Nachhinein schon. Aber um ehrlich zu sein, ich bin damit aufgewachsen, da gewöhnt man sich daran.«
»Verstehe. Leider haben auch die Nachbarn nichts Außergewöhnliches bemerkt. Am späten Nachmittag war noch, wie üblich, Willibald Winzer zu Besuch.«
Ich nickte. »Er ist mein Onkel. Mama hat ihn immer verköstigt, da er lieber sein Geld in Alkohol investiert. Ich hab ihn noch gar nicht gesprochen, er besitzt kein Telefon und unser Verhältnis ist nicht besonders eng. Mama hat sich hingegen für ihn verantwortlich gefühlt. Bestimmt ist er ebenso geschockt wie ich.«
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