»Tut mir leid. So wollte ich nicht rüberkommen. Ich habe bloß Schiss, das ist alles … und ganz ehrlich?«
Neugier flammte in ihm auf.
»Wie ich es vorhin gesagt habe, könnte ich es mir vorstellen, mit dir einen One-Night-Stand zu haben. Trotzdem wäre es mir lieber, wenn es mehr wird.«
Theo fasste nach ihrer Hand. »Deshalb möchte ich es ruhiger angehen.« Er lehnte sich zu ihr, gab ihr einen kurzen Kuss und zog sie ins Meer. »Und jetzt lassen wir das Grübeln und gehen eine Runde schwimmen.« Seine Arme um ihre Hüften geschlungen, ließ er sich ins Wasser fallen – und landete mit dem Hintern im Sand.
»Nun … tief ist es hier nicht«, stellte er lachend fest.
Das Wasser ging ihm eben einmal bis zu den Achseln – sitzend.
Evinas süßes Kichern entfesselte in seiner Magengegend ein leichtes Prickeln. »Ich glaube, jetzt fängt die Ebbe an.« Sie drückte ihn etwas nach hinten, legte ihre Arme um seinen Nacken – wie Saphire funkelten ihre blaugrauen Augen in der Sonne. »Wir müssen ein wenig weiter hinaus, dann klappt es vielleicht mit dem Schwimmen.«
»In Ordnung.« Er schob seinen rechten Arm unter ihre Kniekehlen und legte den linken um ihren Oberkörper.
»Du wirst jetzt nicht –«
Ehe sie weitersprechen konnte, hatte er sich bereits mit ihr in den Armen erhoben.
Neues, aufgeregtes Kichern drang aus ihrem Mund. »Was wird das?«
»Ich trage dich in tiefere Gewässer.«
Sie sich an seinen Oberkörper gepresst, schritt er bedächtig hinaus. Und tatsächlich, keine zehn Meter weiter war es ihm möglich, sich mit ihr ins Wasser gleiten zu lassen, ohne erneut im Sand stecken zu bleiben.
Langsam ließ er sie los, sie hingegen antwortete mit einer innigen Umarmung – und einem innigen Kuss, der ihm den Atem raubte.
Meine Fresse!
Diese Zärtlichkeit … diese Umsicht … und erst ihre Unsicherheit, die sie zu unterdrücken versuchte …
Das machte ihn schlicht und einfach geil.
Unvermittelt ließ sie von ihm ab.
»Ist es in Ordnung für dich?« Zweifel in Form von zusammengezogenen Augenbrauen traten in Erscheinung. »Oder klammere ich dir zu viel?«
Was?!
»Wie kommst du denn darauf?«
»Nun … mein Ex-Freund wollte nie kuscheln oder herumblödeln. Deshalb dachte –«
»So ein Boofke! Weshalb war der überhaupt mit dir zusammen? Da mache ich mit meinen One-Night-Stands mehr, als der in einer Beziehung!«
Diese Welt war vollgestopft mit Arschlöchern …
Evinas Miene spiegelte reine Fassungslosigkeit wider. »Ernsthaft? Ich … das –«
Um ihre ohnehin nichtssagende Stotterei zu beenden, erwiderte er ihren Kuss.
Dieses Mal ließ er sich wieder mehr Zeit.
Wie köstlich sie schmeckte! Wie gut sie sich anfühlte! Ihr heißer Körper, die kuscheligen Haare, ihre knackige Kehrseite, die sanften Lippen … ihre Zunge, die zögerlich die seine berührte, ihre lieblichen seinen Bart kraulenden Finger, welche irgendwann weiterwanderten, ihm durchs Haar glitten …
Es war, als würde Theo von etwas hinfortgezogen werden.
Lag dies an den Gezeiten, oder hatte es mit Evina zu tun?
Er verscheuchte den Gedanken und konzentrierte sich lieber auf diesen erregenden Kuss, der ihn allmählich seiner Sinne zu berauben drohte.
»Wenn du mich auf diese Weise weiter küsst –«, keuchte sie glückstrunken. »Werde ich ernsthaft nicht mehr lange warten können.«
Er lehnte seine Stirn an ihre. »Ich werde dir noch dermaßen einheizen – du wirst mich anbetteln, es heute Abend mit mir zu machen.«
»Also darum geht es!« Mit einem gezielten dennoch behutsamen Tritt und einem Stoß gegen seinen Oberkörper brachte sie ihn aus der Balance und unter Wasser, infolge dessen er sie an ihrer Taille packte, auftauchte und eine überraschend leise Evina über seinem Kopf hielt, welche sich an seinen Schultern festkrallte und die Beine horizontal von sich streckte – wie eine Rock 'n' Roll Akrobatin.
Er hatte gedacht, sie würde wenigstens irgendetwas von sich geben – und wenn es einfache Schimpfworte gewesen wären. Völlige Stille hingegen? Das überraschte ihn – dabei wollte er sie überraschen, ihr ein verschüchtertes Japsen oder Piepsen entlocken.
»Du bist wahnsinnig leicht. Und dein Gleichgewichtssinn scheint sehr ausgeprägt.«
»Lass mich wieder runter.« Evina hörte sich äußerst verschüchtert an.
Dann hatte er sie doch überrumpelt!
Meine Fresse!
Da zeugte ihre Reaktion aber von verdammt guter Selbstbeherrschung!
»Mit den Beinen voraus, in Ordnung?«
»Ja.«
Bedächtig setzte er sie zurück ins Wasser – und sie? Sie begann unvermittelt zu lachen – bekam sich nicht mehr in den Griff.
»Was ist jetzt los?«
»Das war –« Sie hielt sich die Hand vor den Mund, kicherte, wieherte, prustete. »Einfach komplett irre.«
»Wieso?« Ihr herzhaftes Lachen entlockte ihm selbst ein Kichern. »Weshalb ist das witzig?«
»Das hat mich an Dirty Dancing erinnert.« Ein weiterer Lachanfall unterbrach sie. »Dabei habe ich den Film nie gesehen.«
»Woher willst du dann wissen, ob diese Hebefigur wie in dem Film ausgefallen ist?«
Er musste zugeben, er hatte sich den Schinken ebenso wenig gegeben. Schließlich verabscheute er alles, was mit Tanzen in Verbindung gebracht werden konnte. Liebesschnulzen standen ähnlich tief im Kurs … und dann sollte er sich einen Tanzfilm mit einer Lovestory ansehen?
Nein. Danke!
»Na, dieses bescheuerte Hochheben«, erklärte sie. »Das wird in einer jeden Programmvorschau gezeigt. Und ebenso oft wird der Umriss dieser Szene als Titelcover verwendet.«
Jetzt verstand er. »Natürlich … klar.«
Sie warf sich ihm um den Hals, und er hätte beinahe wieder die Balance verloren.
Um Evina in ihre tiefgründigen, hypnotisierenden Augen blicken zu können, drückte er sie ein wenig von sich weg. »Dein Lachen ist ansteckend.«
Sie zog die Brauen hoch. »Dabei hast du gar nicht richtig gelacht.«
»Nun.« Theo fuhr ihr durchs Haar. »Normalerweise bringt mich niemand schnell zum Lachen. Insbesondere nicht Quatsch veranstaltende Frauen.« Ehe Evina zu einem Protest ansetzen konnte, fügte er schnell hinzu: »Du weißt, ich bin ein Macho.«
»Ein softer Macho«, vervollständigte sie glucksend.
Theo nahm ihre Hand in seine. »Schwimmen wir etwas weiter hinaus, oder sollen wir lieber spazieren?«
»Wie wäre es mit einem Wettschwimmen? Wer zuerst bei den Bungalows eintrifft?«
Er drehte sich zu den rundlichen an die dreihundert Meter entfernten Häuschen. »In Ordnung. Allerdings weiß ich nicht, ob wir schnell genug sind, um vor der Ebbe anzukommen.«
»Probieren wir es. Sonst können wir den Rest immer noch laufend zurücklegen.«
»Gute Idee.«
Und damit ging’s los.
Evina zischte ab wie eine Rakete. Sie kraulte, als ging es um ihr Leben. Dies wiederum fachte seinen ausgeprägten Ehrgeiz massiv an.
Eine Frau würde ihn unter keinen Umständen schlagen! Vor allem nicht in seiner Spitzendisziplin.
Er spannte seine Muskulatur an, steckte sämtliche Kraft in eine jede Armbewegung, fokussierte sich alleine auf die zwischen ihm und den Wasserbungalows liegende Distanz.
Atmung, Bewegung, Puls – er fühlte sich eins mit dem Meer, eins mit sich und der Umgebung.
Langsam aber sicher holte er Evina ein.
…
Sonnenuntergänge nach einem Gewitter … Mamas Fürsorge … die harte Ausbildung … Sehnsucht nach Liebe …
Diese eigenartige Empfindung entwickelte sich. Sie dehnte sich aus, füllte sämtliche Tiefen und Untiefen seiner Seele.
Nach wie vor misslang es ihm, sie zu benennen oder einzuordnen. Lediglich eines wusste er mit Sicherheit: Ausschließlich durch Evina entstand sie.
Theo versuchte, sie näher zu bestimmen – konzentrierte sich auf sein Innerstes, erspürte eine jede winzige Veränderung dieser zusehends anwachsenden schleierhaften Emotion. Sein Blick schweifte zu Evina und die nach wie vor beträchtliche Distanz zwischen ihnen.
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