»Und wenn ich dich jetzt anfasse?«
»Dann würde ich es zulassen.«
Er trat einen Schritt näher. »Im Ernst? Du willst jetzt Sex mit mir?«
Ich zögerte, doch letztlich gab ich das Offensichtliche zu: »Ja, das will ich.«
»Ernsthaft? Jetzt, hier?« Er zeigte auf den Holzboden. »Da, auf dem Boden vor dem Tisch?«
Mit heißen Wangen bejahte ich.
Theo legte seine Hände auf meine Schultern, zog mich zu sich – und mein Körper reagierte sofort, indem frische gigantische Hitze in meinem Unterleib einschlug.
Was würde Theo mit mir anstellen? Was würde folgen?
Eben war er dabei, seine Lippen auf meine zu legen – da tätigte er einen brutalen Rückzieher.
»Nein«, flüsterte er und besah mich dabei auf eine mich schier wahnsinnig machende Weise. »Nein. Jetzt gehen wir es einen Schritt langsamer an.«
Ich rang nach Atem. »Das bedeutet?«
»Ich habe dir in nicht einmal einer halben Stunde mein halbes Leben erzählt. Dabei habe ich nicht einmal einen Tropfen Alkohol intus. Das ist komplett wahnsinnig!« Er atmete tief ein, blickte zur Seite, schüttelte den Kopf, schnitt eine Grimasse und ließ die Luft hörbar entweichen. »Ursprünglich kam ich zu dir, um dich ein letztes Mal zu einem kleinen sexuellen Abenteuer zu überreden.« Damit wandte er sich wieder mir zu, furchte die Stirn. »Und jetzt sieh an, was ich mache! Ich versuche das exakte Gegenteil. Was hast du mit mir angestellt?«
»Das Gleiche frage ich mich. Vor dir hätte ich mir niemals eine einmalige Sache vorstellen können – und jetzt? Jetzt will ich es unbedingt.«
Ein sanftes Lächeln trat in Erscheinung. »Das muss wohl etwas bedeuten, wenn es uns beiden gleich ergeht.«
Ich nickte stumm.
»Dann machen wir es jetzt auf meine Art.«
»Und wie sieht die aus?«
»Ich will mehr über dich erfahren.« Seine Hände glitten über meine Oberarme nach unten und zurück.
Diese unbedeutende Berührung reichte aus, damit es mir die Haare aufstellte.
»Wie wäre es mit einem richtigen Strandspaziergang? Im Anschluss daran ein wenig Schwimmen … und darauf ein Dinner.«
»Sprich: total unmachomäßig?«
Er zog eine Augenbraue hoch. »Solltest du damit spießermäßig meinen … muss ich dir fürchterlicherweise recht geben.«
Ich kicherte. »Okay, damit bin ich einverstanden … sehr sogar.«
Obwohl ich nach wie vor gerne eine Dummheit begangen hätte …
Er nahm meine Hand in seine. »Dann los.«
Es wurde unheimlich, um Evinas vorhin verwendeten Begriff aufzufassen. Ja, selbstverständlich hatte er ihr näherkommen wollen. Er hatte sie flachlegen wollen – im Pool, im Wohnzimmer, auf der Terrasse … Herrgott! Wäre es ihm erlaubt gewesen, hätte er es sogar zwischen Eingangstür und Angel getrieben. Dieser Körper, diese Eleganz, diese gefühlvolle Seite … vier Jahre Abstinenz!
Meine Fresse!
Damit erklärten sich sämtliche ihrer Launen …
Sanfte Erregung huschte ihm durch den Leib.
Bestimmt war Evina längst klitschnass da zwischen den Beinen.
O ja, es war gut gewesen, es nicht zu überstürzen. Zum Einen, um sie besser kennenzulernen, zum Anderen, um ihr Verlangen weiter anzufachen.
Eine notgeile Frau – was gab es Besseres auf dieser Welt?
Er musste schmunzeln.
Ursprünglich hatte er vermutet, Evina würde ihn aus dem Bungalow werfen oder ihm den Kopf abreißen …
Stattdessen hatte sich dieses Treffen in eine Kummerkatenonkel-Sitzung verwandelt!
Was war in ihn gefahren, sodass er ihr all diese intimen Details verraten hatte?
Zuerst seine Ex.
Gut, diese Information hätte er ihr früher oder später bestimmt enthüllt.
Dann allerdings folgte die Sache mit Sandra – das Mädchen, das er beinahe in den Selbstmord getrieben hätte!
Er konnte sich nicht erinnern, dieses Erlebnis jemals irgendjemandem zuvor anvertraut zu haben – weder Mara noch irgendwelchen Verehrerinnen. Darüber hinaus hatte er Ewigkeiten nicht mehr daran gedacht.
Zu sehr erfüllte ihn Reue …
Verdrängung war da die einzige Option gewesen.
Wie auch immer …
Durch diese plötzliche Gesprächigkeit seinerseits hatte er kurzzeitig befürchtet, durch den kleinen Mückenstich auf seiner Wade irgendeinen Erreger aufgefangen zu haben. Dann hatte er das herrliche Essen verdächtigt. Zum Schluss hatte er die romantische Umgebung dafür verantwortlich gemacht, bis er endlich begriff, wen die Schuld tatsächlich traf: Evina.
Evina war es – abermals!
Sobald er ihr in die Augen blickte, kletterte dieses seltsame Gefühl in ihm hoch – erweckte Erinnerungen an Fehlleistungen, Sehnsüchte, Wünsche sowie Empfindungen aus Kindheitstagen.
Und wie sie selbst darauf los plapperte, ging es ihr offenkundig keinen Deut besser.
Und was sie erzählte!
Über ihre Mutter, die sie und ihren Vater im Stich gelassen hatte. Ihre Kindheit, die ausschließlich daraus bestand, es dem Vater recht zu machen. Die Angst, von anderen verletzt zu werden. Das Misstrauen gegenüber Fremden. Die schmerzenden Gefühle, die dann und wann über sie hereinbrachen …
Manchmal mutete es an, sie würde aus seinem Herzen sprechen …
Das konnte man bloß unheimlich nennen.
»Die Wahrheit ist«, entgegnete Evina. »Seit Lebzeiten suchte ich Geborgenheit. Da ich aber ebenso wahnsinnige Panik vor Betrug und Verletzungen fürchte, habe ich mich entschieden, alleine zu bleiben.«
Sie und Theo flanierten den weißen Sandstrand entlang. Zarte Wellen kitzelten ihre Füße und ein lauwarmer Wind spielte mit ihren Haaren.
»Ich habe mir eingeredet, im Alleinsein mein Glück zu finden. Funktionieren wollte es bedauerlicherweise nie.«
»Dennoch verstehe ich nicht, weshalb du One-Night-Stands feindlich gegenüberstehst. Liebe hin oder her – genieße deine Freiheit, deine Jugend. Das gehört zum Leben dazu. Solange man ungebunden ist, kann man tun, was man will.«
Ihr kritischer Gesichtsausdruck ging ihm durch und durch. »Ich kann das nicht. Für mich müssen wahre Gefühle im Spiel sein. Außerdem hätte ich in meinem langweiligen Dorf ohnehin niemanden gefunden. Die sind allesamt verheiratet.«
»Und Kollegen?«
»Alle unter der Haube. Mit Kind und Hund und Katze und Minivan.«
Er lachte. »Das typische langweilige Landleben, hm?«
»Ja. Einfach schrecklich! Das hat mich nie interessiert.«
»One-Night-Stands aber ebenso wenig.«
»Stimmt. Wie gesagt brauche ich keinen Mann, um zu kommen. Falls ich mit jemandem ins Bett springe, dann alleine mit demjenigen, der sich eine Beziehung mit mir wünscht.« Ihr Blick intensivierte sich. »Deshalb frage ich dich noch einmal: Geht es dir wirklich nicht um ein kurzes Abenteuer? Du scheinst nicht recht zu wissen, was du möchtest. Andererseits will ich dich zu nichts drängen. Genauso wenig höre ich Hochzeitsglocken – solltest du das von mir denken. Ich will bloß halbwegs in Erfahrung bringen, ob du dir mehr vorstellen kannst als einen einfachen Fick.«
Das letzte Wort erschreckte ihn. Dabei benutzte er es selbst oft. Bei Evina hingegen – da klang es abwertend. Es hörte sich nicht einmal nach Spaß an.
Er musste sich eingestehen: Bei ihr wäre er nicht mehr in der Lage gewesen, diesen Begriff zu benutzen.
Evina war zu besonders. Sie spielte in einer anderen Liga. Und das Wichtigste: Bei ihr konnte und wollte er sich eine längerfristige Bindung vorstellen.
»Gehen wir es einfach ruhig an.«
»Sicher.« Nickend griff sie sich an die Stirn. »Ich klinge wie eine Frau, die alles auf einmal will, stimmt’s?«
Er warf ihr ein Lächeln zu. »Ja, zum Teil schon.«
Читать дальше