Es wurde mir glühend heiß, mein Herz raste und mein Unterleib pochte. Das schönste Empfinden allerdings war diese Vollständigkeit, die sich in mir ausbreitete.
Ich fühlte mich komplett, lebendig, glücklich.
Das erste Mal seit Jahren rauschte mir pures Glück durch die Adern. Es riss mich hinfort, nahm mir alle Sorgen, Ängste und Zweifel, welche sich seit dem Seitensprung meines Ex in meinem Herzen einquartiert hatten. Als Konsequenz dieser Gefühlsstürme schaltete sich meine Vernunft zur Gänze ab.
Ich musste zugeben, Theo hätte mich nehmen können. Er hätte einfach alles mit mir anstellen können.
Das Einzige, was er jedoch tat, war mich zu küssen.
Langsam, unvergleichlich langsam tanzten seine weichen Lippen über meine.
Ich vermochte ein leises Seufzen ebenso wenig zu unterdrücken wie meine Arme um seinen Nacken zu schlingen.
Sein Oberkörper an meinen gepresst, spürte ich einen jeden einzelnen seiner stahlharten Muskeln, die heiße glatte Haut und seine zärtlichen Hände, die mich auf seinen Schoß zogen und im Anschluss daran meinen Hintern sanft kneteten.
Wie gerne hätte ich laut aufgestöhnt!
Doch ich hielt mich zurück.
Ich wollte ihn nicht zu sehr anstacheln oder ihn zu etwas verleiten, das wir womöglich bereuen würden – obgleich ich mir insgeheim nichts anderes mehr wünschte …
Irgendwann bemerkte ich seine Zunge und wie diese mich zu erforschen begann. Liebevoll berührte sie die meine, liebkoste meinen Gaumen, tänzelte mir über die Lippen. Das durch seinen kurzen Bart ausgelöste Kitzeln in meinem Gesicht kurbelte meinen Puls nochmals kräftig an … und seine fähigen Hände – Himmel, Arsch! Dieses Geschick, diese Behutsamkeit, diese fokussierte Vehemenz … Wenn Theo einer Frau nicht innerhalb einer Minute einen Höhepunkt zu entfesseln gelang, fraß ich einen Besen.
Ein liebliches Saugen an meiner Unterlippe trieb mein Verlangen in schwindelerregende Höhen.
Verflucht.
Ich wollte ihn. Ich wollte ihn … jetzt sofort … Er sollte mich nehmen, gegen die Poolwand pressen, mir den Bikini vom Leib reißen und sich in mich stoßen …
Theo indessen machte ausschließlich mit seinem Kussspektakel weiter.
Nahezu in Slow Motion verwöhnte er mich – lutschte, saugte, knabberte … offensichtlich wollte er unseren Kuss zu einer Art Kunst erheben.
Ein Akt der puren Einigkeit und Liebe – intimer als jeder Geschlechtsverkehr.
Eben wollte er sich zurücklehnen, da ergriff ich die Initiative und nagte an seiner Unterlippe. Zärtlich, beinahe zögerlich schob ich meine Zunge in seinen Mund, umfasste seine Kinnbögen, kraulte seine weiche Gesichtsbehaarung.
Ein unterdrücktes Stöhnen drang aus seiner Kehle – schlug brachial in meinem Unterleib ein.
Theo klang noch unendlich viel schöner … satt, rau, heiser, entschlossen, wild, untergeben, willig …
»Warte.« Keuchend ließ er von mir ab – und damit verschwanden Einigkeit und Vollständigkeit gleichermaßen schnell wie sie aufgetaucht waren.
Ich seufzte seinen Namen – sehnsüchtig, begierig.
Ich wollte Theo noch nicht loslassen. Ich wollte ihn nie mehr loslassen.
Nach Atem ringend blickten wir uns an.
»Ich habe es dir gesagt«, presste er mühsam hervor. »Ich will dich nicht verletzen. Ich bin kein Arschloch. Doch falls wir es jetzt miteinander machen, würdest du dir mehr erhoffen, oder?«
Seine Worte zogen mir das Herz zusammen und trieben mir Tränen in die Augen.
»Warum hast du mich dann geküsst?«
Theo starrte mich eine angefühlte Ewigkeit an. Seine Pupillen huschten unruhig hin und her.
»Ich weiß es nicht.«
Er rutschte weiter zurück.
Mit einem jeden verdammten Zentimeter fühlte ich mich verlassener, einsamer, hoffnungsloser.
Verdammt noch einmal!
Das konnte nicht wahr sein!
»Ich weiß nicht, wieso, doch ich sehe, wie sehr du Geborgenheit suchst … das wiederum kann ich dir nicht geben.«
»Aber vorhin hast du –«
»Das heißt gar nichts.« Er vollführte eine aggressive Handgeste. »Ich will frei sein. Ich will … ich –« Er erhob sich und verließ den Pool. »Tut mir leid. Das hatte ich echt nicht so geplant.«
Flott drehte er sich um und schritt Richtung Wohnzimmer.
»Warte!« Ich jagte ihm hinterher, riss ihm seine eben aufgehobenen Klamotten aus den Händen und warf sie auf die Couch.
Einerseits erkannte ich große Wut, andererseits lag da mehr in seinem Mienenspiel – etwas Tiefgründiges, etwas Undefinierbares.
»Was wird das?«
»So schnell lasse ich dich sicherlich nicht gehen.«
Wenn du dir hundertprozentig sicher bist, dann lass den Mann, der dir etwas bedeutet, nicht mehr los.
»Ich will dir nicht das Herz stehlen und darauf herumtreten.« Der deprimierte wie verzweifelte Unterton in seiner Erwiderung traf mich mitten in die Seele. »Das habe ich einmal getan.« Abrupt verstummte er – und reine Verzweiflung brach über ihn herein. »Bei einem Mädchen. Ich war blutjung gewesen. Sie hat sich Hals über Kopf in mich verliebt.« Er blickte zu Boden, legte die rechte Hand auf seine rechte Gesichtshälfte. »Sie hatte mich genauso angeblickt wie du eben. Sie wollte mich. Sie wollte mit mir zusammen sein. Und ich habe diesen Umstand ausgenutzt und sie flachgelegt … Dann bin ich abgehauen.« Eine lange Pause entstand. »Ein paar Wochen später erfuhr ich über ihren Selbstmordversuch.« Langsam fand sein Blick zurück zu mir. »Tabletten. Sie stopfte sich mit Schlaftabletten voll. Gott sei Dank fand ihre Mutter sie rechtzeitig.« Unvermittelt liefen Tränen über seine Wangen, welche er schnellstmöglich wegzuwischen versuchte. »Das habe ich nie gewollt. Nie hatte ich vermutet, es würde ihr derart nahegehen.« Er atmete tief durch, straffte die Gestalt. »Aus diesem Grund sind mir One-Night-Stands lieber. Ich will niemanden mehr enttäuschen. Am Allerwenigsten dich. Darum halte dich besser fern von mir.«
Mein Herz stand kurz davor zu zerreißen.
Das war es, was ihn von einer neuen Beziehung abhielt – nicht der Betrug, sondern die Angst, eine Frau zu verletzen!
Mein Gott!
Ich nahm ihn in eine feste Umarmung.
Sein Leib antwortete mit einem heftigen Zittern, welches Theo schnellstmöglich unterdrückte.
»Lass mich los, wenn du nicht willst, dass wir eine große Dummheit begehen.«
»Und wie könnte diese Dummheit aussehen?«
Eine Stille erhob sich.
Theos Körper begann zu glühen – und mein Verstand zu rasen.
»Wilder, hemmungsloser Sex hier auf dem Holzboden«, entgegnete er heiser und legte seine Arme auf meinen Rücken. »Glaub’s mir. Lange kann ich mich nicht beherrschen – und dann würde ich dich verletzen. Doch ich will dich nicht verletzen. Absolut nicht. Darum lass mich los.«
»Wieso willst du keine Beziehung eingehen? Des Betrugs oder des Mädchens wegen?«
Er blieb still.
»Hat dich deine Ex-Frau jemals richtig geliebt? Hast du sie jemals richtig geliebt? Oder stellte es vielmehr eine Vernunftehe dar, aufgebaut auf Ängsten, eine Frau erneut zu verletzen?«
Theo selbst verlor weiterhin kein Wort, dafür antwortete sein Leib mit einem zweiten heftigen Zittern.
Das sagte genug.
»Und dir geht es lediglich um einen einfachen One-Night-Stand? Sonst nichts?«
»Ja.« Er klang alles, nur nicht überzeugend.
»Gut, dann halten wir es anders: Bleiben wir gute Bekannte.«
Möglicherweise würde er seine Meinung im Laufe der Zeit ändern. Oder wir würden tatsächlich bloß einfache Freunde werden.
All meiner Unsicherheit zum Trotz tippte ich auf Ersteres.
Sein emotionaler Zusammenbruch bewies, wie sehr er sich eine Partnerin wünschte, wie sehr er jemanden suchte und brauchte.
Genau wie ich.
Einziger Unterschied: Im Gegensatz zu mir verdrängte er diese Tatsache tausendmal heftiger.
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