Genau an diesem Punkt setzt die neuroendokrine Theorie ein.
Ihre These lautet:
Nicht weil wir altern sinken die Hormonspiegel, sondern weil die Hormonspiegel sinken altern wir!
Die entsprechende Therapie besteht demnach in dem „Konzept der erweiterten Hormonsubstitution“ , also dem Ersatz aller mit dem Alter absinkenden Hormone. Hierzu gehören nicht nur die Östrogene und Gestagene der Frau, sondern auch deren Androgene .
Korrespondierend wird beim Mann nicht nur das fehlende Androgen substituiert, sondern gegebenenfalls auch ein Östrogenmangel ausgeglichen.
Es sind aber nicht nur die Geschlechtshormone, die altersbedingt vermindert sezerniert werden.
Auch das Nebennierenrindenhormon DHEA (Dehydroepiandrosteron = das am häufigsten vorkommende Steroidhormon im menschl. Organismus), das Zirbeldrüsen-Hormon Melatonin oder das Hypophysenvorderlappen-Hormon Somatotropin (Human Growth Hormone, HGH) gehören zu jenen Hormonen, deren Konzentration im Serum mit dem Alter deutlich absinkt.
Die biologische Funktion des Melatonins liegt im Wesentlichen in der Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus. Eventuell ist es nicht so sehr die hormonelle Wirkung des Melatonins als viel mehr sein ausgeprägt anti-oxidativer Effekt, der hier zum Tragen kommt.
Als „Pro-Aging-Königshormon“ …
… wird von vielen, vor allem amerikanischen Autoren, das Wachstumshormon (HGH) angesehen.
In der Tat weist das Hormon des HVL eine deutliche Sekretionsabnahme mit zunehmendem Lebensalter auf. Die Anfang der 1990er Jahre publizierten Arbeiten von Rudman et al zeigten eine eklatante Verbesserung bio-medizinischer Altersmarker bei HGH substituierten Männern. Gut dokumentiert ist inzwischen ein positiver Effekt des Wachstumshormons auf die Body-Composition (Abnahme von Fett, Zunahme von Muskelmasse) sowie eine Erhöhung der Knochendichte.
Eine Substitution erscheint bei einem Mangel von HGH also durchaus indiziert. Fraglich ist, ob die Substitution lediglich die alters-entsprechenden HGH-Spiegel wieder herstellen sollte oder die Spiegel von chronologisch jüngeren Personen zu erreichen versucht, in der Vorstellung, hierdurch „die biologische Uhr zurückzudrehen“.
Insbesondere bei dem letzten Ansatz erscheint Vorsicht geboten. Zum einen ist das Krebsrisiko unter einer HGH-Therapie nicht vollständig geklärt, zum anderen treten bei HGH - im Gegensatz zu DHEA und Melatonin - bereits bei geringer Überdosierung unerwünschte Nebenwirkungen auf. Hierzu gehören Wasser-Einlagerungen, Gelenkschmerzen, Störung des Glukosehaushaltes und das Karpal-Tunnel-Syndrom. Ein nicht zu unterschätzendes Therapie-Hindernis ist schließlich auch die Tatsache, dass die Substanz sehr teuer ist und täglich subkutan injiziert werden muss.
Allerdings sind in den letzten Jahren auch oral einzunehmende HCG-Präparate auf den Markt gekommen, z.B. als Trinkampullen.
Neben der Substitution von HGH kann man aber auch versuchen, die körpereigene HGH-Sekretion zu stimulieren. Vielen Therapeuten gilt dieser Ansatz als der wesentlich physiologischere und gesundheitlich gesehen sicherer. Eine Möglichkeit, die Hypophyse zu einer vermehrten Ausschüttung von HGH zu bewegen, besteht etwa in dem von Huber, Wien, propagierten Dinner Cancelling Konzept (das Abendessen ausfallen lassen):
Das ist nicht nur ein Mittel zur Kalorienzufuhr-Beschränkung. Die dadurch ausgelöste nächtliche Hypoglykämie stellt den stärksten körpereigenen Reiz für die Hypophyse dar, die frühmorgendliche Ausschüttung von Wachstumshormon zu erhöhen.
Auch dieses Beispiel zeigt erneut den engen Zusammenhang zwischen Diätetik und Endokrinologie .
Fakt ist:
Der permanente Abfall vieler Hormone führt zu Kapazitäts- und Funktionsverlust vieler Körpersysteme, wir „welken und schrumpfen“ - psychisch, geistig (kognitiv/neuro-mental) und körperlich -.
Niedrige Hormonspiegel gelten heute als Ursache vieler alters-bedingter Krankheiten und des Alterns schlechthin.
3. Die Theorie der Freien (Sauerstoff-)Radikale
oder
Die Theorie des Oxidativen Stresses
Für die Abwehrfunktionen von Krankheitserregern und Fremd-Substanzen sowie für Regelprozesse verwendet der Organismus hoch-reaktive Verbindungen von Sauerstoff und Stickstoff.
Neben diesen Schutzfunktionen können die hoch-reaktiven Verbindungen aber auch körpereigenes Gewebe angreifen (zum Thema „Freie Radikale/Oxidativer Stress vgl. eigenes Kapitel).
Beim Ungleichgewicht zwischen dem Entstehen von Sauerstoff-Radikalen und der Produktion von Antioxidantien kommt es zum Oxidativen Stress.
Dieser zerstört Zellmembranen, Proteine und vor allem die DNS im Zellkern und die DNS in den Mitochondrien. Besonders letztere sind vom Oxidativen Stress besonders betroffen, da dort die größte Menge an Sauerstoffradikalen entsteht.
Dadurch wird der Mensch älter.
Die Theorie der freien Radikale wurde 1954 von dem US-amerikan. Wissenschaftler Denham Harman (Bio-Gerontologe - Universität von Nebraska) aufgestellt.
Im Falle einer Störung der Proteinstrukturen treten Fehlleistungen auf: Die Oxidation der Fettfraktion LDL führt zur Arterienverkalkung.
Die Membran- und Enzymstörungen in den Mitochondrien führen zu einer verminderten Stoffwechselleistung. Die Schädigung der DNS führt zu weiteren „Fehlerkatastrophen“. Diese werden für die mit zunehmendem Alter häufiger auftretenden Krebserkrankungen verantwortlich gemacht.
Als oxidative Substanzen greifen die freien Radikale unterschiedliche Zellstrukturen an. Zu den bevorzugten Zielorten gehören die Lipide.
So werden z.B. die lipidreichen Zellmembranen durch Oxidation in ihrer Integration geschädigt und ihrer Permeabilität verändert. Dies kann bis zum Zellzerfall führen.
Auch das Cholesterin ist ein bevorzugter Angriffspunkt freier Radikaler. Inzwischen wissen wir, dass es fast ausschließlich die oxidierte Form des LDL-Cholesterins ist, die sich in der Gefäßwand anreichert und so zu einer Arteriosklerose führt. Freie Radikale schädigen aber auch Proteine innerhalb und außerhalb von Zellen, darunter auch viele Enzyme, die durch Oxidation an ihren katalytischen Zentren inaktiviert werden. Schließlich können freie Radikale auch durch direkte Angriffe auf die Chromosomen Mutationen auslösen und wirken somit als Karzinogene.
Eine nachlassende Teilungsfähigkeit von wichtigen Zellsystemen, gestörte Eiweißstrukturen vor allem in den Enzymen und eine abnehmende mitochondriale Energie führen letztlich zu einer mangelnden Heilungs- und Erneuerungsfähigkeit. Dies tritt überall dort auf, wo chronischer Verschleiß und Umwelteinflüsse nicht vermeidbar sind.
Eine sich aus der Freie-Radikale-Theorie ableitende Therapieoption besteht in der hochdosierten Zufuhr sogen. Antioxidantien (Radikalen-Fänger). Hierzu zählt das Vitamin C, das hauptsächlich mit freien Radikalen im Zytoplasma reagiert, sowie die Vitamine A (korrekter: das beta-Carotin als Vorstufe zum Vit. A) und E, die als fettlösliche Vitamine vor allem Membran-schützend wirken.
Aber:
Hochdosierte Vitamin-Präparate dürfen jedoch niemals der Ersatz für eine gesunde und ausgewogene Ernährung sein. Sie sollen sie allenfalls ergänzen.
Antioxidativ wirken nämlich nicht nur die Vitamine A, C, D und E, sondern auch eine Vielzahl von Sekundären Pflanzenstoffen (SPS) – hier insbes. Anthocyanidine und Oligomere Proanthocyanidine/OPC und die Bioperine/Piperine – und weitere natürliche Wirkstoffe.
Einige dieser Substanzen wie Carotinoide oder Flavonoide können inzwischen zwar ebenfalls als Supplemente zugeführt werden. Die Gesamtzahl Sekundärer Pflanzenstoffe wird jedoch auf über 30.000 geschätzt, von denen viele nicht einmal in Ansätzen untersucht sind.
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