Ich dachte wieder: ,Echt, so lange hatte die Fahrt nach Hause noch nie gedauert´, fuhr in meine Sackgasse und sah, das Friedhelm-Erich weiter geradeaus fuhr.
,Oh je´, dachte ich, ,warum fährt er weiter?´ Aber kaum war ich im Haus, da rief er schon an, und ich lotste ihn per Telefon zu meiner Terrassentür.“
Weil der Terrassentürrahmen höher war, hatte ich wohl instinktiv entschieden, ihn dort hin zu lotsen, erinnert sich Ivonne jetzt doch wieder schmunzelnd. Ich wollte ihn ja endlich küssen.
Das tat sie später öfter.
So einige Treppen oder Bordsteine nutzte sie, um ihm einen Kuss zu geben, wenn sie gemeinsam unterwegs waren.
„Er kam scheinbar ruhig und gefasst den Weg entlang. Ich stand ja nun etwas erhöht im Terrassentürrahmen und sagte:
,So, jetzt gib mir erst mal einen Begrüßungskuss!´“ erinnert sich Ivonne weiter,
„Friedhelm machte den letzten finalen Schritt auf mich zu und war bei mir! Er küsste himmlisch erregend und es machte bumm!
,Endlich!´, dachte ich und wir schlossen beide die Augen und genossen diesen wundervollen ersten zärtlichen Kuss.
,Komm doch rein!´, sagte ich.
Friedhelm zog sich die Schuhe noch draußen aus und betrat das Wohnzimmer. Und wieder küssten wir uns. Diesmal beugte Friedhelm sich zu mir runter, ich streckte ihm meinen Kopf entgegen und stand auf den Zehenspitzen, so dass wir uns in der Mitte trafen. Und wieder war es ein wundervoller zärtlicher Kuss.“
Ivonne spürt jetzt ganz genau, seine Lippen auf ihren. Sie schließt die Augen und genießt dieses Gefühl. Ihr ist, als wäre dieser erste Tag gestern gewesen:
„Ich hab dann seine Hand genommen und ihn in die Küche gezogen und Kaffee gekocht. Als ich Wasser aufsetzen wollte zum Eier kochen, meinte er:
,Mach dir keine Umstände! Komm, lass das mit dem Eier kochen, ist doch alles prima so!´
Wir saßen über Eck in meiner Küche und unterhielten uns über unsere Erfahrungen, die wir in dem Internetchat gemacht haben. Lachend und uns schon an den Händen haltend, gaben wir uns kleine Küsschen. Langsam wurden unsere leichten Berührungen zu Streicheleinheiten, die wir beide genossen.
Wir haben kaum etwas gegessen.
,Komm, nimm deinen Kaffee mit, lass uns ins Wohnzimmer gehen, da ist es bequemer!´, sagte ich zu Friedhelm und dachte, dort können wir uns auch enger umarmen, wenn wir auf dem Sofa neben einander sitzen.
Das taten wir dann auch, wir waren beide sehr aufgeregt.
Ja, wir wollten es beide, Zärtlichkeiten miteinander genießen, und zwar nicht irgendwo und irgendwann, sondern hier, jetzt und spürten, dass der andere es auch wollte. Wir zogen an unseren Sachen, küssten uns innig und streichelten uns immer mehr.
,Ich weiß was Besseres, komm wir gehen ins Gästezimmer, da ist eine Bettliege!´, flüsterte ich Friedhelm nach einer Weile ins Ohr.
Ich ging vor und zog ihn an der Hand mit.
Und wie selbstverständlich machten wir das Bett zusammen. Na ja, eher ich, Friedhelm stand da und staunte, sah mir meistens nur zu. Als ich fertig war, legte ich mich darauf und schaute ihn erwartend an.
Es schien fast, als müsse er noch überlegen. Ich wurde schon unruhig, da legte er sich zu mir und wir setzen unser Küssen fort, zogen uns dabei gegenseitig aus. Friedhelm war so zärtlich, so einfühlsam. Sie schienen sich beide ewig zu kennen.
Seine Küsse wanderten von meinem Hals zu meinem Bauch und seine Hände folgten. Er nahm meine Brüste in die Hand und küsste sie innigst. Immer und immer wieder wanderten seine Hände auf und ab an meinem Körper.“
Ivonne erinnert sich an jeden einzelnen Kuss genau, weil sie so etwas noch nie so intensiv erlebt hatte und jede einzelne Sekunde genoss. Sie hatte sich nicht einmal gefragt, was sie da gerade machte oder so.
Sie hatte es einfach genossen!
Die schönen Erinnerungen, der Tee oder beides haben Ivonne nun etwas zur Ruhe kommen lassen.
Sie lächelt bei all den Erinnerungen. Es scheint, als hat sie für den Moment die Nachricht von heute vergessen.
Jetzt muss sie so gar ein wenig kichern, als ihr einfällt, dass Friedhelm ihren BH nicht gleich auf bekam und ganz ungeduldig wurde.
„Danach lagen wir nebeneinander, aber er hörte nicht auf mich zu streicheln und zu küssen und Friedhelm sagte leise:
,Wenn ich das geahnt hätte, dass es so ein Kaffee-Date wird!´
Er küsste und streichelte mich weiter.
,Du bist ja eine Maus, eine richtige Zaubermaus!´“, Ivonne erinnert sich noch genau an ihre Antwort:
,Und du bist ein richtiges Überraschungs-Ei, das hab ich so noch nie erlebt!´“
Sie waren beide überglücklich. Ivonne spürt förmlich diesen damaligen Moment. Aber Friedhelm musste leider los und sie vergaßen beide, nach einem weiteren Treffen zu fragen.
Sie schickte ihm eine SMS hinterher: „Kuss Kuss Kuss.“
Und er schrieb zurück:„Gerne wieder kiss!“
Sie hatte sich wieder auf das Sofa gelegt und nach genossen. Mit dem gleichem Lächeln, das sie nun auch wieder bei der Erinnerung daran hat.
Mit diesem Lächeln im Gesicht schläft sie auf dem Sofa ein. Irgendwann in der Nacht geht sie im Halbschlaf ins Bett. Sie schläft wie ein Stein.
Doch mit dem Aufwachen am Morgen kommen die Gedanken an Friedhelm und was passiert ist zurück.
Sie muss ihn besuchen, sie will bei ihm sein, wenn er aufwacht. Aber wie kommt sie zu ihm? Dürfen da nicht nur Verwandte hin?
„MMhhh, ich bin doch seine Cousine!“, denkt sie, und hat nun wieder das von Friedhelm so geliebte verschmitzte Lächeln im Gesicht.
Nach der Arbeit macht sie sich auf den Weg zum Krankenhaus, dass Werner ihr aufgeschrieben hat. Während der Fahrt kreisen ihre Gedanken wieder.
Während der Arbeit war sie abgelenkt, weil sie sich konzentrieren musste. Aber irgendwie schienen ihre Schüler zu spüren, dass etwas Schreckliches passiert sein musste. Sie waren heute ungewöhnlich ruhig. Oder kam ihr das nur so vor?
Sicherheitshalber hatte sie noch vor der Abfahrt Werner angerufen und gefragt, ob er wisse, wann denn Friedhelms Familie zu Besuch käme. Werner hat ihr bestätigt, dass die Familie am Vormittag da gewesen wäre.
Ivonne hofft, dass ihr Plan, sich als Friedhelms Cousine auszugeben, aufgeht.
Auch hofft sie, dass sie nicht gleich weinen muss, wenn sie Friedhelm mit lauter Schläuchen dort liegen sieht.
„Ich muss stark sein für ihn!“, nimmt sie sich ganz fest vor. Bei diesem Gedanken kullern ihr jetzt doch wieder die Tränen.
Ivonne versucht, sich auf das Fahren zu konzentrieren und es gelingt ihr doch tatsächlich, vor der Klinik anzukommen.
Da fällt ihr ein, dass sie kein Geschenk oder Blumen mit hat. Und sie fragt sich, ob man als Cousine seinem Cousin Blumen in´s Krankenhaus mitbringt.
Sie schaut sich um und entdeckt einen kleinen Laden, der Blumen und kleine Geschenke verkauft.
„Macht Sinn neben einer Klinik“, denkt sie kaufmännisch und geht auf den Laden zu. Vielleicht haben sie da ja auch Schokolade, denkt Ivonne noch. Aber als sie den Laden betritt fällt ihr ein, dass Friedhelm ja im Koma liegt, wozu dann ein Geschenk?
Sie zögert. Aber die nette Frau hinter dem Tresen fragt freundlich:
„Kann ich Ihnen helfen? Sie sehen gerade etwas verunsichert aus, obwohl Sie erst so zielsicher auf meinen Laden zu liefen!“
Ivonne schaut die Frau mit einem so verzweifelten Blick an, dass diese hinter dem Tresen hervor kommt und sagt:
„Kommen Sie, setzen Sie sich erst mal hin!“, und geleitet Ivonne zu einem Stuhl in der Ecke.
„Was soll ich nur schenken?“, fragt Ivonne leise, „er liegt doch im Koma!“
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