„Meine Herren, wie Sie sicher wissen, ist der Verteidigungsminister von Saudi-Arabien vor einer Woche gestorben.“
Alle nickten, die Sache hatte auch in der internationalen Presse für einigen Wirbel gesorgt. Die Umstände seines Todes schienen etwas mysteriös, es gab Vermutungen und wilde Spekulationen, vielleicht hatten ihn seine fünf Ehefrauen einfach überfordert. Der Regierungsvertreter fuhr fort: „Der Nachfolger ist schon im Amt und es scheinen sich einige wesentliche Änderungen in der militärischen Strategie des Landes abzuzeichnen. Wir wissen noch nicht, wie weit diese mit dem Königshaus abgesprochen sind, aber wir sollten schnell reagieren, seine Vorstellungen kommen unseren Interessen sehr entgegen. Er zeigt sich überraschend einsichtig. Die Unterstützung des IS war ein großer Fehler seines Landes, jetzt geht es nur noch darum, den Irrsinn zu stoppen. Sunniten ermorden Sunniten, der IS erobert Nachbarstaaten wie Libyen und den Jemen, das ganze ohne jeden Sinn, ihre einzige Strategie ist Zerstörung. Saudi-Arabien ist sich offensichtlich seiner Verantwortung bewusst geworden und hat vorgeschlagen, im Kampf gegen den IS die militärische Führung zu übernehmen. Sie wollen die Luftangriffe verstärken und mehr Bodentruppen schicken. Dazu benötigen sie mehr Waffen und Ausrüstung, vor allem Panzer und Kampfjets.“
„Können sie das alles bezahlen, wo der Ölpreis doch am Boden liegt?“
„Das ist kein Problem, sie haben genug Reserven, im Übrigen geht der niedrige Ölpreis sowieso auf ihre eigene Strategie zurück, sie könnten das jederzeit ändern.“
„Warum halten sie den Ölpreis so niedrig?“
„Da gibt es verschiedene Theorien, die wahrscheinlichste ist, dass sie die Investitionen in die neuen Technologien zur Ölgewinnung torpedieren wollen, Fracking zum Beispiel ist ihnen ein Dorn im Auge. Sie hoffen, dass die Investitionen damit unrentabel werden und sich die Investoren zurückziehen.“
„Und danach wird der Ölpreis wieder erhöht?“
„Sehr wahrscheinlich, aber das ist heute nicht unser Problem. Wir brauchen eine Entscheidung über die Lieferung der angefragten Waffensysteme.“
„Was ist da groß zu entscheiden, wenn wir nicht liefern, liefern andere, und außerdem sind wir das unserer Wirtschaft schuldig!“
„Das sieht die Regierung auch so, von uns werden vor allem Raketenabwehrsysteme, Kampfjets und Hubschrauber gefragt, insbesondere wünschen sie die schnelle Lieferung von drei Tarnkappenbombern.“
„Warum ausgerechnet die?“
„Der IS hat einige Batterien von Flugabwehrraketen erbeutet, die Russen waren da wohl zu nachlässig.“
Nauroth stattete Schäfer einen Besuch ab. „Wie kommst du voran?“
„Bestens, in dieser Umgebung macht arbeiten so richtig Spaß. Ich fühle mich wie im Urlaub.“
Nauroth nahm gegenüber Schäfer Platz. „Wenn du schon mal hier bist, solltest du an den Wochenenden auch was unternehmen. Meine Frau und ich könnten dir da einiges zeigen.“
„Das wäre wirklich toll, bis jetzt war immer Breithaupt derjenige, der dieses Privileg genoss. Was schlägst du vor?“
„Als Erstes beginnen wir mit einem Ausflug nach Yogyakarta, in der Nähe dort befindet sich der größte buddhistische Tempel der Welt. Breithaupt war auch schon einmal da.“
„Klingt großartig! Übrigens, was gibt es Neues von der Front?“
„Habibi ist im Doppelstress, einerseits kümmert er sich um die Vermisstenfälle, andererseits bemüht er sich um einen großen Auftrag für seine Flugzeugfirma in Bandung.“
„Um was geht’s?“
„Eine Anfrage aus Saudi-Arabien. Ein privates Unternehmen will Emirates offenbar Konkurrenz machen.“
„Ein privates Unternehmen, geht das überhaupt?“
„Warum nicht, denk nur an Laudaair, das alles ist eine Frage des Kapitals.“
„Kann er liefern?“
„Im Prinzip ja, das Problem ist die Lieferzeit, sie wollen die ersten drei Maschinen schon in einem halben Jahr, sie würden dann noch weitere zehn optional bestellen, das wäre natürlich ein Riesengeschäft für Indonesien und der Durchbruch in dieser Branche. Die Maschinen könnten prinzipiell fertig sein, da die meisten Teile auf Vorrat hergestellt wurden, aber die Zulassung bei der internationalen Zulassungsbehörde dauert in der Regel mindestens ebenfalls ein halbes Jahr.“
„Dann wird das wohl nichts werden?“
„Sieht so aus, Habibi ist am Boden zerstört. Die Saudis verhandeln auch mit Boeing und Airbus, da sind die Zulassungen schon gelaufen.“
Jakobi las die E-Mail zweimal und wurde sehr nachdenklich. Es gab etwa fünf weitere Fälle von in der Region vermissten Personen, auf die die gesetzten Kriterien zutrafen. Die Liste enthielt nur ihre Namen, ihren Beruf, ihr Herkunftsland und den Zeitpunkt der Vermisstenmeldung. Er brauchte unbedingt mehr Informationen. Er klickte auf sofort antworten und schrieb: „Lieber Hal, danke für die Mail, leider ist sie eine weitere Bestätigung für meinen Verdacht. Ist es dir möglich, mehr über die Personen zu erfahren, mich interessieren vor allem ihr beruflicher Werdegang und ihre persönlichen Lebensumstände.“
Die Antwort kam zwei Stunden später: „Tut mir leid, sie kommen alle aus dem westlichen Ausland, da habe ich leider keinen Zugriff. Außerdem bin ich voll damit beschäftigt, den Flugzeugdeal mit den Saudis noch rauszureißen, wünsch mir viel Glück.“
Jakobi fühlte, dass er jetzt handeln musste. Wen konnte er ansprechen, wer ist in einem solchen Fall zuständig, der CIA, das FBI? Er entschloss sich schließlich, kleiner anzufangen und diktierte einen Brief an den Bundesnachrichtendienst.
„Die Adresse suchen Sie bitte raus, ich glaube, der sitzt in Lörrach.“ Seine Sekretärin nickte. „Sehr geehrte Damen und Herren.“ Er überlegte, ob es dort überhaupt Damen gab und begann: „Ich sehe es als meine Pflicht an, Sie über einen Vorgang zu informieren, der, sollte mein Verdacht begründet sein, von außerordentlicher Tragweite für die ganze Welt wäre.“ Seine Sekretärin zuckte zusammen. Jakobi erkannte seinen Fehler. „Ich habe es mir überlegt, stellen Sie bitte meinen Laptop auf Korrespondenz ein, ich werde den Brief selber schreiben.“
„Warum senden Sie ihn nicht als E-Mail?“
„Das wäre zu unsicher. Suchen sie mir bitte die Adresse raus und bringen Sie mir einen adressierten Umschlag.“
Er unterschrieb den Brief mit seinem vollen Namen und gab dabei auch seine Position an: Dr.-Ing. Jacobi, Vorstandssprecher der Otto Schenker AG, verantwortlich für den Bereich Forschung und Entwicklung.
Dr. Machmud erschien am Rand der Lichtung, im Schlepptau die beiden obligatorischen Bewacher. Er betrat das Haus und zog einen USB-Stick aus der Tasche. „Bitte geben Sie mir das Tablet.“ Er begann zu lesen. Dann blätterte er in einem Notizbuch und dachte nach. „Können Sie mir bitte erklären, warum Sie die Hohlkugellösung ausgeschlossen haben?“, fragte er dann.
Er war ausgesucht höflich, wirkte er aber auch irgendwie unsicher, vielleicht lag das aber auch an Sue, die unmittelbar neben ihm stand. Machmud war offensichtlich gut vorbereitet. Jörg fragte sich, ob man ihm eventuell irgendwie näher kommen könnte, ob man vielleicht eine gewisse Vertrautheit aufbauen könnte. Er erinnerte sich an das Stockholm-Syndrom.
„Wir haben diese Möglichkeit ausführlich diskutiert, wir gehen davon aus, dass die Bombe nicht zu schwer werden sollte, diese Lösung erfordert aber einen dickwandigen Stahlmantel, um dem anfänglichen Druck lange genug standzuhalten.“
„Aber der Vorteil wäre, dass nur eine Zündung notwendig wäre, damit entfällt das Problem von mehreren Zündungen, die nahezu gleichzeitig erfolgen müssten. Und wir glauben weiterhin, dass die Herstellung einer solchen Hohlkugel aus Plutonium nicht so ganz einfach ist, dagegen ist die Einbringung einzelner Spaltmaterialteile eine ganz normale mechanische Aufgabe.“
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