Ich trug nämlich eine Flasche mit in Spiritus aufbewahrten kalifornischen Schlangen, Eidechsen, Käfern, Raupen, Spinnen u. s. w., damit sie auf dem Wagen nicht zu sehr geschüttelt werden sollten, in der Hand, und einer der „Kanakas“ bekam die Witterung davon. Neugierig, wie sie alle sind, trat er rasch näher, die wunderlichen Dinge zu beschauen, andere, an denen wir vorbeikamen, mussten ebenfalls wissen um was es sich handle, und ehe zwei Minuten vergingen, hatte ich einen Schwarm von wenigstens fünfzig Menschen um mich herum, der jetzt wie eine Lawine anwuchs. Ich musste die Flasche auf den Karren und zwischen das übrige Gepäck tun, und nur froh sein, dass sich die Polizeidiener (deren es in Honolulu fast so viel gibt wie in irgendeiner deutschen Stadt) der Sache schon tätig angenommen hatten.
Aber auch noch ein junger Weißer schien sich für die Gegenstände, wenigstens für einen Teil derselben, lebhaft zu interessieren. Es war dies ein junger Bursche von etwa vierzehn oder fünfzehn Jahren, der, wie es schien, unter jeder Bedingung einen von meinen kalifornischen Bogen und Köchern mit Pfeilen kaufen wollte, und sich nun unbeschreiblich erstaunt bezeigte, dass es jemanden auf der Welt geben konnte, dem eine solche Sache nicht feil sei, noch dazu da ich zwei davon hatte. Endlich rückte er mit der Ursache heraus, weshalb er die Gegenstände nicht allein zu haben wünschte, sondern haben müsste, er gehöre nämlich zu der Gesellschaft Kunstreiter – war ich denn auf den Sandwichsinseln? – die eben von San Francisco herüber gekommen wäre, und hier ihre Vorstellungen gäbe, und da er selber gerade beabsichtige, am nächsten Abend einen nordamerikanischen Wilden vorzustellen, so würde ich wohl einsehen, dass er das nicht gut ohne Bogen und Pfeile tun könne, und ihm einen der meinigen, sei es zu welchem Preis es auch wolle, überlassen möge. Da ich übrigens, selbst nicht einmal im Interesse der Kunst darauf eingehen mochte, musste er seinen nordamerikanischen Indianer wirklich ohne Pfeil und Bogen reiten.
Ich logierte also im Hôtel de France (der Leser darf freilich nach dem Titel keinen europäischen Maßstab anlegen), und allerdings sehr gut, aber auch ganz nach kalifornischen Preisen, nach denen sich überhaupt diese Insel, ihrer bedeutenden Verbindung mit San Francisco wegen, stark zu richten beginnt. Kost und Logis war 12 Dollars die Woche, der Platz aber sonst freundlich und luftig, und der Wirt, ein Franzose, artig und zuvorkommend.
Honolulu selbst ist ein kleines freundliches Städtchen, dem in den meisten Straßen Alleen von einem lindenartigen Tulpenbaum (hibiscus tiliaceus), der im Inneren wild wächst, etwas ländliches oder sogar gemütliches geben. Die Häuser sind meistens niedrig, aber großenteils mit Gärten versehen, hie und da ragen einzelne stattliche Kokospalmen empor, und die häufig vorkommenden palmenartigen Farren und sehr hübschen Ölnussbäume (aleurites tribola, dort Kui Kui oder Kukui genannt) geben dem ganzen Orte jenen tropischen Anstrich, der ihn für den Nordländer natürlich nur noch so viel interessanter macht. Manche glauben dabei, dass die Stadt noch an vielen Stellen durch die strohgedeckten Hütten der Eingeborenen entstellt werde, gerade die aber waren es, die ich ungern in dem Ganzen entbehrt hätte, denn eben diese ganz aus Stroh oder Schilfgras aufgeführten Gebäude mit ihren geflochtenen Türsimsen und glatt und fest bis auf den Boden hinunterreichenden Dächern, über denen die federartigen Farren und Bananen ihre breiten Blätter ausstreckten, und vor denen die sauber geflochtenen Matten lagen, bildeten den alten Urstamm der Gebäude von Honolulu, und all die anderen aus China und den Vereinigten Staaten eingeführten hölzernen Häuser standen nur wie geduldete Fremdlinge zwischen den, sich dort heimisch fühlenden Eingeborenen.
Hie und da trifft man auch Steinhäuser, wie z. B. das Regierungsgebäude, mit seiner goldenen Krone über dem gewölbten Tor, und viele andere Privatwohnungen und Kirchen; durchschnittlich bestehen aber doch die meisten, besonders im Geschäftsteile der Stadt, aus Holz, und die Strohhütten bilden mehr die Vorstädte Honolulus.
Die beiden festesten Gebäude – das Fort selbst nicht ausgenommen – sind jedenfalls das Zollhaus und einige Kirchen, sämtlich aus Korallblöcken aufgeführt.
Hier muss ich mich vor allen Dingen mit dem Leser über den Ausdruck Korallen verständigen, der mir da nur zu leicht einen viel zu romantischen Begriff von dem, sonst roh genug aussehenden Baumaterial bekommen könnte; ich weiß wenigstens, wie es mir selber früher mit solchen Beschreibungen gegangen. Die Korallenart, die sich hier findet, ist die weiße, und steht allerdings, wenn in jungen Schösslingen angesetzt, zart und fein genug aus, mit ihren alabasterartigen Armen und Auszweigungen; mit der Zeit füllen sich aber diese Räume zwischen den Zweigen vollkommen aus, und bilden dann eine schmutzig weiße, sehr poröse und leichte, aber doch feste Steinmasse, die besonders viel Kalk enthält, und aus welcher auch Kalk gebrannt wird, während man die, so gut es gehen will, behauenen Steine oder Blöcke zu Werften, Mauern und Häusern verwendet. Dem Aussehen nach hat diese Korallenmasse Ähnlichkeit mit dem Tropfstein, nur dass sie nicht so fest und hart ist.
Dicht am Werft und nur eine kurze Strecke vom Fort entfernt, steht ein geräumiges luftiges Markthaus, ebenfalls von Stein aufgeführt; die Eingeborenen sind aber so an ihre alten strohgedeckten Plätze, teils diesem gegenüber, teils in anderen Teilen der Stadt gewöhnt, dass es wahrscheinlich erst eines ganz bestimmten Gesetzes bedarf sie dort, wo sie, wenn auch keinen bequemeren, doch gewiss reinlicheren Platz haben, hineinzubringen. Die bisherigen Marktplätze zeichnen sich durch nichts vor anderen derartigen Orten südlicher Städte aus, ja selbst der Fischmarkt ist nicht besonders reichhaltig, und an Früchten sind diese Inseln so arm, dass gute Apfelsinen sogar von Tahiti hierher verschifft und mit Nutzen verkauft werden. Selbst die Apfelsinen aber, die hier wachsen, eine saure, sehr geringe Qualität, sind sehr teuer, jedes einzelne Stück kostete nach deutschem Gelde 2½ Ngr., Kokosnüsse 10 Ngr., und selbst für Bananen zahlte man das Vierfache dessen, was man in Rio de Janeiro dafür zu zahlen hatte.
In demselben Verhältnis stand es mit den Kartoffeln, die der kalifornische Markt und der stets sich mehrende Bedarf dorthin auf eine wahrhaft unnatürliche Weise in die Höhe getrieben; überhaupt waren sämtliche Lebensprodukte, besonders im letzten Jahre, auf eine für die dort anlaufenden Walfischfänger besonders sehr unangenehme Weise gestiegen, und es bedurfte später fast noch eines vollen Jahres, ehe sie, durch die immer vergrößerte Einfuhr sowohl nach San Francisco, hauptsächlich aber durch den dort rasch steigenden Acker- und Gartenbau, wieder ebenso rasch fielen, immer aber noch die auf die Kultur des Landes verwandte Arbeit reich vergüteten.
Wenn der Markt auch nicht selber, so haben doch die einzelnen, in der Stadt herumgehenden Verkäufer manches Eigentümliche, die nach Art der Chinesen alles, was sie zum Verkauf bei sich führen, an einem, etwa vier Fuß langen Stock und bis fast zum Boden niederhängenden Kalebassen tragen, von denen die wieder, die den aus den Tarowurzeln bereiteten Brei oder Poë enthalten, mit ebensolchen Kalebassenstürzen bedeckt sind. Sie schlendern damit höchst gemütlich durch die Straßen, oder kauern auch geduldig an den Ecken, bis sich ein Käufer findet.
Diese Händler, welche Früchte, Fische, Hühner, Truthühner, Schweinchen, Eier etc. in der Stadt herumtragen, sind nur Männer, bei den Märkten halten jedoch auch Frauen feil. Der Hawaiier oder Kanaka, wie er allgemein genannt wird, kann aber mit sehr wenig Arbeit auskommen; oft sieht man einzelne von ihnen, die mit einem Dutzend Eiern oder zwei Hühnern stunden-, ja tagelang in der Stadt herumlaufen, und mit einer fabelhaften Geduld immer wieder zu demselben Preis ihre Ware feilbieten – sie haben sich einmal den Preis gesetzt, und gehen nicht davon ab, und sollten sie auch genug Zeit versäumen, indessen noch dreimal so viel zu verdienen, bis sie ihn erhalten haben. Von dem Wert der Zeit scheint der Kanaka überhaupt nur einen sehr unvollkommenen Begriff zu haben, denn Leute die dort schon lange ansässig sind, haben mir versichert, man könne bei ihm, und wenn er an dem entferntesten Teil der Insel wohne, die Produkte die er erzieht, um nichts billiger am eigenen Platze bekommen, als er im Stande ist, sie auf dem Markt von Honolulu zu verwerten – die Tage, die er dazu braucht, sie dorthin zu schaffen, zu verkaufen und wieder zurückzukehren, rechnet er gar nicht.
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