Der Steward war ein junger Bursche von Mauritius glaub' ich, ein gewandter Gesell, der französisch und spanisch gleich gut und fließend sprach.
Der Kapitän selber war ein guter Katholik – seine Lieblingsheiligen hingen in der Kajüte sowohl als in seiner Koje, aber außerdem hatte er noch eine besondere Zuneigung zu der Figur, welche auf seiner Gallion, ganz vorn am Schiff, gewissermaßen als Sinnbild des ganzen Fahrzeugs stand, und übrigens ausgezeichnet gearbeitet war. Sie stellte ein junges Weib oder Mädchen vor, genau in Lebensgröße, das Gewand in goldenen Falten bis auf die Füße herunterfallend, Gesicht und Hände in natürlicher Farbe und große Glasaugen klug und lebendig vorausschauend. Vorn am Bug, wenn man darunter hin ruderte, machte die Figur einen ganz eigentümlichen Eindruck, und ich bin noch bis auf den heutigen Tag fest davon überzeugt der Kapitän schrieb dem Bilde mehr als selbst natürliche Kräfte zu, wie er denn auch steif und fest dem Schiff ein eignes selbstbewusstes Denken zuteilte, das sich besonders darin äußerte die Leute zu kennen, die am Steuer standen, und bald sein Gefallen durch ruhiges stetes Gehen, bald sein Missfallen durch Anspringen gegen die See und andere kleine Unarten auszudrücken.
Er war aber in jeder anderen Ansicht ein vortrefflicher Kapitän, und diese kleine Schwäche, die zugleich eine bedeutende Liebe für sein Fahrzeug selber anzeigte, hab' ich ihm gern vergeben.
Die Matrosen waren meist Engländer und Irländer, aufgelesen in San Francisco wie sie zu bekommen gewesen waren, für 40 Dollars den Monat, und das in Betracht gezogen eine so gute Mannschaft, wie sich unter dergleichen Umständen erwarten ließ. Unser wackeres Fahrzeug segelte dabei vortrefflich, und wir passierten mehrmals andere Fahrzeuge bei vollkommen günstigem Wind, ohne ein einziges Leesegel auf zu haben, während die anderen Schiffe jeden nur möglichen Lappen von Leinwand gesetzt hatten, erreichten auch Honolulu, trotz dem dass wir die Nacht draußen vor der Bai vor Anker gelegen, zwei Tage eher als vier andere mit uns zu gleicher Zeit ausgelaufene Fahrzeuge.
Doch ich will mein Tagebuch wieder aufnehmen, denn wir nähern uns den Inseln, und der Leser hat ja jetzt ungefähr eine Idee von der Schiffsmannschaft der „JANE REMORINO“, die übrigens dennoch zu wenig interessant ist, die Südseeinseln deshalb zu vernachlässigen.
Die Nord-West- und Nord-Nord-West-Passate herrschen nicht die ganze Strecke bis zu den Inseln vor. Je weiter wir deshalb südwestlich steuerten, desto mehr ging der Wind über Norden herum nach Osten, und vom 4. Dezember an hatten wir Ost zu Süd und Ost-Süd-Ost-Wind.
Sonntag den 8. Dezember. Wind vortrefflich – ging heute wieder nach Ost zu Nord herum, und wir halten jetzt Süd-West, gerade auf die größte der Sandwichsinseln zu; die wir heute hoffentlich nach einer Fahrt von 16 Tagen in Sicht bekommen werden.
Das Wetter ist herrlich, der Thermometer steht morgens halb 11 Uhr in der ziemlich kühlen Kajüte auf 22° Réaumur oder 79° Fahrenheit etwa. Die Reise selbst ist in dieser Jahreszeit etwas monoton, da man in und auf der See fast gar nichts von Fischen oder anderen Seetieren zu sehen bekommt. Fliegende Fische haben sich einige seit dem 25° nördlicher Breite gezeigt, aber auch nicht viele. Die Walfische (Wale sind keine Fische, sondern Säugetiere) haben sich in dieser Jahreszeit ebenfalls hier fortgezogen, also auch mit ihnen die Walfischfänger, und selten ist's dass einmal ein Segel am fernen Horizont sichtbar wird. Selbst der Kapitän hatte Langeweile, der doch gewiss daran gewöhnt ist sich mit nichts zu beschäftigen, und schikanierte seinen Hund; aber das Land konnte nicht weit sein, und dann kam wieder Leben in die schon fast erschlaffte Existenz.
Unter den Südseeinseln hatte ich mir bis in letzter Zeit übrigens einen Ort gedacht, der alles in sich vereinigte was die tropische Vegetation nur Herrliches hervorbringen könne. Die Ufer mussten unter jeder Bedingung mit Palmen, Pisang und Bananen, Brotfrucht und Orangen dicht bedeckt sein, und das innere Land mit seinen vollbewaldeten Gebirgen üppig daraus hervorsteigen.
Mit diesen Erwartungen sah ich am 9. Dezember morgens das erste Land in blauer Ferne, und konnte den Augenblick nicht erwarten, wo wir dort Anker werfen würden. An jenem Tage kamen wir indessen noch nicht dazu; das erste Land das wir erblickten war die Insel Maui, und nördlich an dieser und der nächsten, Molokai hin, liefen wir gegen Oahu zu, um die Südostspitze dieser Insel herum, kreuzten als es Nacht wurde südlich daran, und liefen am nächsten Morgen mit Tagesanbruch nördlich gegen den Hafen von Honolulu hinauf, auf dessen äußerer Reede, oder eigentlich vor der Insel und dem Hafen draußen, wir etwa um 10 Uhr morgens Anker warfen.
Aber, lieber Gott, wie wenig fand ich meine schönen Hoffnungen von Palmenwäldern bestätigt, als wir der Insel nahe genug kamen sie mit dem Fernrohr erkennen zu können! Kahle, vulkanische Berge streckten sich, von nebligen Wolken umlagert, schroff und trostlos aus dem Meer empor, und lange, lange Zeit war auch nicht ein Zeichen von Vegetation zu erkennen. Wir lagen freilich noch zu weit ab um das niedere Uferland überschauen zu können. Endlich wurden die weißen Gebäude von Honolulu sichtbar, mit ihnen die Masten der dort vor Anker liegenden Schiffe, und nach langem, langem Suchen konnte ich auch einzelne dicht am Strand stehende Kokospalmen erkennen. Aber wie einzeln standen sie! „Und das sind die Südseeinseln?“ rief ich fast unwillkürlich.
„Das sind die am wenigsten schönen“, sagte zu meinem Trost ein neben mir stehender Matrose, „die Inseln südlich vom Äquator haben viel mehr Früchte und sehen viel schöner aus.“ Und von dem Augenblick an beschloss ich die südlich gelegenen Inseln, wenn sich mir irgend Gelegenheit dazu böte, ebenfalls zu besuchen.
Je näher wir übrigens Oahu kamen, desto freundlicher gestaltete sich das ganze Äußere der kleinen Stadt und Umgegend, die Berge fingen an sich da und dort mit einem Anflug von Grün zu decken, das die beginnende Regenzeit hervorgerufen, der untere Teil derselben ließ dichtere Gebüsche kenntlich werden, und zwischen den Häusern der Stadt gaben die allerdings nur einzeln aufsteigenden herrlichen Kokospalmen dem Ganzen den südlichen tropischen Charakter. Ja oberhalb der Stadt ließ sich sogar ein förmliches kleines Kokoswäldchen erkennen, das aber freilich abgeteilt war, und mehr das Ansehen einer Pflanzung als eines natürlichen Waldes hatte.
Einen eigentümlichen Anblick bot die Küste selber, an der die Brandung, über die hochaufdrängenden Korallenriffe hin, in langen schneeigen Schaumwellen tanzte und brauste und dem Ufer zustrebte, während in und zwischen ihr die, mit ihr vertrauten Eingeborenen, teils in und zwischen den Wellen spielten und badeten, teils mit ihren wunderlichen kleinen Kanus, ungestört durch das Gelärm der Wogen hindurchglitten und fischten, oder auch, eine sehr häufige Beschäftigung dieser Stämme, eben nur in der Sonne lagen und ihren Gedanken nachhingen, während das schwanke kleine Fahrzeug zwischen den Korallenriffen, ebenso faul wie die Bemannung, herumtrieb.
Diese Korallenriffe sah ich hier zum ersten Mal, und sie gaben der ganzen Insel etwas ungemein Charakteristisches, wie damit zugleich auch für mich etwas sehr Ansprechendes. Sonderbarer Weise sollen sie sich auch in fast all diesen Inselgruppen, nördlich und südlich von der Linie, gleich bleiben. Eine ungeheure Wand von Korallenbäumen, so ineinander verwachsen und ausgefüllt dass sie eine eigentliche Mauer bilden, die schroff, fast senkrecht aus der Tiefe des Meeres aufsteigt, und zwar so dass sie hier bis an die Oberfläche selber ragen, und die anstürmenden Wellen in weißem Wogenkamm über sie fortstürzen, während kaum hundert Schritt davon Schiffe schon keinen Ankergrund mehr finden, und mit günstiger Brise in dem dunkelblauen und kristallhellen Wasser, das die kleinste Untiefe deutlich verrät, dicht daran hinsegeln können.
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