»Stimmt nicht«, sagte Tanja und wurde rot im Gesicht. »Ich beobachte nur, was die so trainieren.«
»Soso! Und warum wirst du immer verlegen, wenn Marcel dich anspricht?« Freundschaftlich boxte Tina sie an den Oberarm. »Uns kannst du nichts vormachen.«

Lisa hatte die Hände in die Hüfte gestemmt. »Der Vorstand hat beschlossen, dass der ersten Herrenmannschaft ab sofort der gesamte Platz zur Verfügung steht.«
»Und wo sollen wir trainieren?«, fragte Christian.
»Wir müssen mit der zweiten Mannschaft auf den roten Aschenplatz ausweichen.« Lisas Augen blitzten.
»Das gibt es doch nicht!« Hannah schüttelte den Kopf.
»Wie bitte? Die können uns doch nicht einfach abschieben!«, rief Christian erzürnt.
»Das hängt mit Grohmann zusammen. Er will unbedingt aufsteigen und hat deswegen Druck beim Vorstand gemacht.«
»Hat Willi Janssen dem etwa auch zugestimmt?« Dieser war der erste Vorsitzende des SV Winkelbach.
»Hannah, er ist eine Marionette in diesem Spiel.« Lisa platzte fast vor Wut. »Aber das war ja noch nicht alles. Die Spiele der Frauen und Mädchen finden nicht mehr auf dem Hauptplatz statt. Auch der ist nur noch für die Herrenmannschaft vorgesehen. Unsere Spiele dürfen wir nur noch auf dem Trainingsplatz oder auf roter Erde austragen.«
»Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen«, sagte Christian. »Soll ich mal mit Grohmann sprechen?«
Hannah überlegte kurz. »Nein, ich stelle ihn zur Rede.«
»Geh nicht hin«, rief Lisa und hielt Hannah am Arm fest. »Grohmann ist doch im Moment derjenige, der das Sagen hat. Jede Minute, die du mit ihm diskutierst, ist verschwendet. Glaub mir!«
Die beiden Frauen sahen sich an. Sie waren fast gleich groß.
»Aber ich kann eventuell etwas bei ihm ausrichten. Er scheint eine Schwäche für mich zu haben.«
»So?« Christian sah Hannah überrascht an. »Das ist ja interessant. Dann setz doch deine Waffen gegen ihn ein.«
»Das bringt bei dem Kerl nichts.« Lisa hielt Hannah am Arm. »Der sieht nur seinen Vorteil, etwas anderes interessiert ihn nicht.«
»Ich versuche es trotzdem.«
Lisa zuckte mit den Schultern.
Hannah drehte sich um und lief mit festen Schritten auf Grohmann zu. Dieser steckte einige Felder ab.
»Ich muss mit dir reden.« Hannah stellte sich neben ihn.
»Nach dem Training, schöne Frau.« Ohne sie anzusehen, stellte er Markierungshütchen auf den Rasen.
»Nein, jetzt. Hast du das mit dem Platz veranlasst?«
Grohmann fuhr sich mit der Hand über das kurz geschnittene Haar und seufzte: »Ich habe dir doch gesagt, dass wir eine Lösung finden müssen.«
»Wir? Das scheint aber deine Lösung zu sein!«
»Nein, die des Vorstandes. Es geht im Moment nur um die erste Mannschaft, und zwar die erste Herrenmannschaft, die hat absoluten Vorrang.«
»Aber das kann doch nicht zu Lasten des Frauen- und Mädchenfußballs gehen. Auch wir gehören zum SV Winkelbach!«
»Ach, Hannah«, er lachte leise. »Der SV Winkelbach benötigt Sponsoren. Deshalb müssen wir aufsteigen! Dabei ist völlig egal, ob die Frauen Kreisklasse, Kreisliga oder in einer Hausfrauenliga kicken. Das Ziel ist klar und die Entscheidung des Vorstandes steht!«
»Na klar, die Sponsoren werden Schlange stehen, wenn ihr in die Kreisliga aufsteigt.« Die Ironie in ihrer Stimme war nicht zu überhören. »Ich weiß, was im Herrenfußball los ist, aber du hast keine Ahnung vom Frauen- und Mädchenfußball. Du unterschätzt uns.«
Grohmann fuhr mit seiner Hand über ihre Wange. »Ich habe genug Ahnung von Frauen. Den Fußball sollten wir zwischen uns ausklammern.«
Hannah hielt seine Hand fest. »Mag sein, dass du andere Frauen mit diesen Sprüchen beeindrucken kannst. Bei mir zieht das nicht. Ich stehe vor dir als Trainerkollegin, ob es dir passt oder nicht.«
Falten bildeten sich auf seiner Stirn. »Du bist eine echte Herausforderung.«
»Fordere mich nicht heraus«, knurrte die Trainerin, »denn du wirst das Duell nicht gewinnen.«
»Trainer, brauchst du Hilfe?«, rief jemand. Andere lachten, die Spieler der ersten Mannschaft sahen zu ihnen herüber.
Hannah ließ Großmanns Hand los. »Damit kommst du nicht durch!« Sie drehte sich um und lief zurück zu ihren Spielerinnen, die sie erwartungsvoll ansahen.
»Nehmt die Bälle und die Hütchen. Wir gehen auf den roten Platz.«
Hannah begegnete Lisas Blick. Ihre Miene schien zu sagen: Hättest du mal auf mich gehört!
»Wir sollen auf roter Erde trainieren«, empörte sich Julia. »Was soll das?«
»Der Vorstand hat das so beschlossen«, sagte Lisa.
»Und wir akzeptieren das einfach?«, fragte Marion und schüttelte den Kopf. »Das kann man uns auf Dauer nicht zumuten.«
Die anderen Spielerinnen murrten ebenfalls.
»Beruhigt euch«, rief Hannah. »Wir werden das natürlich nicht so einfach akzeptieren. Aber jetzt trainieren wir auf dem Aschenplatz und bereiten uns auf das schwere Spiel am Samstag vor. Auf geht’s!«
Imke packte den Rucksack für das Fußballspiel. Hoffentlich habe ich nichts vergessen!
»I-m-k-e«, die Stimme ihrer Mutter unterbrach ihre Gedanken.
»Wird schon alles drin sein«, murmelte sie vor sich hin und verschloss den Rucksack. Sie öffnete die Tür und rief: «Ja, was ist? «
»Fährst du mit dem Fahrrad zum Spiel?«
Imke hüpfte die Treppenstufen herunter. »Klar, wie immer.« Imkes Stimme klang distanziert. Mutter und Tochter standen sich gegenüber.
»Wir kommen später nach.«
»Braucht ihr heute nicht!«, sagte Imke mürrisch. »Eigentlich will ich gar nicht, dass ihr zuschaut.«
»Das sind ja ganz neue Töne«, mischte sich ihr Vater ein, der aus seinem Arbeitszimmer herauskam. Er arbeitete in einer Anwaltskanzlei und brachte oft Akten mit nach Hause.
»Bist du sauer auf uns?«, fragte er arglos.
»Nein, ich bin total happy. Mir geht es super und ihr macht sowieso, was ihr wollt.«
»Imke, treib es nicht auf die Spitze!« Ihre Mutter hob mahnend den Finger. »Es wird noch viele Spiele und Turniere in deinem Leben geben. Aber dieses Auswahlturnier wirst du auslassen!«
Imkes Augen füllten sich einmal mehr mit Tränen. »Ich hab’s verstanden«, sagte sie mit leiser, zittriger Stimme.
»Aber deswegen lieben wir dich doch trotzdem und wollen dich weiter beim Fußball anfeuern.« Ihre Mutter strich ihr über das Haar.
»Ich habe noch niemandem gesagt, dass ich nicht mitkomme«, flüsterte Imke. »Und wenn ihr da seid …«
»… werden uns Hannah, Tinas Mama und Tanjas Eltern fragen, ob wir mitfahren. Dann werden wir erzählen, dass du nicht teilnimmst.« Martin Strobel nickte verständnisvoll. »Okay, Kleine, regle das allein. Wir sind das nächste Mal wieder dabei!«
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