von
Lisa Pegasus
© 2021 Dr. Lisa Heimann
Markt 16
03238 Finsterwalde
Verlag und Druck: epubli
Kutzkal, auf einem Stein sitzend, starrt auf den Boden vor sich. Er spielt mit einem Grashalm und denkt über sein Leben nach. War das schon alles? Gibt es denn nichts mehr für ihn zu tun?
Er ist 27 und nicht mehr der Jüngste, doch noch in Topform. Er könnte die Welt erobern, wenn er nur wollte, doch das will er natürlich nicht. Sein sonniges, freundliches Gemüt würde einfach nicht zu so viel Macht passen.
Er nimmt den Grashalm in den Mund und fängt an darauf herum zu kauen. Er starrt auf den Teller der vor ihm liegt und denkt nach. Kutzkal nimmt den goldenen Teller in die Hand und steht langsam auf. Es ist viel zu früh für ihn, er ist einfach nicht der Richtige.
Sein braungebrannter Körper glänzt in der Sonne. Der Schweiß vom letzten Spiel ist noch nicht getrocknet und zum ersten Mal fragt er sich warum er dieses Spiel spielt. Erinnerungsfetzen kommen in ihm hoch und er sieht wie sein Vater ihm diese heilige Aufgabe übertragen hat. Wie hätte er nein sagen können? Das Spiel der Götter zu spielen ist eine Ehre in seinem Volk. Und diese Ehre wurde ihm zuteil.
Lange wurde Kutzkal darauf vorbereitet. Jahre lang trainierte er für diesen Tag, den Tag seines ersten Spiels. Eine Niederlage war keine Option. Kutzkal kennt das Spiel, es ist einfach für ihn. Doch nun muss der Verlierer seinen Preis zahlen und Kutzkal ist einfach nicht bereit ihn einzufordern.
Wer verliert, verliert nicht nur das Spiel, sondern auch sein Haupt. Der Verlierer ist es nicht würdig vor den Göttern zu existieren und Kutzkal gehört die Ehre seinen Preis einzufordern. Er ist kein Gott, noch wollte er einer sein, doch die Götter verlangen jetzt von ihm ihr Opfer.
Kutzkal hat lange auf dem Stein gesessen. Nach dem Spiel ist er sofort rausgelaufen und hat versucht sich klar zu machen, was er jetzt zu tun hat. Und jetzt weiß er es. Seine Entscheidung ist getroffen.
Er geht mit dem Siegesteller in der Hand wieder auf den Platz zurück. Die Zuschauer jubeln als sie ihn sehen.
Langsam und mit gebeugtem Blick geht er auf die Mitte zu, wo sein Vater steht. Der Priester der Stadt hat die Ehre die Spiele zu veranstalten und als damals sein Sohn auserwählt wurde zu spielen, war sein Vater stolz und sorgenvoll zugleich.
Doch diesen, seinen ersten Kampf hat Kutzkal mit Bravour bestanden. Und jetzt darf er sich seine Belohnung holen und sie den Göttern opfern.
Der Priester nimmt den Siegesteller von Kutzkal und hält ihn in die Luft. Die Menge jubelt noch lauter und der Priester ist unglaublich stolz auf seinen Sohn.
In dem Wissen was ihm blüht, geht der Babul, der Kapitän der Verlierermannschaft, auf die beiden zu. Mit gesenktem Haupt und einer Heidenangst die er nicht zeigt. Mutig geht er in die Mitte des Platzes, wo er sich niederkniet und unter den Buhrufen der Zuschauer auf seine Enthauptung wartet. Mit starrem Blick schaut er auf den Boden, er wagt es kaum zu atmen. Er hört wie Kutzkal die Axt entgegen nimmt und ihm stockt der Atem. Das war es jetzt also.
Er schließt die Augen und bereitet sich darauf vor sie nie wieder aufzumachen. Doch erschrocken öffnet er seine Augen wieder, als er ein Geräusch hört. Er schaut zur Seite und sieht die Axt neben ihm im Boden stecken. Der aufgewirbelte Staub legt sich langsam, während er realisiert was gerade geschehen ist.
Die Menge schreit laut und ungehalten und er hört wie Gegenstände auf den Platz geworfen werden. Babul hebt den Kopf und sieht eine Hand. Als er weiter hochschaut, sieht er Kutzkal, der mit einem Lächeln vor ihm steht und ihm die Hand reicht.
Babul versteht immer noch nicht ganz, nimmt aber die Hand und steht auf. Überall um sie herum sieht er aufgebrachte Leute, die ihnen wütend entgegen schreien. Wurde sein Leben gerade verschont?
Er kann keinen klaren Gedanken fassen und lässt sich von Kutzkal einfach mitreißen. Kutzkal führt Babul schnell vom Platz und weg von den wütenden Augen der Zuschauer. Als sie allein sind, schaut Babul Kutzkal fragend an. Er weiß immer noch nicht was gerade geschehen ist und mit seinem Blick sucht er eine Erklärung in Kutzkals Gesicht. Doch der schaut Babul nur erschrocken und verwirrt zurück an. Denn Kutzkal ist klar, dass sie sich dem Willen der Götter widersetzt haben... Und das wird nicht ohne Konsequenzen bleiben.
Kutzkal wird in dem Moment erst klar, dass er nie wieder zurück zu seinem Vater kann. Sein Vater…, was wird wohl aus seinem Vater? Kutzkal hat ihn entehrt, ihn vor den Göttern bloßgestellt. Doch welche Götter… Warum verehren sie immer noch die alten Götter, obwohl sie schon seit Jahrhunderten nicht mehr zurückgekommen sind.
Seine Gedanken schweifen schnell ab. Gerade noch hat er Schuldgefühle seinem Vater gegenüber und schon kommt sein Hass auf die Götter wieder zum Vorschein. So war es schon immer. Egal was geschah, egal über was er nachdachte, immer wieder schweifte er in Gedanken ab. Immer wieder fragte er sich wozu das alles, warum haben die Götter sie erschaffen und sie dann so hilflos zurückgelassen. Viele Legenden hat Kutzkal gehört. Von der Erschaffung der Menschen als Sklaven um in den Mienen zu arbeiten, von der Vereinigung der Sonne und des Mondes und viele andere Geschichten. Manche waren schön anzuhören, aber alle konnten die Fragen in seinem Inneren nicht stillen. Und je mehr unbeantwortete Fragen er hatte, desto wütender wurde er.
Kutzkal will Antworten, die wollte er schon immer. Er will verstehen, nicht zuletzt will er seine eigenen Gefühle verstehen. Babul kann das alles nicht verstehen. Er schaut Kutzkal immer noch entsetzt an und auch ihm dämmern langsam die Konsequenzen. Er hat das Spiel verloren, ist aber noch am Leben. Er sollte glücklich sein noch zu leben, aber was für ein Leben liegt vor ihm. Ein Leben voller Pein und Armut. Sie können nicht mehr zurück. Wo sollen sie hingehen? Wer würde sie jetzt noch aufnehmen? Ein Leben als Ausgestoßene, allein in den Wäldern des Dschungels liegt vor ihnen. Das ist kein Leben, da hätte Babul lieber den ehrenvollen Tod wählen sollen. Ist noch Zeit umzukehren?
Kutzkal sieht Babul an. Er kann seine Gedanken erahnen, doch sagt nichts.
Die beiden machen sich auf den Weg ins Ungewisse und stapfen durch den Urwald bis es dunkel wird. Sie haben kein Ziel und keinen Weg vor sich. Sie schlagen sich ihren Weg durch den undurchdringlichen Dschungel und ihre Hoffnung hier draußen lange zu überleben schwindet mit jedem Schritt. Seit Stunden hat keiner ein Wort gesprochen. Beide starren nur auf den Weg vor sich und haben die innere Hoffnung doch noch einen Weg zu finden, um wieder nach Hause zu können.
Als die Nacht hereinbricht machen die beiden ein Feuer und ruhen sich aus. Immernoch schweigend legen sie sich neben das Feuer und schlafen ein.
Durch einen Knall aufgeschreckt, wacht Kutzkal auf. Die Sterne stehen noch am Himmel, doch sehen sie irgendwie anders aus. Sie sind so milchig und verschwommen, wie ein großer Fluss. Kutzkal schaut sie einfach nur an. Er ist ein wenig verwundert als die Sterne anfangen sich in einer Spirale zu drehen. Immer schneller und schneller, bis sie wie ein Fluss aussehen, der in einer Spirale genau über seinem Kopf zusammenfließt. Die Spirale kommt immer näher auf Kutzkal zu, bis er vor Angst die Augen zumacht. Doch trotz der Angst, empfindet er es ganz normal, wie sich diese riesige Spirale zuerst in seinem 3. Auge dreht und dann langsam auf seinen ganzen Körper ausweitet.
Kutzkal will gerade die Augen wieder öffnen, als er von Babul geweckt wird. Der Tag hat schon angebrochen und Kutzkal öffnet die Augen und sieht in den klaren blauen Himmel.
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