John Henry Mackay - John Henry Mackay - Die Anarchie - Band 157 in der gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski

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John Henry Mackay: Die Anarchie - Band 157 in der gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski: краткое содержание, описание и аннотация

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Der 1864 in der Nähe von Glasgow geborene und 1933 in Berlin verstorbene John Henry Mackay schrieb in Romanform über die sozialen Verwerfungen der kapitalistischen Industriegesellschaft in den 1880er Jahren. Schauplätze sind vor allem London und Chicago. Die von Karl Marx, Friedrich Engels und Ferdinand Lassalle entwickelten sozialistischen, kommunistischen und sozialdemokratischen Konzepte von Sozialisierung und Revolution werden vor dem Hintergrund der sozialen Not in London um 1887 bildreich und detailliert dargestellt. Pierre-Joseph Proudhon, Benjamin Ricketson Tucker, Max Stirner und Michail Bakunin entwickelten Gedanken zum Thema Anarchie, der sich der Romanheld Carrard Auban in seiner lebenslangen Entwicklung verpflichtet weiß. -
Rezession: Ich bin immer wieder begeistert von der «Gelben Buchreihe». Die Bände reißen einen einfach mit. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechslungsreiche Themen aus verschiedenen Zeit-Epochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlicht hat. Alle Achtung!

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Auban lächelte.

– Ja, sagte er, – das können die Ordnungsschreier nicht verstehen, wie vernünftige Menschen zusammenkommen und zusammenbleiben können, um sich ihre gemeinsamen Interessen zu besprechen, ohne dass der Einzelne seine Zugehörigkeit in Rechten und Pflichten auf einem Wisch garantiert erhält. – Aber daraus, dass dieser Versuch nicht misslungen ist, seht ihr doch noch keinen Beweis für die Möglichkeit der Konstituierung der ganzen menschlichen Gesellschaft auf gleichen Grundlagen? Das wäre doch heller Wahnsinn.

– So, das wäre heller Wahnsinn? Wir finden das nicht. Wir hegen diese Hoffnung, beteuerte Trupp hartnäckig.

Auban fiel ein: „Was macht euer Blatt?“

– Es geht langsam. Liest du es?

– Ja. Aber doch nur selten. Ich habe das wenige Deutsch verlernt, das ich auf der Straße hörte.

– Wir redigieren es auch zusammen. Ohne Kommission, ohne Redakteur. An einem Abend der Woche kommen zusammen, die Lust und Zeit haben, und das Eingelaufene wird verlesen, besprochen und zusammengestellt.

– Deshalb ist der Inhalt aber auch so merkwürdig verschieden und uneinheitlich. Nein, hinter einem Blatte muss eine Persönlichkeit stehen, eine volle, interessante Persönlichkeit –

Trupp unterbrach ihn ungestüm.

– Ja, und dann hätten wir wieder das ‚Führertum’. Aus einem Verwalter wird immer ein Regierer – er sah nicht das beistimmende Nicken Aubans – hier im Kleinen, dort im Großen! Unsere ganze Bewegung hat darunter furchtbar gelitten, unter diesem Zentralismus. Wo im Anfang reine Begeisterung war, ist sie in Selbstgefälligkeit aufgegangen; wirkliches Mitgefühl und Liebe in dem Streben, selbst die Retter zu spielen. So haben wir denn all schon oben und unten, die Herde und den Leithammel, auf der einen Seite den Dünkel, auf der anderen Seite gedankenlose und fanatische Nachbeterei der Parteilehren –.

– Aber du hast mich in der Tat völlig missverstanden. Als ob ich je etwas anderes geglaubt hätte! Ich misstraue überhaupt einem jeden, der sich anmaßt, andere vertreten, für andere sorgen und die Verantwortung für anderer Angelegenheiten auf seine eigenen Schultern nehmen zu wollen. Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten und lass mich für die meinen sorgen – das ist ein gutes Wort. Und wirklich Anarchismus.

– Ich bin auch Anarchist.

– Nein, mein Freund, das bist du nicht. Du vertrittst in jeder Beziehung das Gegenteil der wirklich anarchistischen Ideen. Du bist durch und durch Kommunist, nicht nur deinen Ansichten, sondern deinem ganzen Empfinden und Wünschen nach.

– Wer will mir das Recht bestreiten, meine Ansichten anarchistisch zu nennen?

– Niemand. Aber ihr bedenkt nicht, welche unheilvolle Verwirrung entsteht durch das Zusammenwerfen so völlig verschiedener Begriffe. Indessen, warum jetzt über die alte Frage streiten! Komm' am Sonntag. Wir können wieder einmal diskutieren. Weshalb nicht?

– Meinetwegen. Du bist und bleibst ja doch der Individualist, zu dem du geworden bist, seitdem du die soziale Frage ‚wissenschaftlich’ studiert hast! Ich wollte, du wärest noch derselbe, der du warst, als ich dich sah in Paris, mein Lieber!

– Nein, ich nicht, Otto! sagte Auban und lachte laut auf.

Trupp war gereizt.

– Du weißt nicht, was du verteidigst! Ist der Individualismus etwa nicht die Entfesselung aller schmutzigen Leidenschaften des Menschen, des Egoismus vor allem, und hat er nicht all' dies Elend geschaffen, – die Freiheit auf der einen – …

Auban blieb stehen und sah den Sprechenden an. – Heute Freiheit des Einzelnen? Heute, wo wir im kompliziertesten und brutalsten Kommunismus stecken, wie nie vorher? Heute, wo der Einzelne von seiner Geburt an bis zu seinem Tode vom Staat, von der Gemeinschaft mit Beschlag belegt wird? – Geh' die Welt zu Ende und sage mir, wo ich diesen Verpflichtungen entgehen und ich sein kann. Ich will hingehen in diese Freiheit, die ich vergebens gesucht habe, so lange ich lebe.

– Aber deine Ansichten geben der Bourgeoisie nur neue Waffen in die Hand. –

– Wenn Ihr die Waffen nicht selbst gebraucht, die einzigen überhaupt, an die ich noch glaube. Nur dann. – Und sicher: Sie, – diese langsam reifenden Ideen des Egoismus (mit Absicht brauche ich dies Wort) – sie sind in gleicher Weise gefährlich den heutigen Zuständen, wie sie es sein werden, wenn wir in den Hafen des alles beglückenden Volksstaates, in den verdichteten Kommunismus, eingelaufen sind – gefährlicher als all' eure Bomben und alle Bajonette und Mitrailleusen der heutigen Machthaber.

– Du hast dich sehr verändert, sagte Trupp ernst.

– Nein, Otto. Ich habe mich nur selbst gefunden.

– Wir müssen darauf zurückkommen. Es muss sich entscheiden. –

– Ob ich noch zu euch gehöre oder nicht? Das ist doch wohl nur eine Redensart. Denn der Freie – und du willst doch die ganze, unbeschränkte Autonomie des Individuums – kann nur sich selbst gehören.

Sie waren jetzt in Charlotte Street eingetreten, die in ihrer Länge und trüben Dunkelheit vor ihnen lag.

Sie bogen in eine der Nebenstraßen ein, in einen der fast menschenleeren und halb hellen Durchgänge, welche sich östlich nach dem Lärm von Tottenham Court Road hinziehen.

– Wir müssen jetzt deutsch sprechen, sagte Auban in dieser Sprache, die aus seinem Mund ungeübt und fremd klang.

Sie standen still vor einem schmalen, hellangestrichenen Hause. Über der Tür, auf der durch das dahinter flackernde Licht erhellten Scheibe, stand der Name des Klubs.

Trupp stieß schnell die Tür auf und sie traten ein.

* * *

Zweites Kapitel – Die elfte Stunde

Zweites Kapitel – Die elfte Stunde

Am Abend des Freitag in der nächsten Woche fuhr Carrard Auban die endlos lange City Road mit dem Omnibus hinunter. Er saß neben dem Kutscher – einem Gentleman mit Seidenhut und tadellosem Äußeren – und verfolgte ungeduldig die allmähliche Abnahme der Entfernung, welche ihn von seinem Ziele trennte. Er war erregt und missgestimmt. Als der Wagen am Finsbury Square hielt, sprang er schnell ab, eilte das Pavement bis zur nächsten Querstraße hinunter, nachdem er einen orientierenden, prüfenden Blick auf die Lage der Straßen geworfen hatte, und befand sich nach wenigen Minuten an den Treppen von South Place Institute.

Schon von weitem war eine ungewöhnlich starke Menschenansammlung bemerkbar. In Entfernungen von je einigen Schritten standen Polizisten. Die Türen des dunklen, kirchenartigen Gebäudes waren weit geöffnet; als Auban sich mit dem Strom langsam hineindrängte, wechselte er mit einigen Bekannten, die sich dort aufgestellt hatten und die Zeitungen ihres Vereins oder ihrer Richtung verkauften, flüchtige Worte des Grußes. Aus den Antworten sprach öfters Erstaunen oder Freude, ihn zu sehen.

Er nahm mit, was er von den feilgebotenen Blättern erlangen konnte: „Commonweal“ das interessante Organ der Socialist League; „Justice“, das Parteiorgan der Socialdemocratic-Federation; und einige Nummern der neuen deutschen Zeitschrift „Londoner Freie Presse“, dem Unternehmen einer Anzahl deutscher Sozialisten verschiedenster Richtung, welches einen Zentralpunkt ihrer Ansichten bilden und der Propaganda unter dem deutschredenden Teil der Londoner Bevölkerung dienen sollte. Auban kehrte nie von diesen Meetings zurück, ohne die Brusttasche mit Zeitschriften und Pamphleten angefüllt zu haben.

An der inneren Eingangstür wurde die Resolution des Abends verteilt; große, klarbedruckte Quartblätter.

Der Saal war von ziemlich gleicher Breite und Tiefe; an den Wänden zog sich eine breite Galerie hin, die bereits fast gefüllt war. Im Hintergrund befand sich eine mannshohe Empore, auf der eine Anzahl von Stühlen für die Sprecher aufgestellt war. Sie war noch leer. Der Saal machte den Eindruck einer zu kirchlichen Zwecken bestimmten Halle. Darauf deutete auch die Form der Bänke hin.

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