»Niemals!« In Desiths Augen stand der pure Trotz. »Lieber stecke ich mich selbst in Brand, lasse ganze Völker abschlachten und Dynastien den Bach runter gehen, aber ich werde mein Leben von nun an selbst bestimmen, und ich habe beschlossen, nach Hause zurückzukehren! Ihr wollt eine Ehe, einen Bund zwischen Eurem Königreich und dem Reich meines Vaters? Dann vermählt Rick mit einem meiner Brüder, soweit ich weiß, ist mein erst kürzlich entdeckter Halbbruder Männern sehr zugetan. Nehmt ihn und lasst mich bloß damit zufrieden.«
Er lieferte seinen Bruder zu seinem eigenen Vorteil aus. Vynsu wusste nicht, was er davon hielt. Aber immerhin wurde deutlich, dass Desith Derrick lieber an einen anderen verkaufen würde, als sich selbst an diesen zu binden. Er wollte nicht Ricks Gemahl sein, unter keinen Umständen.
Melecay grinste schief. »Er ist nur ein Bastard, ein … Nichts, das man im Wald aufgelesen hat. Davon abgesehen ist diese Unterhaltung reine Zeitverschwendung. Ich lasse dir hierbei keine Wahl, Desith. Du hast gehört, was deine Pflicht ist und was für dich als Anteil am Großen und Ganzen erwartet wird. Ich befehle es dir. Du wirst Derricks Prinzgemahl. Du hast mir einen Eid geleistet, als du ein dummer, liebestoller Junge warst. Trage es gefälligst wie ein Mann und liege mir nicht in den Ohren, sonst trittst du ohne Zunge vor den Altar des Schamanen! Aber glaub mir, du wirst vor den Altar treten!« Er griff mit einer endgültigen Geste zu dem Krug auf dem Tisch und goss sich Met ein.
Desith sah verzweifelt von ihm zu Vynsu, Not und Flehen standen in seinem eisblauen Blick, aber Vynsu konnte nur warnend den Kopf schütteln.
»Du hast es versprochen!« Wuttränen schimmerten in Desiths Augen. »Du hast versprochen, dass du mich nach Hause bringst.«
Vynsu schlug die Augen nieder, er kam sich wieder unheimlich schmutzig vor.
»Vynsu ist nicht in der Lage, solche Versprechen zu geben«, mischte der Großkönig sich ein und knallte den Krug zurück auf den Tisch, nachdem er den Becher randvoll gegossen hatte. »Außerdem, was ist das Versprechen eines Nordmannes wert, Desith Airynn von Elkanasai?« Er lachte dreckig in sich hinein, ergötzte sich regelrecht an Desiths Machtlosigkeit. »Versprechen sind nur etwas für Feiglinge und einfältige Kinder, damit ihnen die Welt nicht so böse und ungeordnet vorkommt. Sie tragen nur zu einem Trugschluss bei. Sie sind nur unsichtbare Ketten, mein Junge.«
Desiths Augen schwammen. »Bastard!«, spie Desith Vynsu entgegen. »Elende, treulose Bastarde. Alle zusammen!« Ehe sie reagieren konnten, schnappte er sich Vynsus Schwert und Dolch vom Tisch. »Niemand befiehlt mir etwas!«
Sie sahen ihm gelangweilt nach, als er über den Stuhl stieg und nach draußen marschierte. Sie machten keine Anstalten, ihn daran zu hindern.
Melecays Thron knarrte, als er sich mit seinem vollen Becher in der Hand wieder zurücklehnte. »Er hat dein Schwert, Neffe«, merkte er an.
»Mhm.« Vynsu rieb sich die Augen mit Daumen und Zeigefinger.
Melecay zog seine Klinge und warf sie scheppernd auf den Tisch. »Halt ihn auf.«
Seufzend erhob Vynsu sich aus seinem Stuhl, nahm Melecays Schwert an sich und folgte ohne Eile dem Tumult, den Desith im Lager anrichtete.
*~*~*
Desith stampfte mit hocherhobenem Haupt durch die Zeltreihen, rempelte Barbaren an, stieß Mägde und Knechte wütend beiseite, während er einen Ausgang aus dieser verdammten Zeltstadt suchte.
Es war ihm gleich, dass sauberes Geschirr wegen ihm in den Dreck fiel, dass Tücher umhergeweht wurden, dass die Mädchen nach Luft schnappten und die Barbaren ihm Prügel androhten. Er ging einfach weiter, hinterließ ein wütendes Chaos dort, wo er hintrat. Er genoss sogar ein wenig die schockierten, fragenden Blicke, die ihm folgten. Einige Weiber hielten ihn wohl immer noch für einen bösen Geist, denn sie wichen ihm aus und verfolgten ihn mit geweiteten, ängstlichen Augen.
Aus einem Grund, den er nicht erklären konnte, gefiel ihm ihre Furcht.
Doch das bewegte ihn sicher nicht zum Bleiben.
Niemals würde er es einfach so zulassen, dass irgendjemand außer er selbst über sein Leben bestimmte. Weder hatte er damals seinem Vater gehorcht, als dieser ihm den Umgang mit Derrick hatte verbieten wollen, noch würde er an diesem Tage sang und klanglos akzeptieren, dass der Großkönig ihn mit Derrick vermählte. Liebe hin oder her, selbst auf die Furcht geschissen, es ging rein ums Prinzip. Er war keine Maid, die von den hohen Herren verschachert werden konnte wie ihnen beliebte, und selbst für eine Frau wäre es eine unsagbare Schande, würde sie dieses Schicksal demütig antreten.
Nicht mit ihm! Er würde sich nicht befehlen lassen, eine Ehe einzugehen, die er nicht aus freien Stücken selbst treffen wollte. Er war keiner dieser naiven, kleinen Geschöpfe, die sich nicht wehren konnten. Es blieb ihm immer eine Wahl, jeder Mann und jede Frau hatten in dieser Position eine Wahl. Treueeide, Pflichten und Gehorsam zum Trotz. Desith war ein freier Mensch, er würde sich nicht zu einem Sklaven machen lassen. Oder zu einem treuen, kleinen Hausfrauchen. Niemals würde er einem anderen Menschen gehören. Niemals.
Und er hatte bereits bewiesen, dass er den Tod einem Käfig vorzog.
Aber dieses Mal würde er nicht allein gehen. Wenn sie ihn zwingen wollten, sollten sie kommen und es versuchen, es würde Blut vergossen werden, wenn sie es darauf ankommen lassen wollten.
Und das wollten sie.
Er erspähte am Ende einer langen Zeltreihe einen Ausgang in der hocherbauten Palisade, direkt neben den Gattern, in die die Pferde gepfercht waren. Ein junger, knackiger Knecht führte zwei wild tänzelnde wunderschöne Hengste am Ausgang vorbei und hatte einige Mühe, die kräftigen Tiere zu bändigen.
Desith ging schnurstracks darauf zu. Sein Blick fixierte die Reisfelder, die im warmen Wind Elkanasais wogten, als winkten sie ihn in die Freiheit. Er wurde immer schneller, sah nur diese Lücke zwischen den spitzgefeilten Baumstämmen, war wie ein Fohlen, das auf ein offenes Gatter zustürmte…
»Na-na!« Ein riesiger Schatten stellte sich ihm in den Weg. Langes Haar, vernarbtes Gesicht, als hätte diese Schweinsfratze einen Klingenhieb mit der Fresse abgefangen. Fettiges, langes Haar in der Farbe von Mohnblumen. »Wo wollt Ihr denn hin, Kaisersöhnchen? Glaub nicht, dass Ihr so einsam hier herumstreifen solltet.« Er zwinkerte widerwärtig. »Nicht ohne ein hübsches Halsbändchen mit einem Glöckchen daran.«
Desith blieb mit gebleckten Zähnen stehen, er brauchte nichts zu sagen, er konnte mit den Augen kontern.
Der Barbar lachte, ein Strohhalm steckte zwischen seinen abgebrochenen Zähnen. Er nahm ihn gelassen raus, während er sich o-beinig wie eine Mauer vor ihm aufbaute, und spuckte auf den Boden. Der Wind strich durch das graue Fell seines kurzen Umhangs, das seine Schultern bedeckte, einen Harnisch trug er nicht, auch kein Hemd, seine behaarte Brust war nackt und überzogen von frischen Kratzern, die dank der dicken Beschaffenheit seiner Haut nur oberflächlich schienen.
»Lasst mich sofort vorbei«, drohte Desith ihm. Das Leder der Scheiden, die er in der Hand hielt, knirschte, als sich sein Griff verstärkte.
Er hätte wissen müssen, dass Melecay nicht nur Vynsu beauftragt hatte, ihn zu bewachen. Vermutlich war dem ganzen Lager eingebläut worden, dass Desith die Palisaden nicht durchschreiten durfte. Er war ein Gefangener. Ein hochrangiger Gefangener, aber dennoch ein Gefangener.
Das würde ihn nicht aufhalten. Und wenn sich das gesamte Lager zwischen ihm und seine Freiheit stellte, es würde ihn nicht aufhalten !
»Geht Beiseite«, betonte Desith ein letztes Mal, »oder bereut es.«
Der Barbar steckte sich lachend wieder den Strohhalm zwischen die Zähne. Im Augenwinkel sah Desith, wie zwischen den Zelten weitere große Schatten heraustraten, die ihn langsam einkesselten. Sie waren nicht auf der Hut, sie waren entspannt, fast gelangweilt. Wie eine Gruppe Wölfe, die ein verletztes Rehkitz einkreiste.
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