Er kannte solche Bilder aus dem Etablissement, das er oft mehrmals wöchentlich besuchte: Zwei nackte Frauen balgten sich auf dem Laken. Nie hätte Edward für möglich gehalten, dass Shannah sich so hemmungslos gebärden konnte. Es war nicht einmal so, dass ihm dieses Liebesspiel nicht gefallen hätte! Er spürte im Gegenteil, dass Erregung in ihm aufstieg. Auf leisen Sohlen entfernte er sich und suchte sein eigenes Zimmer auf.
Nun stand es fest – er würde sich scheiden lassen.
Und Shannah? Sie brach weder in Tränen aus, noch beschimpfte sie ihn, als Edward ihr unter Hinweis auf seine Beobachtung noch am selben Abend die Scheidung antrug, sondern hörte ihm ruhig zu und küsste ihn anschließend auf die Wange.
»Danke, Edward«, sagte sie mit glänzenden Augen. »Und verzeih mir, dass ich dir nicht gestanden habe, wie es um mich steht. Du verstehst – die Etikette verlangte von mir eine herkömmliche Ehe.«
Als Edward seinen Eltern den Entschluss mitteilte, sich scheiden zu lassen, drohte der Vater, ihn zu enterben. Die Mutter zerfloss in Tränen und gefiel sich in einer Ohnmacht.
Einige Monate später wurde die Scheidung ausgesprochen und noch heute erhielt Sir Edward hin und wieder eine Ansichtskarte von Shannah, die – als geschiedene Frau geachteter, denn als ledige – in die High Society aufgestiegen war und ein reiselustiges Leben führte.
Edward war damals, wegen der Scheidung von der engeren Familie mit Nichtachtung bestraft, nach Frankreich gegangen. Dort absolvierte er ein Studium im Wirtschafts- und Bankenwesen und genoss die Liebe so mancher Französin. Er kehrte erst nach mehr als achtzehn Jahren nach England zurück. Die Londoner Börse wurde seine zweite Heimat. Schon damals gelang es ihm öfter, große Gewinne einzufahren. Sein Name war jedem Banker oder Broker bald ein Begriff.
Einmal im Monat besuchte er seine mittlerweile kränklichen Eltern – Pflichten eines wohlerzogenen Sohnes! Dort musste er jedes Mal einen Vortrag über die Unzulänglichkeiten seines Lebens über sich ergehen lassen.
Zum siebzigstem Geburtstag seiner Mutter, er selbst war damals kurz vor der Fünfzig, war auch eine Lady Rosebud geladen. Sie stellte sich ihm als Cousine soundsovielten Grades der Mutter vor. Diese alte Frau war der reinste Jungbrunnen, was ihre Aktivität und ihren Frohsinn betraf. Ihr gelang es, Edward aus der Reserve zu locken und ihm ein Lachen ins Gesicht zu zaubern. Seitdem verbrachte er viele Stunden im Hause der Lady. Sie wurde ihm die Mutter, die er sich immer gewünscht hatte: Gespräche, die von ernstem Charakter waren, unterhaltsame gemeinsame Ausflüge und das Gefühl, daheim zu sein. Eines Tages vertraute Lady Rosebud ihm auch ihr gesamtes Vermögen an. Edward vermehrte es noch um einiges.
Und dann kam ein trüber Tag im Oktober!
Trübe Tage waren zwar in England keine Seltenheit, doch für Sir Edward wurde es ein besonders denkwürdiger Tag. Die Glocke schellte und ein Polizist stand vor der Haustür. »Sir Edward Lindsay?«, fragte er.
Und als der Lord dies bejahte sagte der Polizist: »Lady Rosebud Laurence schickt nach Ihnen.« Auf so förmliche Art und Weise hatte die alte Lady noch nie nach seiner Gesellschaft verlangt.
»Warum ruft sie nicht selbst an?«, fragte er verwundert.
»Sie braucht die Zeit, bis Sie eintreffen, Sir.«
Die Aussage des Mannes ließ an Unklarheit nichts zu wünschen übrig. Seine Haltung signalisierte jedoch, dass er keinesfalls ohne Sir Edward umzukehren gedachte.
Der Lord betrat das Haus einer Sterbenden!
Die Zeit reicht gerade noch aus, um Lady Rosebud Lebewohl für immer zu sagen. Bis zuletzt hielt Edward die Hände der alten Frau in den seinen und sie lächelte, als sie den letzten Atemzug tat.
Ihr Vermächtnis an ihn war dieser Landsitz in Neapel gewesen und ihr gesamtes Vermögen. »Du warst mein Kind, das ich nie haben durfte. Ich danke dir für die schöne Zeit, die du mir geschenkt hast«, hatte sie mit klarer Stimme auf dem Sterbebett gesagt.
Im wunderschönen Rosengarten des Anwesens wurde ihre Urne beigesetzt, das war Teil ihres letzten Willens gewesen. Es hatte lange gedauert, bis Edward verstand, warum sie auf dem Landsitz zur letzten Ruhe gebettet werden wollte.
Hier war die junge Lady Rosebud aufgewachsen und einmal sehr glücklich gewesen. In einem Urlaub auf Ischia hatte sie den Neapolitaner Franco Rossini, einen Musiker, kennengelernt. Sie verliebten sich ineinander und Lady Rosebud brachte eine Tochter zur Welt – Chiara. Doch ebenso wie ihre Liebe musste die junge Adelige auch das Kind verleugnen. Seit damals lebte Lady Rosebud in England. Chiara wuchs bei ihrem Vater in Neapel auf. Der Kontakt zur leiblichen Mutter bestand aus Geldsendungen oder Geschenken. Liebe bekam sie von Sophia, der Frau, die Franco Rossini heiratete, als er begriff, dass Lady Rosebud nie zurückkehren werde.
Mehr als zehn Jahre waren vergangen, seit Sir Edward sich hier niedergelassen hatte. Seit seiner unglücklich verlaufenen Ehe war er nie wieder eine feste Beziehung eingegangen. Sein Stand und nicht zuletzt sein Reichtum erlaubten es ihm, unter vielen schönen Frauen zu wählen.
Vor einigen Jahren hatte er beschlossen, sich aus Altersgründen in Liebesdingen zurückzuhalten. Und gerade da war er Marie begegnet. Ihre Jugend hatte ihn betört, die schön geschnittenen Gesichtszüge, das langen Haar, ihre langen Beine und ihr Busen, von dem er seinen Blick so ungern trennte. Erst waren es nur Gespräche gewesen, dann folgten von seiner Seite Geschenke, zuletzt hatte er ihr ein Angebot gemacht. Und sie hatte es angenommen.
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