PRINZ HEINRICH. Aber wie sollen wir uns beim Aufbruch von ihnen losmachen?
POINS. Wir wollen früher oder später aufbrechen und ihnen einen Platz der Zusammenkunft bestimmen, wo es bei uns steht, nicht einzutreffen; dann werden sie sich ohne uns in das Abenteuer wagen, und sobald sie es vollbracht, machen wir uns an sie.
PRINZ HEINRICH. Ja, doch es ist zu vermuten, daß sie uns an unsern Pferden, an unsern Kleidern und hundert andern Dingen erkennen werden.
POINS. Pah! unsre Pferde sollen sie nicht sehen, die will ich im Walde festbinden; die Masken wollen wir wechseln, wenn wir sie verlassen haben, und hör' du! ich habe Überzüge von Steifleinen bei der Hand, um unsre gewohnte äußre Tracht zu verlarven.
PRINZ HEINRICH. Aber ich fürchte, sie werden uns zu stark sein.
POINS. Ei, zwei von ihnen kenne ich als die ausgemachtesten Memmen, die je Fersengeld bezahlt haben; und was den dritten betrifft, wenn der länger ficht, als ratsam ist, so will ich die Waffen abschwören. Der Hauptspaß dabei werden die unbegreiflichen Lügen sein, die uns dieser feiste Schlingel erzählen wird, wenn wir zum Abendessen zusammenkommen: wie er zum wenigsten mit dreißigen gefochten, was er für Ausfälle, für Stöße, für Lebensgefahren bestanden; und daß er damit zu schanden wird, ist eben der Spaß.
PRINZ HEINRICH. Gut, ich will mit dir gehen: sorge für alles Nötige und triff mich morgen abend in Eastcheap; da will ich zu Nacht essen. Leb wohl!
POINS. Lebt wohl, mein Prinz!
Ab.
PRINZ HEINRICH.
Ich kenn' euch all' und unterstütz' ein Weilchen
Das wilde Wesen eures Müßiggangs.
Doch darin tu' ich es der Sonne nach,
Die niederm, schädlichem Gewölk erlaubt,
Zu dämpfen ihre Schönheit vor der Welt,
Damit, wenn's ihr beliebt, sie selbst zu sein,
Weil sie vermißt ward, man sie mehr bewundre,
Wenn sie durch böse, garst'ge Nebel bricht
Von Dünsten, die sie zu ersticken schienen.
Wenn alle Tag' im Jahr gefeiert würden,
So würde Spiel so lästig sein wie Arbeit:
Doch seltne Feiertage sind erwünscht,
Und nichts erfreut wie unverseh'ne Dinge.
So, wenn ich ab dies lose Wesen werfe
Und Schulden zahle, die ich nie versprach,
Täusch' ich der Welt Erwartung um so mehr,
Um wie viel besser als mein Wort ich bin;
Und wie ein hell Metall auf dunkelm Grund
Wird meine Beßrung, Fehler überglänzend,
Sich schöner zeigen und mehr Augen anziehn,
Als was durch keine Folie wird erhöht.
Ich will mit Kunst die Ausschweifungen lenken.
Die Zeit einbringen, eh' die Leut' es denken.
Ab.
Ein andres Zimmer im Palast.
König Heinrich, Northumberland, Worcester, Percy, Sir Walter Blunt und andere.
KÖNIG HEINRICH.
Zu kalt und zu gemäßigt war mein Blut,
Unfähig, bei den Freveln aufzuwallen,
Und ihr habt mich erkannt: deswegen tretet
Ihr meine Duldung nieder; aber glaubt,
Ich will hinfüro mehr ich selber sein,
Mächtig und furchtbar mehr als meine Art,
Die glatt wie Öl gewesen, weich wie Flaum,
Und der Verehrung Anspruch drum verloren,
Die Stolzen nur die stolze Seele zahlt.
WORCESTER.
Mein Lehnsherr, unser Haus verdient gar wenig,
Daß sich darauf der Hoheit Geißel kehre,
Und jener Hoheit zwar, die unsre Hände
So stattlich machen halfen.
NORTHUMBERLAND.
Gnäd'ger Herr, –
KÖNIG HEINRICH.
Worcester, mach' dich fort, ich sehe dir
Gefahr und Ungehorsam in den Augen.
Wißt, Ihr benehmt Euch allzu dreist und herrisch,
Und niemals noch ertrug die Majestät
Das finstre Trotzen einer Dienerstirn.
Ihr seid entlassen: wenn wir Euren Rat
Und Hülfe brauc hen, woll'n wir nach Euch senden.
Worcester ab.
Zu Northumberland.
Ihr wolltet eben reden.
NORTHUMBERLAND.
Ja, mein Fürst.
Die Kriegsgefangnen, in Eu'r Hoheit Namen
Begehrt, die Heinrich Percy hier, mein Sohn,
Zu Holmedon machte, wurden, wie er sagt,
Auf so entschiedne Weise nicht verweigert,
Als Eurer Majestät berichtet ward.
Neid also oder üble Deutung ist
An diesem Fehler schuld, und nicht mein Sohn.
PERCY.
Mein Fürst, ich schlug nicht die Gefangnen ab
Doch ich erinnre mich, nach dem Gefecht,
Als ich, von Wut und Anstrengung erhitzt,
Matt, atemlos, mich lehnte auf mein Schwert,
Kam ein gewisser Herr, nett, schon geputzt,
Frisch wie ein Bräut'gam; sein gestutztes Kinn
Sah Stoppelfeldern nach der Ernte gleich.
Er war bebalsamt wie ein Modekrämer,
Und zwischen seinem Daum und Finger hielt er
Ein Bisam-Büchschen, das er ein ums andre
Der Nase reichte und hinweg dann zog,
Die, zornig drüber, wenn sich's wieder nahte,
Ins Schnauben kam; stets lächelt' er und schwatzte,
Und wie das Kriegsvolk Tote trug vorbei,
Nannt' er sie ungezogne, grobe Buben,
Daß sie 'ne liederliche, garst'ge Leiche
Zwischen den Wind und seinen Adel trügen.
Mit vielen Feiertags- und Fräuleins-Worten
Befragt' er mich und fodert' unter anderm
Für Eure Majestät die Kriegsgefangnen.
Ich, den die kaltgewordnen Wunden schmerzten,
Nun so geneckt von einem Papagei,
In dem Verdruß und in der Ungeduld
Antwortete so hin, ich weiß nicht was:
Er sollte oder nicht, – mich macht' es toll,
Daß er so blank aussah und roch so süß,
Und wie ein Kammerfräulein von Kanonen,
Von Trommeln schwatzt' und Wunden (beßr' es Gott!),
Und sagte mir, für innre Schäden komme
Nichts auf der Welt dem Spermaceti bei;
Und großer Jammer sei es, ja fürwahr,
Daß man den bübischen Salpeter grabe
Aus unsrer guten Mutter Erde Schoß,
Der manchen wackern, wohlgewachsnen Kerl
Auf solche feige Art schon umgebracht.
Und wären nicht die häßlichen Kanonen,
So war' er selber ein Soldat geworden.
Auf dies sein kahles, loses Schwatzen, Herr,
Antwortet' ich nur lässig, wie gesagt.
Und ich ersuch' Euch, daß nicht sein Bericht
Als gült'ge Klage zwischen meine Liebe
Und Eure hohe Majestät sich dränge.
BLUNT.
Erwägen wir die Lage, bester Herr,
So kann, was Heinrich Percy auch gesagt
Zu solcherlei Person, an solchem Ort,
Zu solcher Zeit, samt allem sonst Erzählten
Gar füglich sterben und nie auferstehn,
Um ihn zu drücken oder zu verklagen,
Wenn er nun widerruft, was er gesagt.
KÖNIG HEINRICH.
Er gibt ja die Gefangnen noch nicht her,
Als nur mit Klauseln und bedingungsweise,
Daß wir auf eigne Kosten seinen Schwager,
Den albern Mortimer, auslösen sollen;
Der doch, bei meiner Seel', mit Fleiß verriet
Das Leben derer, die zum Kampf er führte
Mit dem verruchten Zauberer Glendower,
Des Tochter, sagt man uns, der Graf von March
Seitdem zur Ehe nahm. Soll unser Schatz
Geleert sein, um Verräter einzulösen?
Soll'n wir Verrat erkaufen? unterhandeln
Für Feigheit, die sich selbst verloren gab?
Nein, auf den kahlen Höh'n laßt ihn verschmachten,
Denn niemals halt' ich den für meinen Freund,
Des Mund mich nur um einen Pfennig anspricht
Zur Lösung des abtrünn'gen Mortimer.
PERCY.
Abtrünn'gen Mortimer!
Nie fiel er ab von Euch, mein Oberherr,
Als durch des Krieges Glück. – Dies zu beweisen,
G'nügt eine Zunge für den offnen Mund
So vieler Wunden, die er kühn empfing,
Als an des schönen Severn bins'gem Ufer,
Im einzelnen Gefechte handgemein,
Er eine volle Stunde fast verlor,
Dem mächtigen Glendower stand zu halten.
Dreimal verschnauften sie und tranken dreimal
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