Robert Lorenz
Traumafabrik
Hollywood im Film
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Inhaltsverzeichnis
Titel Robert Lorenz Traumafabrik Hollywood im Film Dieses ebook wurde erstellt bei
Vorspann
What Price Hollywood? (1932)
A Star Is Born (1937)
It Happened in Hollywood (1937)
Sunset Blvd. (1950)
Singin’ in the Rain (1952)
The Star (1952)
The Bad and the Beautiful (1952)
A Star Is Born (1954)
The Big Knife (1955)
The Goddess (1958)
What Ever Happened to Baby Jane? (1962)
Inside Daisy Clover (1965)
The Legend of Lylah Clare (1968)
The Day of the Locust (1975)
The Last Tycoon (1976)
Nickelodeon (1976)
Fedora (1978)
S.O.B. (1981)
Sunset (1988)
Postcards from the Edge (1990)
The Player (1992)
What Just Happened (2008)
The Artist (2011)
Abspann
Literatur
Credits
Impressum neobooks
„Hollywood was another planet. Everything looked different, smelled different, tasted different.“ (Evans, Robert: The Kid Stays in the Picture, New York 2013 [1994], S. 37) Hollywood wurde „Traumfabrik“, Dream factory, getauft, was zu der Aussage von Elia Kazan, dem Regisseur einiger der größten Hollywoodfilme, passt: „Hollywood is […] an art organized as an industry.“ (Kazan, Elia: A Life, New York 1988, S. 250.) „Tinseltown“ ist ein anderer Kosename für die Stadt, in der die größten Filmstudios der Geschichte entstanden und Menschen zu Überlebensgröße anwachsen konnten. Sie entwickelte sich zum Mythos, hat mit extravaganten Kinogebäuden wie „Grauman’s Chinese“ oder dem „Pantages Theatre“ eine faszinierende Architektur hervorgebracht – als Kinos mit ihren palastartigen Ausmaßen noch regelrechte Tempel der Lichtspielunterhaltung waren. Und mit weltbekannten Gesichtern wie jenen von Charlie Chaplin, Marilyn Monroe oder James Dean hat sie eigene Ikonen erschaffen.
Die charismatische Aura Hollywoods entfaltete schon früh ihre Wirkungskraft; so schrieben die Geschwister Erika und Klaus Mann auf ihrer USA-Reise in den späten 1920er Jahren: „Die Atmosphäre von Hollywood hat, bei aller Ödigkeit, viel Faszinierendes, sie zieht an, saugt auf, nimmt gefangen. Man verliert das Gefühl für die Zeit, wie im Zauberberg, sie entgleitet, ohne daß man wüßte, welchen Inhalt sie hatte.“ (Mann, Erika/Mann, Klaus: Rundherum. Abenteuer einer Weltreise, Reinbek bei Hamburg 2017 [Berlin 1929], S. 31.)
Als 1913 der damals 32-jährige Cecil B. DeMille in Los Angeles ankam und in einer gelben Scheune nahe einem Filmlabor sein Quartier aufschlug, gab es dort bereits mehrere Filmbetriebe. Die Jesse L. Lasky Feature Play Company – das Unternehmen von DeMille, Lasky und Samuel Goldfish (der sich später Goldwyn nannte), aus dem wenig später Paramount Pictures hervorging – war allerdings bald schon das älteste noch existierende Studio, da die anderen kleinen Firmen in den üblichen Turbulenzen einer Gründerzeit relativ rasch wieder verschwanden. Hollywood als geografischer Ort, der von dem mentalen, ikonologischen schon bald überstrahlt wurde, war da gerade Los Angeles einverleibt worden.
Die damals noch nahezu kleinstädtisch-ländliche Region lockte mit ihrem einzigartigen Klima und ihrer vielseitigen Topografie die frühen Filmentrepreneur:innen an: „[T]hey had God-given light for more than twelve hours a day, 360 days in the year, as well as every known type of landscape from snow to desert, from arid plains to spectacular mountains and everything in between“ (Olivier, Laurence: Confessions of an Actor. The Autobiography, London 2002 [1982], S. 209), beschrieb der zeitweilige Hollywoodimmigrant Laurence Olivier die örtlichen Vorzüge. „It [Hollywood] was a pleasant, intimate place – everybody knew everybody“ (Allan Dwan zit. nach Bogdanovich, Peter: Who the Devil Made it, New York 1997, S. 81), erinnerte sich Allan Dwan, einer der Regiepioniere. „And it was rural – hardly any traffic to speak of – orange groves and lemon groves everywhere; not many houses and no big buildings. It was just a small town.“ (Allan Dwan zit. nach Bogdanovich 1997, S. 82.) In Windeseile transzendierte Hollywood vom geografischen zum mentalen Ort, wurde zum Synonym für die US-amerikanische Filmbranche, später dann zum Antagonisten unterschiedlichster Strömungen, von der Nouvelle Vague über die British New Wave bis zum New Hollywood- Kino.
Als Ursprungsort weltweit vertriebener Filmunterhaltung eroberte sich Hollywood schnell einen Platz in der Öffentlichkeit. Und ganz konform mit den Gesetzen der modernen Massenmedien fielen die Blicke in dieser Arena vor allem auf die Verfehlungen, die sich das Hollywoodvölkchen regelmäßig leistete. Das in den 1960er Jahren zunächst verbotene, zehn Jahre später wiederaufgelegte Buch „Hollywood Babylon“ von Kenneth Anger war ein boulevardeskes Kompendium teilweise, vermutlich sogar größtenteils ausgedachter Skandalgeschichten, das Hollywood als lasterhaften Ort von maroder Moral zeigte. Blickt man auf die Schilderungen jener Menschen, die in Hollywood gelebt, seine Werte und Gesellschaft hautnah miterlebt haben – Regisseure, Stars, Produzenten –, dann sind es tatsächlich oft Erzählungen von Niedertracht, Leid und Untergang. Viele Hollywoodbewohner:innen kamen aus ärmlichen oder allenfalls bescheidenen Verhältnissen, ehe sie in Los Angeles reich und berühmt wurden. Aber in unzähligen Fällen schien sich ihr privates Unglück lediglich zu verlagern oder aufzuschieben. Die soziale Mobilität, die Hollywood ermöglichte, war jedenfalls oft genug bloß ein Unglücksmoratorium. Eine Zeit lang ließ sich kommod im Reichtum schwelgen, ließen sich die Edeletablissements, Sportwagen und Strandhäuser genießen; aber bei etlichen Stars und Mächtigen überwog doch am Ende das Unheil, folgten Scheidungen, Bankrotte, Selbstmorde.
Hollywood präsentierte sich als abenteuerlicher Möglichkeitsraum, konnte sich aber auch schnell zum mentalen Gefängnis entwickeln, das seinen Insassen freilich eine komfortable Haft gestattete. „In this town, it’s not how you perceive yourself, it’s how others perceive you“ (Robert Aldrich zit. nach Petit, Chris/Combs, Richard: Interview with Robert Aldrich (1977), in: Miller, Eugene L./Arnold, Edwin T. (Hg.): Robert Aldrich. Interviews, Jackson 2004, S. 125–142, hier S. 139), resümierte (und warnte) der Regisseur Robert Aldrich (1918–83), der oft als Hollywoodaußenseiter apostrophiert worden ist, sich dem System mit seinen Zwängen und Routinen, so oft es ging, entzog, aber nichtsdestotrotz dort seine Karriere begonnen und auch für die großen Studios gearbeitet hatte. Einen dieser Zwänge brachte einmal die 1934 geborene Shirley MacLaine, die eine der langlebigsten Hollywoodkarrieren vorzuweisen hat, auf den Punkt: „Everyone in Hollywood wants to be appealing to large masses of people, particularly the bosses.“ (MacLaine, Shirley: My Lucky Stars. A Hollywood Memoir, New York u.a. 1996, S. 126.)
Als eines der traurigsten Beispiele für das Ausmaß von Erfolg und Scheitern dient ausgerechnet der erste Gigant der Filmgeschichte, D.W. Griffith. Der 1875 in Kentucky geborene Regisseur, Sohn eines Südstaatenoffiziers und ehemaliger Fahrstuhlführer in einem Kaufhaus, gilt als einer der einflussreichsten Filmemacher:innen überhaupt, auf seine Projekte gingen bahnbrechende Innovationen zurück, Techniken wie das Close-up, die unmittelbar in das kinematografische Standardrepertoire übergingen. Mit Produktionen wie „The Birth of a Nation“ (1915) erklomm der Film als künstlerisches Werk und Unterhaltungsprodukt ein völlig neues Niveau. Aber gerade Griffith, der Avantgardist des modernen Kinos, war auch eines seiner ersten prominenten Opfer. Bei dem epischen Stummfilmspektakel „Intolerance“ (1916) mit seinen kolossalen Kulissen und tausenden Statist:innen fielen Vision und Größenwahn zusammen. Mitr diesem Film verschaffte sich Griffith zwar Respekt, aber verschuldete sich hoch. Als auch später der Publikumserfolg ausblieb, wollte niemand mehr mit Griffith drehen. Der Regisseur, der die Grundpfeiler des Hollywood eingezogen hatte, das ihn nun fallen ließ, ruinierte sich im Alkohol und starb 1948 als verbitterter Trunkenbold.
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