Als wir im Auto sitzen, essen wir in Ruhe unser Eis auf.
„Ich lasse dich dann am Hauptbahnhof raus. Ist das ok?“
„Ja, das ist super.“
„Wenn du willst, können wir ja nächste Woche nach der Arbeit immer was machen. Wir können ins Kino und zusammen essen gehen. Vielleicht kann ich ja auch ein oder zwei Nächte bei dir übernachten?“, schlägt er vor.
„Klar! Gerne“, antworte ich überrascht. Aus seinem Mund klingt es so selbstverständlich. Als sei es das Normalste der Welt, dass wir mehr Zeit miteinander verbringen und wie kommt er auf die Idee, bei mir zu übernachten? Will er doch mit mir zusammen sein beziehungsweise mich näher kennenlernen oder wieso macht er nun einen auf Beziehung? Mal sehen, was sich ergibt. Ich freue mich auf jeden Fall auf die nächste Woche! Das mit dem Übernachten muss ich allerdings mit meiner Familie abklären. Sollte aber kein Problem sein, denn immerhin durfte der fremde Tindertyp auch bei mir übernachten. Liam kenne ich wesentlich länger und für meine Eltern ist er kein Fremder.
Auf dem Rückweg schreibe ich Toni.
Du fährst schon nach Hause? Das war ja ein kurzes Treffen.
Ja, er hatte leider doch noch einen Termin. Ich vermute, dass er zu seiner Dominafreundin fährt, von der er mir heute erzählt hat.
Seiner was? Freundschaftlich oder geht da etwa mehr?
Er meint freundschaftlich. Sie hat ihm ihren Wohnungsschlüssel anvertraut. Er macht bei ihr sauber und wäscht ihre Wäsche. Und ab und an spielt er den Fahrservice …
Und im Gegenzug bekommt er Sex?
Nein, die beiden haben keinen Sex miteinander. Im Gegenzug bekommt er Schläge … Normalerweise müsste er sie bezahlen. Er darf ja schon die Vorzüge ihres tiefen Vertrauens zu ihm genießen.
Oh, da fühlt er sich bestimmt besonders. Was hat das in dir ausgelöst? Wie fühlst du dich? Auf das Herz hast du ihn nicht angesprochen, oder?
Nichts. Ich habe mich gefreut, dass er mir von ihr erzählt hat. Aber mehr habe ich nicht gefühlt. Es war etwas komisch, zu wissen, dass sie im Auto neben ihm saß … die Vorstellung ist einfach strange. Das mit dem Herzen spreche ich an, wenn ich ihn das nächste Mal nackt sehe.
Du stellst dir auch direkt alles bildlich vor … Aber freut mich, dass du nicht verletzt bist oder enttäuscht. Das zeigt, dass du definitiv nicht in ihn verknallt bist.
Schön, dass du es mir jetzt erst glaubst. :D
Na ja … er will nächste Woche viel Zeit mit mir verbringen nach seiner Arbeit. Und er möchte sogar bei mir übernachten … Schon komisch, oder?
Er scheint dich mehr zu mögen als sie, wenn er so viel Zeit für dich hat. Er hat dich in den letzten Tagen ja schon häufiger nach einem Treffen gefragt … Wollte mit dir auf diese Playparty gehen. Und jetzt will er zu dir nach Hause? Definitiv ist das merkwürdig.
Wahrscheinlich hat er die Nase voll vom Wäschewaschen. ;)
Mir schmeichelt es, dass er sich wohl an meiner Seite fühlt und ich verbringe gerne Zeit mit ihm.
Vielleicht werden wir sehr gute Freunde …
Freunde? Fickfreunde vielleicht, aber nur Freunde? Nein … Mel, das ist nicht möglich. Solltet ihr nicht fest zusammenkommen und er lernt – sollte ein Wunder geschehen – eine Frau kennen, bist du abgeschrieben. Glaube mir.
Ich weiß nicht … Kann gut möglich sein. Aber vielleicht bin ich ihm als Mensch wichtig geworden und es ist mehr als etwas Körperliches. Einen guten Kumpel würde ich mir mehr wünschen als einen Partner.
Wir warten mal die nächste Woche ab. Es bleibt spannend. Würdest du denn mit ihm zusammenkommen wollen, wenn er dich jetzt fragen sollte?
Ich glaube, ich würde nicht Nein sagen, obwohl ich nicht mehr verknallt in ihn bin und ich es mir auch nur schwer vorstellen kann, mit ihm fest zusammen zu sein.
Heißt, du würdest diese Erfahrung schlichtweg mitnehmen wollen?
Das heißt es. Ein „für immer“ gäbe es mit uns bestimmt nicht … Aber ich wüsste gerne, wie es sich anfühlt, mit ihm in einer Partnerschaft zu sein.
Jedes Wochenende bangen, dass er nicht fremdgeht. Klingt vielversprechend …
Ich dürfte ihn bestimmt oft begleiten. Das letzte Mal hat das total viel Spaß gemacht. War ein unvergesslicher Abend.
Ein paar coole Abenteuer würdest du mit ihm mit Sicherheit erleben, aber er würde dich nicht immer dabei haben wollen. Er ist ein Mann und selbst wenn er behauptet, nicht im Mittelpunkt stehen zu wollen … er will es. Er mag das Gefühl, begehrt zu werden. Und wenn du ihn dann siehst, wie er mit anderen flirtet, während du an der Seite stehst, in seinem Schatten, wird es dich triggern. Es wird dich an die Zeit mit David erinnern und du wirst dich scheiße fühlen.
Du bist ganz schön pessimistisch … aber du bist die Stimme, die mich davon abhält, mir alles wieder zu schön zu reden. Die Gefahr ist groß, dass ich manche Fehler erneut begehe. Ich handle in gewissen Momenten aus dem Gefühl heraus, ohne meinen Verstand zu benutzen …
Ich weiß. Obwohl ich dich noch nicht so lange kenne … Ich passe auf dich auf, aber letztendlich wirst du immer die für dich richtigen Entscheidungen treffen und egal, welche Konsequenzen das mit sich ziehen wird, ich bin für dich da!
Toni, ich hab dich verdammt lieb! Du weißt, dasselbe gilt auch für dich. Ich stehe immer hinter dir.
Ich weiß, Mel.
<3
Es ist Freitagabend. Liam hat dank Lars ein Problem und ich fühle mich verantwortlich, ihm zu helfen.
„Papa?“, frage ich mit dem Unterton, dem man sofort anhört, dass ich etwas möchte, von dem ich befürchte, dass er es nicht erlauben könnte.
„Was gibt’s?“ Er schaut von seinem Bildschirm hoch und man sieht in seinem Gesicht, dass er nichts Gutes ahnt. Zu doof, dass Mom das Wochenende über weg ist … Das erste Mal seit Jahren, ist sie alleine unterwegs. Auf einem Seminar. Im Süden Deutschlands. Gerade jetzt, wo ich ihre Unterstützung gebrauchen könnte.
„Liam hat für die Nacht keinen Schlafplatz. Kann er heute bei mir schlafen?“ Ich kenne meinen Vater und weiß, dass wenn er nicht gut drauf ist, er gerne Nein sagt. Und momentan ist eine dieser Phasen.
„Nein. Ich will ihn nicht hier haben.“ Als hätte ich es angezogen …
„Aber damals durfte der Typ, den ihr gar nicht kanntet, doch auch hier schlafen. Warum darf Liam jetzt nicht hier übernachten? Er muss die Nacht sonst im Auto verbringen …“ Ich gebe mir große Mühe, mein Temperament zu zügeln und nicht zu zickig zu klingen.
„Weil ich es nicht will. Ich mag seine Energie nicht.“
„Ich kann mich noch daran erinnern, wie du gesagt hast, dass du ihn magst und ihr habt euch total lange unterhalten …“, gebe ich nicht auf.
„Dennoch will ich nicht, dass er in meiner Wohnung schläft, auf meine Toilette geht und mein Wasser verbraucht!“ Diese Argumentation lässt Wut in mir hochkochen.
„Das ist doch albern. Morgen früh würde er wieder gehen. Du würdest gar nicht mitbekommen, dass er hier war.“
„Nein heißt Nein“, bleibt er stur.
Ohne noch etwas zu sagen, stampfe ich die Treppenstufen hinunter und mache meine Zimmertür so zu, dass man hört, wie scheiße ich das alles gerade finde. Ich fühle mich zurück in meine Pubertät versetzt.
Tut mir leid. Mein Vater will nicht, dass du hier schläfst. Mich pisst das gerade total an. Wird Zeit, dass ich ausziehe!
Hey, kein Ding! Ich will nicht, dass du wegen mir mit deiner Familie streitest. Ich penne dann halt im Auto. Passt schon. Sei froh, dass du nicht alleine bist und keine Mietkosten zu tragen hast.
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