Und wieder einmal träumte ich von eisblauen Augen …
Eine Woche später stand ich verzweifelt vor meinem Kleiderschrank und fand schlicht und ergreifend nichts Passendes zum Anziehen. Es stand die Hochzeit von Lukas‘ bestem Freund Michael an und Lukas und ich waren selbstverständlich eingeladen.
Es war schon eine Weile her gewesen, dass ich Michael das letzte Mal gesehen hatte. Mit unserem letzten Aufeinandertreffen verband ich zudem keine schönen Erinnerungen. Denn dabei handelte es sich um jenen verhängnisvollen Tag in Tante Carolyns Wohnung. Der Tag, an dem Adam versucht hatte mich erneut anzufassen und wiederum der Tag, an dem Logan vollkommen die Kontrolle verloren hatte. Michael war derjenige gewesen, der sofort gewusst hatte was zu tun war und Logan von Adam wegriss.
Er und Logan waren offenbar seit dem College befreundet. Ich ging also davon aus, dass Logan auch auf der Hochzeit sein würde. Einzig und allein dieser Gedanke bereitete mir Angst und ließ mich zugleich erschauern. Einerseits war ich aufgeregt und sehnte mich danach, ihn wiederzusehen. Andererseits aber wusste ich, dass es mir nicht guttun würde. Jede einzelne Sekunde, in der ich mich in seiner Nähe befand, war wie Gift für mein Herz.
So vieles hatte ich in den letzten Monaten durchmachen müssen. Doch ich musste das Positive aus diesen Rückschlägen ziehen. Sie stärkten mich. Und egal wie sehr es mich womöglich aufwühlte, Logan heute gegenübertreten zu müssen, ich würde es überleben.
Seufzend wandte ich mich wieder meinen Kleidern zu. Nach Ewigkeiten des Suchens wurde ich endlich fündig. Ich entschied mich für ein dunkelblaues langärmliges Kleid. Der Rock fiel mir in Falten über die Oberschenkel und endete kurz über den Knien.
Ich entledigte mich meines Bademantels und schlüpfte in das Kleid. Das Ganze rundete ich mit meinen schwarzen Peeptoes ab.
Ich legte noch etwas Make-Up auf. Schlicht, aber ausdrucksvoll. Dann ließ ich mein Smartphone, Portemonnaie sowie auch meinen Lippenstift in meine Clutch gleiten, als Lukas auch schon an die Tür klopfte. Er trug einen dunklen Smoking, der seinen Körper umschmeichelte. Beim Eintreten fuchtelte er fluchend an seiner Fliege herum.
»Brauchst du Hilfe?«, fragte ich schmunzelnd und ging ihm zur Hand.
»Ich hasse diese Dinger«, erwiderte er grimmig und ließ sich nur zu gern von mir helfen.
»So, bitteschön«, ich trat einen Schritt zurück und betrachtete meinen Bruder. »Du siehst gut aus, Luke.«
»Ja, mit dir kann man sich auch sehen lassen.«
Er grinste.
»Idiot«, ich hob eine Braue und schlug ihm spielerisch auf die Brust, konnte mir ein Lächeln allerdings nicht verkneifen.
»Bereit?«, Lukas bot mir seinen Arm an. Ich hakte mich bei ihm ein.
»Bereit.«
∞
Die Trauung fand in einer Kirche, ganz in der Nähe unseres Wohnortes statt. Die anschließende Feier dagegen in einem Hotel. Da Lukas Michaels Trauzeuge war, mussten wir etwas früher dort sein.
Eigentlich sollte Poppy als Lukas‘ Begleitung mitkommen, doch aufgrund ihres Streites hatten sie sich darauf geeinigt, dass Lukas ohne sie teilnahm. Ich wäre froh darüber gewesen, wenn meine beste Freundin hier wäre. Ein bisschen seelische und moralische Unterstützung hätte ich gut gebrauchen können.
Ein paar Minuten später, lenkte Lukas den Wagen auf den Parkplatz der Kirche. Ich warf ihm einen Seitenblick zu. Er wirkte im Grunde wie immer, völlig gefasst und gut gelaunt. Aber ich kannte meinen Bruder. Die momentane Trennung zu Poppy fiel ihm alles andere als leicht und setzte ihm doch mehr zu, als gedacht.
Jetzt hatten die beiden endlich einmal zueinander gefunden und gewagt, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen, kam schon das nächste Problem dazwischen. Nämlich Timmy. Für wen Poppy sich wohl entscheiden würde?
Natürlich wollte ich unter keinen Umständen, dass mein Bruder verletzt wurde. Er hatte es nicht verdient, genauso leiden zu müssen, wie ich es tat. Wenn Poppy allerdings merken sollte, dass ihre Gefühle für Timmy einer Beziehung mit Lukas im Wege standen, dann war es nun mal so. Poppy sollte auch glücklich sein, egal auf wen ihre Wahl schlussendlich fiel.
Unser Auto kam zum Stehen und ehe ich reagieren konnte, öffnete Lukas mir die Tür und half mir beim Aussteigen.
Ich richtete mich auf und schlang den Mantel etwas enger um mich. Trotz der vereinzelten Sonnenstrahlen, die sich durch den wolkenverhangenen Himmel hindurch kämpften, war es furchtbar kalt. Lukas ging zum Kofferraum, um noch ein paar Kleinigkeiten zu holen. Unterdessen sah ich mich schon einmal um.
Ich hob den Kopf und in diesem Moment entdeckte ich ihn. Er stand zusammen mit Michael und David auf dem Parkplatz, ein paar Meter von uns entfernt. Für einen kurzen Augenblick setzte mein Herz aus. Ich hatte das Gefühl, als würde es einfach aufhören zu schlagen.
Ich konnte nicht anders, als ihn aus der Ferne zu mustern. Logan trug einen navy blauen Smoking, der sich, als wäre er maßgeschneidert worden, um seinen athletischen Körper schmiegte. Er war gerade dabei, sich den dazu passenden Mantel überzuwerfen und stellte dessen Kragen hoch, wahrscheinlich um sich vor der Kälte zu schützen.
Das goldene Haar war wie immer völlig durcheinander. Ein paar Strähnen fielen ihm in die Stirn. Mit einer flinken Handbewegung fuhr er sich durchs Haar und brachte die Strähnen wieder an Ort und Stelle zurück. Dann ließ er seine Hände lässig in die Taschen seiner Anzugshose gleiten.
Logan Black sah im Anzug unwiderstehlich aus. Plötzlich fühlte ich einen Stich in der Magengrube. Ich vermisste ihn. Ich vermisste es mit ihm zu reden, mit ihm zu lachen, vermisste seine Nähe. Doch der schlimmste Gedanke war der, dass jede Singlefrau auf dieser Hochzeit genau das tun konnte.
Tja, und zum ersten Mal wurde ich mit einem Gefühl konfrontiert, dass ich in diesem Ausmaß noch nicht gespürt hatte - Eifersucht.
Ich war eifersüchtig auf irgendwelche Frauen, die ich noch nicht einmal gesehen hatte, was völlig kindisch war. Wenn es jedoch um Logan ging, spielten meine Gefühle und Gedanken einfach verrückt. Sie fuhren Achterbahn.
Als hätte er mein Starren bemerkt, hob Logan in diesem Moment den Kopf und sah direkt zu mir rüber. Unsere Blicke begegneten sich. Selbst aus dieser Entfernung konnte ich das stechende Blau seiner Augen erkennen. Ich rechnete bereits damit, dass er sofort den Blick abwenden würde, sich wieder zurückzog, um bloß keine Empfindungen zeigen zu müssen. Doch er tat es nicht. Seine Augen blieben unaufhaltsam auf mir haften.
Das Schließen des Kofferraums ließ mich erschrocken zusammenzucken und riss mich von Logans Blicken los. Stattdessen sah ich zu Lukas, der sich nun ebenfalls umdrehte und seine Freunde ausfindig machte.
Für den Bruchteil einer Sekunde verdunkelten sich seine Züge und sein Gesicht wirkte nachdenklich, wobei seine Augen zu mir wanderten. Ich konnte mir denken, was gerade im Kopf meines Bruders vorging. Zum ersten Mal seit dem Vorfall in Tante Carolyns Wohnung, sah er Logan und mich gemeinsam.
Ich bemühte mich, mir nichts anmerken zu lassen und zwang meine Lippen zu einem Lächeln.
»Können wir?«, fragte ich und ignorierte Lukas‘ scharfsinnigen Blick.
»Klar«, er bot mir erneut seinen Arm dar, aber seine Augen hatten noch immer diesen wachsamen Ausdruck. Ich hakte mich bei ihm unter und gemeinsam gingen wir auf Michael, David und Logan zu.
Der Schnee der letzten Tage war nahezu komplett geschmolzen und der Kies des Asphalts knirschte unter meinen Absätzen. Mit jedem Schritt, den ich Logan näherkam, wuchs meine Anspannung.
Die paar Meter, die Logan und mich noch voneinander trennten, zogen sich ins Unendliche. Es kam mir vor als vergingen Minuten, beinahe schon Stunden, bis wir die drei endlich erreichten. Unterdessen glaubte ich Logans Blicke auf mir zu spüren. Ich traute mich allerdings nicht aufzuschauen.
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