Eva von Kalm - Buchstabenblut

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Folge den grauen Linien in die Welt der Phantastik. Triff Fleder, Schwarzsklaven und tapfere Menschen, die ihr Leben für Gerechtigkeit und Liebe opfern. Lese, wie sich die Natur gegen die Ausbeutung der Menschen erhebt und die Kraft der Schreibfeder Phantasien zum Leben erweckt.

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Buchstabenblut

Eva von Kalm

e-book 063

Erscheinungstermin: 01.12.2019

© Saphir im Stahl

Verlag Erik Schreiber

An der Laut 14

64404 Bickenbach

www.saphir-im-stahl.de

Titelbild: Igor Shaganov

Lektorat: Anke Brandt

Vertrieb: neobooks

Buchstabenblut

Eva von Kalm

Widmung:

Für meinen Mann, der mich durch meine verrückten Ideen begleitet, mich manchmal zügelt, immer anfeuert, anspornt, über mich hinauszuwachsen. Dies ist – wie schon so oft – der glücklichste Tag meines Lebens. Bis jetzt!

Geleitwort:

Eine Kurzgeschichte zu schreiben ist eine Kunst für sich. Eine ordentliche Handlung auf wenigen Seiten zu präsentieren, die unterhaltsam und auch noch spannend ist, gelingt nicht jedem Autor. Mir persönlich fällt das außerordentlich schwer und klappt nur in seltenen Fällen. Umso größer ist die Bewunderung für eine Kunstform, wenn man weiß, wie viel Können sie erfordert. Wer diese Kunst außergewöhnlich gut beherrscht ist Eva von Kalm. Zufälligerweise hältst du ja gerade ihr Buch in Händen und zu dieser Kaufentscheidung kann ich dich nur beglückwünschen. Wenn Eva bei Lesungen aus ihren Geschichten vorträgt, dann hänge ich an ihren Lippen und denke mir: »Ich will mehr hören!« Eva erreicht in kurzer Zeit eine Tiefe in ihren Erzählungen, für die andere Kollegen ein ganzes Buch brauchen. Man nimmt Anteil an ihren Charakteren, wie an einem geliebten Menschen. Umso enttäuschter bleibt man nach einer Lesung zurück, wenn sie die Geschichten nicht zu Ende ließt. Aber eine gute Geschichtenerzählerin verlässt ihre Zuhörer immer mit dem Verlangen nach mehr. In Buchstabenblut überzeugt für mich jede Geschichte auf ihre individuelle Art und Weise. »Der Pfeil«, fühlt sich außerdem wie der Prolog zu einer Buchreihe an, die ich noch gerne lesen würde. (Das soll hier natürlich keine subtile Aufforderung sein, dieses Projekt in Angriff zu nehmen, es ist eher der berühmte Wink mit dem Zaunpfahl.) In den anderen Geschichten bleiben für mich jedoch keine Wünsche offen. Eva bringt den Mut auf, ihre Leser auch mal ratlos, nachdenklich oder selbst bis ins Mark erschüttert zurückzulassen und bricht die Tragik nicht auf ironische oder humoristische Art. Es bleibt mir nichts weiter also dir so viel Freude mit dieser Anthologie zu wünschen, wie ich sie hatte. Von dieser großartigen Autorin dürfen wir weiterhin Phantastisches erwarten.

Lucian Caligo 21.10.2019

Inhaltsverzeichnis

Buchstabenblut

Der Puzzler

Graue Linien

Der Pfeil

Verbrannte Erde

Eine Packung Zeitkapseln

Gott mag keine Mörder

Ilunas Licht

Der Totengräber

Danksagung

Buchstabenblut

Draußen tanzten Frostblumen an den Fensterscheiben, drängten sich aneinander, flüsterten. Erschrocken sah Arjuna auf, rieb sich die müden Augen und drehte den Kopf leicht schüttelnd wieder nach vorne. Wenn es nur endlich warm würde. Ihre Schreibfeder kratzte übers Papier, hinterließ bräunliche Tintenflecke. Wärme, dachte Arjuna. Die Sommersonne brannte erbarmungslos auf die Kreaturen der Erde, schrieb sie versuchsweise und lächelte. Wenn der Winter ihre Welt fest in seinem Griff hielt, bitte sehr, ihr standen viel mehr Welten zur Verfügung, als die, in der ihr Körper lebte. Sie hob das Blatt mit der frisch aufgetragenen braunen Tinte an die Nase und schnupperte, spürte die Hitze, die es versprühte.

Als sie das Papier senkte, ritzte es sie in den Finger. Mühsam unterdrückte sie einen Schrei gefolgt von einer Flut an Worten. Ein Tropfen Blut fiel auf das helle Holz des Tisches unter ihr. Sie kniff die Augen zusammen und sah noch einmal hin. Normales rotes Blut, beruhigte sie sich. Für einen winzigen Augenblick, keine Sekunde lang, hatte sie statt des roten Lebenssaftes Buchstaben zu sehen geglaubt. Mit zitternder Hand legte sie Papier und Feder zur Seite und stand auf. Sie hatte lange nichts gegessen. Von der Anrichte in ihrer sehr dürftig eingerichteten Küche nahm sie sich einen kleinen, in ein Handtuch geschlagenen Kanten Brot. Trocken, wie er war, hätte er sich besser als Entenfutter geeignet, doch sie hatte nichts anderes mehr. Sie stellte sich weiches, frisches Brot vor und biss gierig hinein.

Den Kanten noch nicht ganz verschlungen, setzte sie sich wieder an den Tisch, nahm die Feder in die Hand und tauchte sie ins Tintenfass. Sorgsam las sie den letzten Satz, dann tanzte die Feder elegant übers Papier.

Ein Tropfen, der sich auf dem Papier sammelte und die Tinte leicht verwischte, ließ Arjuna hochfahren. Verwundert rieb sie sich mit dem Ärmel über die Stirn, es war ihr warm geworden. Mit kraus gezogener Stirn schrieb sie die Worte, die durch den Schweißfleck nicht mehr lesbar waren, neu und widmete sich dann eine lange Zeit ihrer Arbeit, wobei die Hitze aus ihrer Geschichte auf sie überzugehen schien.

Nachts schreckte Arjuna plötzlich hoch. Spät ins Bett gegangen, war sie in einen unruhigen Schlaf gefallen und schließlich mit ausgetrockneter Kehle aufgewacht. Zitternd und benommen stand sie auf, um sich ein Glas Wasser zu holen. Das Schlucken tat weh, als hätte sie lange nichts mehr getrunken, und nach den ersten, gierigen Schlucken wurde ihr übel. Nur mit Mühe unterdrückte sie das Begehren ihres Magens, alles hoch zu würgen. Vielleicht war das Brot nicht mehr gut gewesen. Morgen würde sie sich etwas Neues zu Essen besorgen. Ihr Blick fiel auf ihren Schreibtisch. „Und du musst einen Tag warten“, zischte sie ihn an und legte sich erschöpft in ihr Bett. Ihre Wohnung kam ihr schrecklich kalt vor, obwohl ihre Bettdecke nass von ihrem eigenen Schweiß war. Arjuna drehte sie um und zog sie bis zu ihrer Nase hoch. Gut, dass sie so klein war, dass sie komplett ausgestreckt unter der Decke verschwinden konnte. Ihre Lider fielen zu.

Der nächste Tag brachte die gleiche Eiseskälte wie der Tag zuvor und Arjunas Nase lief, als sie aufstand. Sorgsam packte sie sich in mehrere Schichten ihrer Kleidung, fast alles, was sie überhaupt besaß, und legte sich zum Schluss eines ihrer wertvollsten Besitztümer um, einen dicken, braunen Wollmantel. Sie zog die Schublade auf, in der sie ihr Geld verwahrte, und starrte finster auf die wenigen Münzen, die vor ihr lagen. Es war zu lange her, dass sie eines ihrer Bücher verkauft hatte. Sie warf ihrem Schreibtisch einen sehnsüchtigen und zugleich vorwurfsvollen Blick zu und verließ die Wohnung, die Kapuze des Mantels tief ins Gesicht gezogen. Draußen wimmelte es trotz der Kälte bereits von Menschen. Zuerst erschreckte es Arjuna, wie es das immer tat, aber dann beruhigte sie sich damit, dass es nicht anders war als in einer ihrer Geschichten und einmal tief durchatmend passte sie sich dem Strom der Menschen an. Ihr Ziel war die nahe gelegene Bäckerei des Viertels. Als sie den Laden betrat, blickte die Verkäuferin, aufmerksam geworden durch die Ladenglocke, zur Tür und ein seltsamer Gesichtsausdruck huschte über ihr Gesicht. Ein wenig Erstaunen vermischt mit Freude, Besorgnis; mehr, als Arjuna glaubte verdient zu haben.

„Arjuna, ich hab dich lange nicht gesehen, alles in Ordnung?“

Arjuna streifte ihre Kapuze zurück und nickte. „Aber es ist mal wieder nichts mehr da“, gab sie mit vor Kälte belegter Stimme und leicht tropfender Nase zurück.

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