Die richtige Wahrnehmung der Dinge hat sich zu diesem Zeitpunkt schon weitgehend verabschiedet und die Betroffene beginnt verzweifelt nach Antworten zu suchen, warum ihre Beziehung zu einem persönlichen Stressfaktor geworden ist. Das Gefühl, viele Vorgänge innerhalb ihrer Beziehung nicht zu verstehen, verstärkt sich mit der Zeit. Sie fühlt sich wie gelähmt und in Watte gepackt. Das Verhalten ihres Partners kann sie immer weniger einordnen und sie bemerkt, dass sie sich zu ihrem Nachteil verändert hat.
Es ist das gesamte Verhalten des Partners, was irgendwie nicht stimmig wirkt. Einzelne Episoden, die für sich allein stehen, spiegeln nicht das Gesamtbild der Probleme wieder. Spricht die Betroffene über diese Vorkommnisse, wird ihr klar, wie unwirklich ihre Schilderungen auf andere wirken. Sie fragt sich, was diese Partnerschaft so quälend macht und findet selten eine Antwort. Sie liebt ihn eben. Und ihre Liebe hatte so schön begonnen und es gibt immer noch diese wundervolle Tage. Aber irgendwann stellt die betroffene Frau fest, dass ihr Unwohlsein sehr viel mit dem Verhalten ihres Partners zu tun hat.
erlebe ich Partnerschaftsgewalt?
Diese Frage scheint jeder sofort beantworten zu können. Viele lassen die emotionale Gewalt jedoch außen vor und diese kommt häufiger zum Einsatz als gedacht. Bleibt sie in einem normalen Rahmen, ist sie ein Teil unseres Lebens und wirklich niemand kann sich davon frei sprechen. Was ist aber noch hinnehmbares Verhalten und wo beginnt die Gewalt? Diese Frage ist schwer zu beantworten.
Es gibt eine Flut von Listen und Fragebögen, die sich mit der Frage beschäftigen, ob der Mensch tatsächlich dieser Gewaltform ausgesetzt ist. Mit diesem Buch möchte ich deshalb ganz anders an dieses Thema herangehen.
In einer narzisstischen Beziehung spielt eher die Wahrnehmung und die Akzeptanz des Opfers eine große Rolle und diese sollte berücksichtigt werden. Da der aggressive Part manipulativ vorgeht, kann er nämlich vieles abstreiten. Damit wird die emotionale Gewalt automatisch zur Wahrnehmungssache. Da der narzisstische Partner sein missbrauchendes Verhalten strategisch unbemerkt und dennoch perfide einsetzt, um darüber hinaus seine wahren Beweggründe zu verschleiern, ist diese Art der Gewalt schwer einzuschätzen. Hinzu kommt, dass der Aggressor immer wieder Signale setzt, der andere sei schuld an den Problemen innerhalb der Beziehung. So werden die Weichen für weitere Übergriffe gestellt. Der Mensch, der dieses Verhalten ertragen soll, fühlt sich bald klein und unbedeutend.
Sollte dieses ungute Gefühl innerhalb einer Partnerschaft wahrgenommen werden, wird es Zeit intensiver darüber nachzudenken. Stellt man fest, dass das manipulative Verhalten des Partners zum Alltag gehört, stimmt etwas definitiv nicht.
Wenn ein Partner dem anderen immer wieder signalisiert, er sei nicht gleichberechtigt, weil sich seine Wünsche und Vorstellungen falsch anfühlen, verliert die Beziehung an Gleichgewicht. Wer sich immer mehr danach ausrichtet, die Bedürfnisse des anderen zu erfüllen, der verliert vielleicht nicht seinen Partner, aber definitiv sich selbst.
Ein ungesunder Kreislauf setzt sich in Gang: Wer seine eigene Identität verliert, richtet sich unbewusst noch mehr nach dem anderen und macht sich damit abhängig von ihm. Schnell wird er so zu einem Objekt, welches sich beliebig kontrollieren und steuern lässt. Objekte sind austauschbar und so fühlt sich der Mensch auch bald, ohne den genauen Grund dafür zu kennen.
Du bist Ich
Der Narzisst fordert die völlige Gleichschaltung mit seiner Partnerin. Die Anerkennung ihrer Individualität, als Ausdruck ihrer Persönlichkeit, ist für ihn eher hinderlich und wird unterdrückt. So behält er die Kontrolle über das Opfer und somit auch über die Beziehung.
Mit dem Einsatz emotionaler Partnerschaftsgewalt, erhält er, was er benötigt und ihm nutzt: Bestätigung, Aufmerksamkeit und Bewunderung. Der Gedanke, er könne diese Zuwendung auch ohne diesen Umweg erhalten, ist für ihn unrealistisch.
Wegen seinem perfiden Vorgehen hat er deshalb kein schlechtes Gewissen. Im Gegenteil. Seine Bestrebung, jegliche Kritik an seiner eigenen Person auszuschalten und seine Partnerin in seinem Sinne zu beeinflussen, steht für ihn im Vordergrund und empfindet er als sein persönliches Recht. Reagiert die Partnerin nicht wie vorgesehen, soll sie seine Bestrafung klaglos hinnehmen.
Durch seine Schuldzuweisung fühlt der Aggressor sich befugt, andere mit emotionalen Mitteln zu strafen, wenn sich diese – seiner Meinung nach – in minderwertige und fehlerhafte Wesen verwandeln. Die Eigenarten und Einzigartigkeit seiner Partnerin anzuerkennen und zu respektieren, gelingt ihm einfach nicht. Auch die Verantwortlichkeit für sein eigenes negatives Verhaltensmuster, schiebt er manipulativ dem Opfer zu.
Unter diesem Verhalten verbiegt sich die betroffene Frau und benimmt sich zusehends fremdbestimmt. Bald gehört es zu ihrem Alltag, sich dem schwierigen, manchmal schweigsamen und versteckt aggressiven Menschen an ihrer Seite anzupassen. Die Beziehung zu hinterfragen oder den Aggressor in Frage zu stellen, wird immer unwichtiger.
Damit wird dem Missbrauch die Tür geöffnet.
Das gestörte Gleichgewicht
Gewaltspirale in die Abhängigkeit
Diese unterschwellige Gewalteinwirkung kann jeden treffen. Oft ist die Betroffene sogar außerordentlich erfolgreich im Beruf, sie ist selbstbewusst, eine taffe Mutter oder hat ihren ganz eigenen Charme. Oberflächlich deutet nichts darauf hin, dass sie es nötig hätte, sich von einem Partner abhängig zu machen. Da der Narzisst sich selbst als eine grandiose Erscheinung wahrnimmt, möchte er sie natürlich für sich gewinnen. Die Auserwählte wirkt scheinbar genauso perfekt wie er selbst.
Irgendwann stellt er dann entsetzt fest, dass auch sie ihre kleinen Fehler hat und es kommt zu den ersten Ausfallerscheinungen. Plötzlich ist er nicht mehr der smarte Mann, der alle um den Finger wickeln kann. Seine glatt polierte Persönlichkeit bekommt Risse, die er gut zu tarnen versteht.
Mit dem Einsatz von seelischer Gewalt, versucht der Aggressor die Fehler seiner Partnerin zu beheben und beginnt sie umzuerziehen. Natürlich ganz in seinem Sinne. Seine Vorgehensweise ist weder auffällig noch penetrant. Sie ist so angelegt, dass die Partnerin annimmt es wäre ihre eigene Denkstruktur, die sie veranlasst, etwas für die Beziehung zu tun.
Wenn die eigenen Befindlichkeiten jedoch immer wieder neu definiert werden müssen, weil sonst ein gutes Zusammenleben mit dem Partner nicht möglich ist, gerät die Beziehung in eine Schieflage. Die folgenden Beispiele zeigen auf, was der Aggressor mit seinem Verhalten bei seiner Partnerin emotional auslöst.
fehlende Gleichberechtigung
Gleichberechtigung empfindet der Aggressor als anstrengend. Er will informiert sein, um jederzeit auf die Partnerin zugreifen zu können. Selbst möchte er allerdings ein freies und selbstbestimmtes Leben führen. Seiner Partnerin auf Augenhöhe zu begegnen, lehnt er deshalb geschickt ab. Zur Not gibt er seine Ziele als partnerschaftliche Aktivitäten aus, um sich durchzusetzen. Absprachen und Regelungen haben deshalb nur für andere eine Bedeutung, aber nie für ihn selbst.
Kompromisse sind für ihn Fremdwörter und nur wichtig, wenn er selbst einen Nutzen davon trägt. Mit diesem Verhalten nimmt er sich etwas heraus, was er auf der anderen Seite niemals dulden würde. Fühlt er sich selbst nämlich ungerecht behandelt, wirft er jedem sofort Missachtung vor.
Auswirkungen:
Die Beziehung verliert an Gleichgewicht. Immer wieder spüren zu müssen, dass der andere etwas für sich in Anspruch nimmt, was er dir nicht zugesteht, macht wütend.
Die Gründe, für dieses Vorgehen, müssen von dir immer wieder geglaubt werden, was sehr anstrengend für deine persönliche Wahrnehmung ist. Damit diese Beziehung weiterhin bestehen kann, bleibt dir nichts anderes übrig, als den Betrug an dir selbst zu akzeptieren. Das funktioniert natürlich nur auf Kosten deiner Wahrnehmung.
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