1 ...6 7 8 10 11 12 ...20 „Morgen früh musst du unbedingt seine Schwester und die Nichte anrufen, damit sie nachsehen können, ob Markus tatsächlich entführt worden ist“, redete die besorgte Wirtin auf ihren Gatten ein.
„Dem Markus ist alles zuzutrauen!“, lästerte hämisch grinsend der Stammgast mit der roten Nase. Es wurde lange hin und her diskutiert.
„Für heute reicht es! Wir trinken die letzte Runde, dann geht es in die Federn. – Morgen, besser gesagt heute, ist auch noch ein Tag“, erklärte der Hausherr sichtlich geschafft und entließ kurz darauf die Trinkfestesten des Dorfes in die Nacht.
Der nächste Tag.
Wie ein Lauffeuer hatte sich herumgesprochen, dass der Sterngucker von den Alien entführt worden ist.
Die Kommentare der Leute fielen sehr unterschiedlich aus. Die einen meinten:
„Endlich passiert mal etwas“, andere sagten:
„Das geschieht ihm recht“, und die meisten äußerten:
„Ich glaube nicht an so einen Quatsch – Ufos, Alien. Das sind nur Hirngespinste!“
Gegen Mittag hatte der Gastwirt die Nichte von Markus telefonisch erreicht. Er schilderte ihr kurz und knapp, was in der Nacht geschehen war und bat sie, an Ort und Stelle nachzusehen, ob ihr Onkel anwesend sei oder von den Außerirdischen entführt worden ist.
Sie versprach, nach Feierabend ihres Mannes nach Lutter zu fahren. Anschließend würden sie sich in der Gaststätte treffen. Nach dem Telefonat informierte Ramona ihre Mutter, die gleich nebenan wohnte. Diese nahm die Nachricht erstaunlich gelassen entgegen, in sich gekehrt, ohne ein Wort zu sagen.
In der Abenddämmerung fuhren Matthias und Ramona zur Sternwarte. Weder Markus noch Dux waren anwesend. Auch in der Wohnung war niemand anzutreffen. – Es war ihnen klar, dass alles so eingetroffen war, wie er es ihnen angekündigt hatte. Jetzt mussten sie entsprechend seinen Instruktionen schnell handeln.
Sie kochten erst einmal Kaffee und sahen im Kühlschrank nach, was noch vorhanden war. Für eine Abendmahlzeit reichte es allemal.
Während sie gemütlich am Küchentisch saßen, überlegten sie, wie sie vorgehen sollten …
Alles, was jetzt zu tun war, wurde erledigt. Und dann Markus` fahrbarer Untersatz startklar gemacht.
Mit zwei Autos fuhren sie los und hielten vor dem Gasthaus an.
Die mollige, stets gut aufgelegte Wirtin, empfing sie sehr freundlich. Derweil die Frauen miteinander plauderten, staunte Matthias über die neue Innenausstattung der Gaststube. Sie war ganz im Bauernstil gehalten. An den Wänden hingen Jagdtrophäen und großflächige Bildnisse von Jagdszenen, die ein hiesiger Kunstmaler geschaffen hatte.
„Da seid ihr ja!“, begrüßte der in den Gastraum eintretende Chef des Hauses seine bereits erwarteten Gäste.
Sie nahmen zu viert am Stammtisch Platz.
„Was darf ich euch anbieten?“, fragte die Wirtin Marion
„Nur Alkoholfreies, am besten Cola, da bleibt man munter“, antwortete Matthias.
„Das ist ja ein Ding!“, begann Marion die Unterhaltung und trank einen kräftigen Schluck Bier, frisch vom Fass.
„Ich war geschockt!“, erklärte Ramona notgedrungen, mehr oder weniger scheinheilig.
Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort:
„Wir haben in der Sternwarte nachgesehen. Dort ist Markus nicht. In der Wohnung war er auch nicht anzutreffen. Der Hund ist ebenfalls weg. Es könnte schon sein, dass das Ufo beide mitgenommen hat.“
„Berichte uns der Reihe nach, was du in der letzten Nacht erlebt hast“, sagte Matthias zum Gastwirt.
Beim nächsten Glas Bier und einer Zigarette erzählte Waldemar bis ins Detail seine Geschichte …
Danach waren Ramona und Matthias sehr erregt und aufgewühlt, obwohl es sie keineswegs unvorbereitet getroffen hatte.
„Was wollt ihr jetzt machen?“, fragte die Wirtin.
„Abwarten! – Vorsorglich haben wir seine Papiere und einige andere Sachen eingepackt. Wir wissen ja nicht, wann und ob er jemals zurückkommt. Die Sternwarte werden wir regelmäßig aufsuchen und die Wohnung kontrollieren. – Vor Einbrechern ist man nie sicher“, meinte Ramona und erklärte:
„Das Auto nehmen wir mit zu uns.“
Und Matthias fügte hinzu:
„Wenn es nur da steht und nicht gefahren wird, kann man es bald auf den Schrottplatz bringen.“
„Ich würde an eurer Stelle eine Vermisstenmeldung bei der Polizei aufgeben“, riet der Kneiper den Betroffenen.
„Daran haben wir auch gedacht“, sagte Ramona.
„Auf dem Heimweg werden wir die Polizeiinspektion in der Kreisstadt aufsuchen, das erledigen und dich als Augenzeugen benennen“, erklärte Matthias.
„Das könnt ihr! Die Polizisten werden denken, sie haben es mit Spinnern zu tun – aber das macht nichts“, sprach der Gastwirt und ließ noch eine Runde ein.
Als dann fünf krakeelende Jugendliche die Gaststätte betraten, fand das Gespräch ein abruptes Ende. Die auswärtigen Gäste zahlten und verabschiedeten sich. In Heiligenstadt gaben sie eine Vermisstenanzeige auf und waren froh, bald wieder in Westhausen zu sein, ohne dass jemand Verdacht geschöpft hatte …
Tage später wurde der Gastwirt und Jagdpächter Waldemar von der Kriminalpolizei als Zeuge der Entführung vorgeladen.
Er gab das, was er mit eigenen Augen gesehen und am Körper verspürt hatte, zu Protokoll. Mehr konnte er nicht tun. Den Polizeibeamten erging es ähnlich. Sie waren skeptisch, in diesem kuriosen Fall überhaupt etwas ermitteln zu können. – Viel später stellte sich heraus, dass dies die erste Entführung durch Außerirdische im Eichsfeld war, bei der es einen Augenzeugen gab.
Aus zuverlässigen Quellen hatte der Redakteur des Lokalteiles der Tageszeitung von der Entführung erfahren. Ihn interessiertediese Story schon deshalb, weil er den entführten Sterngucker sehr lange persönlich kannte.
Diesem Umstand war es zu verdanken, dass es keine reißerischen Schlagzeilen gab. Es blieb bei einem ausführlichen Zeitungsbericht auf der Lokalseite mit dem Titel:
„Sterngucker von Alien entführt“, und dem Untertitel: „Jäger ist Augenzeuge – Angehörige entsetzt.“
Der Zeitungsredakteur hatte zuvor am Ort des Geschehens den Augenzeugen und die Angehörigen eingehend befragt. Er war bemüht, dass Unvorstellbare so realistisch wie möglich wiederzugeben …
Ein zur selben Zeit stattfindendes Großereignis, das die gesamte Presse, einschließlich Rundfunk und Fernsehen, tagelang beherrschte, trug dazu bei, dass die Entführung im Eichsfeld nur ein lokales Ereignis blieb. – Sicherlich im Sinne des Entführten!
Aber durch den Buschfunk der modernen Kommunikations-mittel wurde die Sternwarte des Markus vorübergehend eine Pilgerstätte für Ufo-Gläubige …
Markus hatte es nicht sehr lange allein ausgehalten, in diesem Ufo-Gefängnis ohne Bewachung.
Er verließ leise den Raum und befand sich auf einem breiten, kalten Korridor, der wie in einem Rundbau entsprechend dem Durchmesser des Ufos gekrümmt war. Als er ziellos diesen Rundgang ohne Fenster und nur mit künstlichem Licht sparsam beleuchtet, entlang schlich, immer auf der Hut, von den Alien entdeckt zu werden, fielen ihm auf der zylindrischen Innenwand außerirdische Hieroglyphen, wie Sanskrit, ins Auge. Sie waren für ihn ein Buch mit sieben Siegeln.
Auffällig war, dass zwischen dem Korridor und der Bordwand des Ufos ein Raum an den anderen gereiht war, Tür an Tür im Kreisrund.
Neben einer schmalen Schiebetür blieb er stehen; denn er hatte Schritte gehört. Da tat sich die Tür auf. Ein mit einem orangefarbenen Overall bekleideter Alien, ein Mann, auf denersten Blick von einem Menschen nicht zu unterscheiden, trat heraus. Es folgte Dux, den er schon vermisst hatte.
Während der menschenähnliche Alien davoneilte, standen sich Markus und Dux regungslos gegenüber. Sie sahen einander tief in die Augen, bis Dux sich abwandte und langsam dem entschwundenen Alien hinterherlief.
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