„Ich hab' die Schnauze voll von deinem Machogehabe“, schrie sie mit überschnappender Stimme.
Er stemmte die Arme in die Hüften und grinste breit. „Himmel noch mal, bloß weil ich ein frisches Hemd...“
„Lass doch deine verdammten Hemden von ihr bügeln!“, schmetterte sie ihm entgegen.
Sekundenlang kreuzten sich ihre Blicke wie Kampfhähne. Wortlos drehte er sich um und verließ Türen schlagend das Haus. Wenig später hörte sie ihn wegfahren.
„Dieser Mistkerl“, keifte Anke vor sich hin und warf achtlos Kleidungsstücke in zwei Koffer.
„Hat eine andere! Ha! Aber ich soll seinen Dreck wegputzen, seine Hemden bügeln und was weiß ich noch alles! Nee, nee meine Junge, da haste dich aber geschnitten. Deine Anke springt nicht mehr, wenn du mit dem Finger schnipst! Deine Anke springt nur noch für sich selbst!“
Eine Stunde später fuhr Anke zur ihrer Freundin. Beladen wie ein Packesel, stand sie an der Eingangstür des riesigen Apartmenthauses. Das Namensschild 'Held', befand sich direkt unter dem Miras.
Ein grimmiges Lächeln umspielte ihren Mund, als sie sich an das Gespräch mit ihrer Freundin erinnerte. Impulsiv fuhr sie rasch wieder nach Hause, stopfte Steffens Hemden und Hosen achtlos in einen riesigen blauen Plastiksack. Listig lächelte sie vor sich hin und stopfte noch ein Dutzend schmutziger Socken und verschwitzter Unterhosen dazu. Nun ging es ihr deutlich besser. Anke packte alles in den Kofferraum und fuhr los.
Kurze Zeit später stand sie wieder vor dem Apartmenthaus. Entschlossen drückte sie auf beide Klingelknöpfe. Sekunden später summte der Türöffner.
Nur nicht nervös werden, sprach sie sich Mut zu, als sie vor der fremden Wohnung stand. Bevor sie noch einmal klingeln konnte, öffnete sich die Tür einen Spaltbreit.
„Sie wünschen?“
Corinna Held, eingehüllt in ein atemberaubendes Negligé stand vor ihr. Sie musterte Anke von oben bis unten, die neben einem riesigen blauen Sack stand.
„Ich bin Steffens Frau!“, kam sie gleich auf den Punkt, zog aus der Manteltasche den Hausschlüssel und drückte ihn der verdutzten Corinna in die Hand.
„Ich weiß, dass Sie mit meinem Mann ein Verhältnis haben!“
„Wie bitte?“
Mit Genugtuung bemerkte Anke das ängstliche Flackern in den Augen der jungen Frau und säuselte: „Sie können Steffen haben, geschenkt sozusagen. Die restlichen Umstände klären unsere Anwälte!“
Sie ließ die fassungslose Corinna einfach stehen, und bemerkte im Weggehen: „Übrigens, Steffen trinkt seinen Kaffee schwarz und er braucht jeden Tag ein frisches Hemd und eine einwandfrei gebügelte Hose!“
Anke schubste den blauen Sack vor Corinnas Füße.
„Ich hab’ ihnen schon mal das Nötigste mitgebracht, damit Sie sich gleich an die Arbeit machen können. Ansonsten steht der Wäschekorb im Wirtschaftsraum und das Dampfbügeleisen gleich daneben! Eine Bügel- oder Putzfrau haben wir leider nicht!“
„Ja... ja sind Sie denn völlig verrückt?“, schnaufte Corinna Held.
„Nö! Bin ich nicht!“, schnitt ihr Anke das Wort ab. „Denn wie heißt ein altes Sprichwort: Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul!“
Sie lächelte hinterhältig und genoss sichtlich Corinna Helds Fassungslosigkeit.
„Ach ja“, setzte Anke noch eins drauf, „stellen Sie Steffen bloß keine Fragen, wenn er schlechte Laune hat! Vor allen Dingen wünscht er morgens keine Ansprache!“
Ungläubig starrte Mira Anke an.
„Du warst tatsächlich bei Corinna?“
Anke nickte.
„Du hast ihr Steffen geschenkt? So richtig mit Geschenkpapier und Schleifchen...?“
„Samt Hausschlüssel, einem riesigen Sack mit Bügelwäsche und seinen dreckigen Unterhosen und einigen brühwarmen Tipps. Was wäre ich seinerzeit froh gewesen, wenn mir meine Schwiegermutter ein paar Ratschläge gegeben hätte!“
Die Freundinnen sahen sich an und brachen in schallendes Gelächter aus.
„Das muss gefeiert werden!“
Mira sprang auf und holte eine Flasche Sekt aus dem Kühlschrank.
Was feiern wir denn?, durchfuhr es Anke, dass meine Ehe zu Ende ist? Sie prostete ihrer Freundin zu und lächelte tapfer.
Wenn Anke abends im Bett lag, kam die Sehnsucht nach ihrem Mann, den sie nach wie vor über alles liebte. Sie scheute sich, zum Anwalt zu gehen, um die Scheidung einzureichen, und er? Seit ihrer Trennung hatte sie ihn nicht gesehen, auch nichts mehr von ihm gehört. Bald waren es siebenundzwanzig Jahre, dass sie zusammen waren.
Anke dachte an ihre Kinder. Regelmäßig rief sie bei ihnen an, hatte aber bisher mit keinem Wort erwähnt, dass sie ausgezogen war.
Wie würden sie reagieren? Wussten sie es vielleicht schon.
Oder hatte es Steffen ihnen schon erzählt?
Erleichtert schloss Anke ihren Schreibtisch ab. Feierabend! Um ein bisschen abzuschalten, schlenderte sie durch die Fußgängerzone. Nach wie vor wohnte sie bei Mira, mit der sie eine fröhliche Wohngemeinschaft bildete.
Auf einmal wurde sie angerempelt. Ein 'So-passen-Sie-doch-auf' lag ihr schon auf der Zunge. Doch sie blickte in ein überaus vertrautes Gesicht. Vor ihr stand Steffen, der sich offensichtlich freute, sie zu sehen.
„Anke! Das ist eine Überraschung! Wollen wir einen Cappuccino trinken?“
Nein, wollte sie sagen.
„Ja, gerne!“, hauchte sie.
Schweigend saßen sie sich gegenüber. Über den Rand der Kaffeetassen musterten sie sich abschätzend.
Anke kam Steffen so verändert vor, so selbstsicher und gewandt. Er musste zugeben, dass sie ihm so viel besser gefiel als früher.
Nach kurzer Zeit war das Eis gebrochen. Sie frischten Erinnerungen auf und plauderten angeregt.
Mein Gott, durchfuhr es Anke, ich liebe ihn ja immer noch.
„Wie wär's mit einem Gläschen Sekt?“, schlug Steffen vor. „Schließlich haben wir uns heute vor siebenundzwanzig Jahren kennen gelernt!“
„Das... das weißt du noch?“, staunte sie.
Er griff nach ihrer Hand.
„Anke, du fehlst mir!“, murmelte er und wand sich wie ein Aal.
„Ich... ich habe einen großen Fehler gemacht! Einfach Mist gebaut!“
„Du hast mich betrogen!“, stellte Anke richtig und ihr Herz fing an zu klopfen.
„Ich brauche dich“, stieß er heiser hervor. „Erst als du nicht mehr da warst...“
„Ich gehe nicht mehr an den Herd zurück!“, unterbrach sie ihn mit fester Stimme. „Ich habe keine Lust mehr, nach deiner Pfeife zu tanzen, nur weil du viel Geld verdienst!“
Entschlossen reckte sie das Kinn in die Höhe und sprach weiter: „Die Arbeit mit Mira macht mir Spaß, fordert mich und ich bin unabhängig! Ich habe mich auch sehr verändert!“
„Ich auch!“
Anke lachte hell auf.
„Doch!“, behauptete er und stimmte in ihr Lachen ein. „Ich bin ein guter Hausmann geworden!“
Spöttisch mustere Anke ihren Mann. Steffen knöpfte sein Jackett auf, deutete stolz auf sein Hemd.
„Selbst gebügelt!“
Anke war nun wirklich buff.
Zärtlich legte Steffen die Hand unter ihr Kinn.
„Ich liebe dich! Du bist die Frau, mit der ich alt werden möchte! Ich wollte immer nur dich! Ich weiß heute nicht mehr, wie es soweit kommen konnte, dass ich mich plötzlich für eine andere interessierte.“
Sie war überwältigt.
„Gib mir noch eine Chance“, bat er leise und sah sie zärtlich an. „Ich werde dir helfen und dich unterstützen, wo immer ich kann! Komm zurück, Anke! Bitte!“
„Ich brauche Zeit“, murmelte sie. „In mir ist so viel kaputtgegangen!“
Betreten nickte er und streichelte über ihre Hand: „Aber ich bekomme noch eine Chance?“
Sie gab keine Antwort, doch das Leuchten in ihren Augen sprach Bände.
Liebe auf den zweiten Blick
Unbändige Wut stieg in Laura hoch, als sie tatenlos zusehen musste, wie auf der anderen Straßenseite ihr Auto auf einen Abschlepplaster verladen wurde.
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