Am 12. Juni 1965 gab das britische Königshaus bekannt, dass die Beatles wegen ihrer Verdienste um die britische Exportindustrie von Königin Elisabeth II. mit dem MBE-Orden ausgezeichnet werden würden. Die Ehrung fand am 26. Oktober 1965 im Londoner Buckingham Palace statt. 4000 Fans und Journalisten harrten vor dem Gebäude aus. Die Hysterie um die Ordensverleihung blieb allerdings nicht ohne Folgen. Vornehmlich Militärs waren es, die ihre jahrzehntelange Pflichterfüllung im Dienste der Krone durch die Verleihung desselben Ordens an eine Popgruppe herabgesetzt sahen und daraufhin ihre MBE-Orden zurückgaben.
Neue Klänge und das Ende der Tourneen (1965–1967)
Am 3. Dezember 1965 veröffentlichten die Beatles die Doppel-A-Seiten-Single We Can Work It Out / Day Tripper und das Album Rubber Soul. Die Stücke der LP (unter anderem Drive My Car, Nowhere Man, Girl und In My Life) lassen erste Anzeichen eines musikalisch-geistigen Reifungsprozesses der Gruppenmitglieder erkennen. Bei Norwegian Wood (This Bird Has Flown) spielte George Harrison auf einer Sitar, einem indischen Instrument, das er während der Dreharbeiten zu Hi-Hi-Hilfe! kennengelernt hatte. Paul McCartney steuerte mit Michelle eine englisch-französische Ballade bei. Zu einigen der Lieder drehten die Beatles erstmals sogenannte „Promotionfilme“, Vorläufer von Musikvideos.
Zur selben Zeit starteten die Beatles ihre sechste und letzte Großbritannien-Tournee (unter anderem mit The Moody Blues als Vorgruppe). Während dieser Tour bestritten sie auch den letzten Auftritt in ihrer Heimatstadt Liverpool am 5. Dezember 1965. Viele ihrer Freunde und Verwandten saßen im Publikum.
Am 1. Mai 1966 standen die Beatles im Rahmen des NME-Poll-Winners-Konzerts zum letzten Mal auf einer britischen Konzertbühne. Einige Aufregung verursachte im Juni 1966 die Veröffentlichung des US-Albums Yesterday and Today. Das Coverfoto zeigte die Beatles inmitten von rohem Fleisch und zerbrochenen Puppen (Butcher Cover). Nach scharfen Protesten aus der Öffentlichkeit wurde die LP zurückgezogen und erschien mit einem neuen Cover. Am 10. Juni 1966 kam die Single Paperback Writer in die Läden.
Vom 24. Juni bis zum 4. Juli 1966 absolvierten die Beatles eine weitere Welt-Tournee, die im Rahmen der BRAVO-Beatles-Blitztournee auch sechs Konzerte an drei Tagen in Deutschland umfasste (München, Essen und – zum letzten Mal am 26. Juni – Hamburg). Für Unfrieden sorgten Proteste von Traditionalisten in Japan, die einen Auftritt der Gruppe im Budōkan, einer vorwiegend der Kampfkunst vorbehaltenen Halle in Tokio, ablehnten. In Manila spielte die Gruppe zwei Konzerte vor insgesamt 80.000 Zuschauern. Die Tour endete mit einem Eklat, als Brian Epstein im Namen der Band eine Einladung der philippinischen Diktatoren-Gattin Imelda Marcos zum Abendessen ablehnte. Während der darauffolgenden hastigen Abreise wurden die Beatles und ihre Mitarbeiter auf dem Flughafen der Hauptstadt von „Sicherheitskräften“ attackiert. Ringo Starr ging nach einem Kinnhaken zu Boden, ein Chauffeur erlitt einen Rippenbruch.
Die Veröffentlichung der LP Pet Sounds durch die Beach Boys spornte Lennon und McCartney zu neuen Höchstleistungen an. Am 5. August 1966 erschien das Album Revolver, mit dem die Beatles in Bezug auf Klang und instrumentale Bandbreite musikalisches Neuland betraten, was einzelne zeitgenössische Kritiker bewog, das Album vorschnell als „Selbstmordwaffe“ des Quartetts abzuwerten. Das Cover des Albums wurde von Klaus Voormann, dem Freund aus Hamburger Tagen, gestaltet. Die langwierig ausgefeilten, teilweise auch unter Drogeneinfluss entstandenen Stücke, darunter Eleanor Rigby, Taxman, Good Day Sunshine, I’m Only Sleeping, For No One und das psychedelisch angehauchte Tomorrow Never Knows, waren aufwendig mit klassischen Elementen und Tonbandschleifen aus dem Studio angereichert worden. Gleichzeitig wurde die populäre Single Yellow Submarine veröffentlicht, ein Kinderlied, das Paul McCartney für den stimmlich etwas eingeschränkten Ringo Starr komponiert hatte. Die Single erreichte in den USA „nur“ Rang 2 der Hitlisten.
Am 12. August 1966 starteten die Beatles in Chicago ihre vierte US-Tournee. Die Vorkommnisse in Asien und die Tatsache, dass durch den enormen Lärmpegel während der Auftritte kaum noch Musik zu hören war, sorgten bei den Gruppenmitgliedern zunehmend für Verdrossenheit. Neue Aufregung entstand durch die Veröffentlichung einer Bemerkung John Lennons aus einem früheren Interview, wonach die Beatles „schon jetzt populärer als Jesus“ wären. Nach nervenaufreibenden Pressekonferenzen, öffentlichen Plattenverbrennungen und Demonstrationen des Ku-Klux-Klans entschloss sich die Gruppe, nicht mehr auf Tournee zu gehen und ihre Arbeit ausschließlich ins Studio zu verlegen. Die Tournee endete am 29. August 1966 mit einem Konzert vor 25.000 Zuhörenden (Eintrittspreis damals fünf US-Dollar) im Candlestick Park von San Francisco.
Im Herbst 1966 gönnten sich die Beatles einen fast dreimonatigen Urlaub, der einen radikalen Imagewandel nach sich zog. John Lennon wurde in Celle, wo er für den Richard-Lester-Film Wie ich den Krieg gewann vor der Kamera stand, der Pilzkopf gestutzt. Die Anzüge der Liveshows gehörten der Vergangenheit an und wurden durch farbenfrohe Kleidung ersetzt. Zudem ließen sich die vier Bandmitglieder einen Schnurrbart stehen.
Allen Trennungsgerüchten zum Trotz begann die Gruppe am 24. November 1966 mit den Aufnahmen für ein neues Album. Am 13. Februar 1967 erschien die Doppel-A-Seiten-Single Strawberry Fields Forever / Penny Lane, auf der sich die Beatles musikalisch-nostalgisch ihrer Heimatstadt Liverpool widmen. Erstmals seit 1963 erreichte die Platte nicht die Spitze der britischen Hitparade, sondern blieb auf Rang 2 stehen, was darauf zurückzuführen ist, dass die Verkaufszahlen der Single durch zwei geteilt wurden, um somit als zwei einzelne Singles in den britischen Charts geführt werden zu können.
Fünf Monate lang arbeiteten Lennon, McCartney, Harrison und Starr in den Abbey-Road-Studios an ihrer LP Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band, die als eines der ersten Konzeptalben in die Musikgeschichte einging. Die unbegrenzt verfügbare Aufnahmezeit ermöglichte es den Beatles, alle Studio-Ressourcen einzusetzen und wochenlang an einzelnen Musik- oder Text-Passagen zu feilen. Es entstanden Stücke wie With a Little Help from My Friends, Lucy in the Sky with Diamonds und When I’m Sixty-Four. An den Aufnahmen zu A Day in the Life wirkte ein 41-köpfiges Orchester mit. Für das Coverfoto ließen sich die Beatles in Kostümen vor einer Bilderwand berühmter Persönlichkeiten (unter anderem Stan Laurel, Mae West, Bob Dylan, Shirley Temple, Aleister Crowley und Marlon Brando) ablichten. Begleitet von großem Medieninteresse wurde Sgt. Pepper am 1. Juni 1967 veröffentlicht.
Peace & Revolution (1967–1968)
Nachdem Bob Dylan die Beatles 1964 mit der Droge Marihuana bekannt gemacht hatte, griffen die Gruppenmitglieder im Laufe der Zeit auch zu stärkeren Drogen. John Lennon und George Harrison waren bereits 1965 mit LSD in Kontakt gekommen. Paul McCartney gab im Juni 1967 während eines Fernsehinterviews öffentlichkeitswirksam bekannt, viermal LSD konsumiert zu haben.
Am 25. Juni 1967 traten die Beatles mit der von Lennon komponierten Friedenshymne All You Need Is Love in der per Satellit weltweit übertragenen BBC-Fernsehsendung Our World Live auf, die von 400 Millionen Zuschauern gesehen wurde. Zu den Gästen in den Abbey-Road-Studios, wo die Aufnahmen stattfanden, gehörten Mick Jagger, Keith Richards, Eric Clapton, Keith Moon und Marianne Faithfull. Die Single All You Need Is Love wurde am 7. Juli 1967 veröffentlicht. Sie brachte die Gruppe beiderseits des Atlantiks an die Spitze der Hitparaden zurück.
Ende Juli 1967 verbrachten die Mitglieder der Beatles mit ihren Frauen einen gemeinsamen Urlaub in Griechenland. Die Idee zum Kauf einer privaten Insel und die damit verbundene Einrichtung eines Aufnahmestudios wurde verworfen, nachdem die griechische Regierung den Besuch zur Touristenwerbung nutzte. Am 19. August 1967 wurde Ringo Starrs zweiter Sohn Jason in London geboren.
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