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Viel Glück in Italien’, hatte der Junge namens Otto gesagt. Das beflügelte ihn. Er malte sich seine Ausrüstung aus. Er sah sich in heldenhaften Kämpfen und auf glanzvollen Festen. Wie mochte das Land jenseits der Alpen wohl aussehen? Ein grenzenloses Leben. Die Vorstellung war einfach unfasslich.
Am Abend erreichten sie die Isenburg. Viele Angehörige der Familie aus den nördlicheren Regionen, die über den Hellweg zurückreisten, unter ihnen Dietrich von Cleve und sein Gefolge, waren mitgekommen. Und so war die Isenburg für ein paar weitere Tage Heimstätte für eine große Zahl von Menschen. Das Gesinde hatte zu ihrer Ankunft bereits alle Unterkünfte und für den Abend ein großartiges Mahl im großen Saal des Palas hergerichtet.
Friedrichs Mutter, Mathilde, hatte an diesem Abend den Vorsitz der Gesellschaft. Sie saß zwischen Friedrich und ihrem Bruder, Dietrich, neben diesem saß Adolf von Altena.
„
Meine liebste Schwester”, begann Dietrich, „als Friedrichs Oheim, möchte ich dir einen Vorschlag machen.“
Er schwieg einen Moment und musterte Mathilde.
„
Als Everhard vor zwei Jahren starb”, fuhr er fort, „habe ich Friedrich als Armiger in meine Dienste genommen, damit er zu einem vollständigen Regenten der Grafschaft heranwächst.”
„
Das ist sehr großzügig von dir gewesen, Dietrich. Und nun?!”, entgegnete Mathilde mit sichtbarer Zurückhaltung aber ruhigem Ton.
„
Durch sein Leben hinter Klostermauern, ist er mit vielen Wissenschaften vertraut. Und das ist gut so. Im sicheren Hafen seiner Knappschaft in meinen Diensten, wurde er für den ritterlichen Stand herangezogen. Was ihm nun noch fehlt, ist der Beweis in der Welt dort draußen.“ Dabei zeigte Dietrich durch eines der Fenster ins Freie.
„
Du meinst wohl, dass er mit deinen Raufbolden in irgendeinem Kleinkrieg Bauern abstechen soll, um Blut zu lecken!”
„
Mathilde“, mahnte Dietrich seine Schwester freundlich. Er kannte die Vorbehalte seiner Schwester gegen jegliche Form von Grobheit.
„
Raufbolde,“ sagte er vermittelnd, „das sind wir mit Sicherheit nicht. Wir sind Ritter Gottes. Wir stehen unter seinem Schutz und wir stechen keine Bauern ab. Nein, ich meine der Junge ist so weit, dass er sich die Ritterschaft verdienen kann.“
Mathilde schaute auf in den rauchgeschwängerten Saal. Die Gesellschaft war in Fahrt gekommen und feierte. Mathilde zog die Augenbrauen hoch und ihr gehobenes Kinn formte eine trotzige Geste, die Dietrich nur zu gut kannte. Adolf suchte verlegen die gedeckte Tafel vor seinen Augen nach Worten ab.
„
Dietrich hat recht, Mathilde“, sagte er dann, „Friedrich und somit unser Besitz ist leichte Beute, für jeden Schurken, wenn er nicht auch mit diesen Wassern gewaschen wird. Wie soll er die Grafschaft verteidigen, wenn er nicht einmal weiß, was es heißt, übers Ohr gehauen zu werden?!”
„
Ich habe heute meinen Mann und vor zwei Jahren seinen Stiefsohn zu Grabe getragen, und ihr sprecht davon, nun auch Friedrichs Leben in Gefahr zu bringen. Die Welt braucht mehr der Gottergebenen, nicht der Krieger!”
„
Mathilde, die Welt ist so, wie sie ist. Sie ist grausam, sie ist gewalttätig. Wenn die Grafschaft nach Arnolds Tod überleben soll, dann braucht sie einen Führer; um das Seelenheil müssen sich andere kümmern. Nur, hier und heute kann Friedrich die Grafschaft nicht übernehmen. Arnolds Tod kam zu früh, Mathilde.”
Mathilde blickte betreten drein.
„
Was habt Ihr vor mit dem Jungen, Dietrich?”, fragte Adolf.
„
Ich werde ihn mit auf den Italienzug nehmen und dem König zur Krönung nach Rom folgen.“
Friedrich spürte, wie die Hitze der Erregung in seinen Kopf stieg.
„
Ich habe dem König meine Aufwartung gemacht und ihm im nächsten Frühjahr in Italien meine Dienste angeboten und...”
„
Du wirst den Jungen mitnehmen? Kommt gar nicht in Frage!”, entrüstete sich Mathilde.
„
Mutter”, meldete sich nun Friedrich zu Wort, der vor Aufregung, auf große Fahrt gehen zu können, förmlich erglüht war.
„
Wie soll ich unsere Rechte durchsetzen, wenn ich uns gegen Bedrohungen von außen nicht verteidigen kann?!“, plapperte er Dietrich und Adolf nach.
„
Man kann nicht alles durch Verhandlungen erreichen. Wenn man nicht drohen kann, dann kann man nichts halten. Das habe selbst ich hinter den Klostermauern erkannt.”
„
Das machen andere. Die Truppen deines Vaters sind gut und unser Heermeister ist ein guter Mann”, wollte Mathilde ihren Sohn ruhigstellen.
Dietrich spürte die Ängste seiner Schwester.
„
Mathilde, so ein Mann ist doch nur ein Werkzeug. Er braucht einen Kopf, der ihm sagt, was er tun soll. Ich spreche auch nicht nur über Hauen, Stechen und Lanzebrechen. Das Geld nimmt eine immer wichtigere Rolle ein, Verhandlungsgeschick und Erfahrung in allen Dingen sind eine weitere Sache. Das kann er unmöglich alles hier bei dir lernen.”
„
Mutter!”, rief Friedrich.
„
Sei still…!”, fauchte Mathilde ihn augenblicklich an.
Ein Moment betretenen Schweigens setzte ein.
„…
Mathilde, überlege es Dir gut. Du kannst mir einen Boten bis Mariä Lichtmess schicken. Danach ist es allerdings zu spät. Und jetzt lasst uns von etwas anderem reden. Morgen steht noch ein anstrengender Tag an.”
Dietrich litt unter der Anspannung, die er von seiner Schwester kannte, wenn sie etwas nicht wollte. Und diese Anspannung begann sich über ihre Tafel hinaus über den ganzen Saal zu legen. Er sah in die betreten Mienen der Tischgesellschaft. Er hob den Arm und rief den Spielleuten zu, „Spielt auf!“
So kam das Gespräch den ganzen Abend nicht mehr auf die ungeklärte Lage der Grafschaft.
Am nächsten Morgen wurde das Erbe Arnolds von Altena an seine Familie übergeben. Adolf von Altena war zwar nicht mehr Erzbischof, aber vollzog er den Akt auch in Abwesenheit seiner Amtswürden. Und, es hätte keinen Besseren für diese Aufgabe geben können. In juristischen Dingen war er beschlagen, wie kein anderer, und bis zum Antritt des Erbes durch Friedrich war er das Oberhaupt der Grafschaft gewesen.
Zu Gunsten der Heiligen Kirche wurden umfangreiche Schenkungen verfügt. Dies aus zwei Gründen. Zum einen um gegen seinen Buhlen, Bruno von Sayn, im Streit um das Erzbistum zu siegen. Zum anderen versprachen die Spenden den vier jüngeren Brüdern Friedrichs – in guter Vorsorge für seine Sippe – den Ausblick auf hohe Kirchenämter.
Nur der Jüngste, Adolf, blieb dem weltlichen Leben erhalten. Er war dem Fräulein von Holte versprochen. Einem Kind mit reichem Besitz, welches ihm den Titel des Herrn von Holte verschaffen sollte. Außerdem erhielt Adolf Pferde und Waffen sowie eine Leibrente zur Sicherung seines persönlichen Auskommens.
Friedrich jedoch folgte Graf Arnold als erster Graf von Altena zu Isenberghe nach. Ihm oblag es nun, den Platz neben seiner Mutter einzunehmen, den sein Vater hinterlassen hatte, ihm oblag es nun, die Herrin und das Land zu schützen. Nun war Friedrich Herr der Grafschaft.
Umso mehr ärgerte es ihn, dass seine Mutter und Oheim Adolf ihn später am Tag von der Unterredung über seine Zukunft im Audienzsaal des Grafen ausschlossen.
Doch Friedrich kannte den hohen Raum, dessen Dach von einem Gewirr aus Balken und Streben gehalten wurde. Vom Turm des Palas aus konnte man über ein kleines Fenster im Giebel in das Innere der Halle gelangen. Es war nicht ungefährlich und Friedrich schaffte es, sich in dem Gebälk einzurichten, als sich die Tür zu dem Arbeits- und Empfangssaal öffnete und seine Mutter gefolgt von Adolf eintrat.
„
Mathilde“, sprach Adolf seine Schwägerin an, „habt Ihr Euch schon Gedanken gemacht, wie Ihr jetzt die Grafschaft führen wollt?”
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