Zu ihrer eigenen Überraschung wurde sie sofort genommen. So kam es, dass sie gleich nach dem Studium bei CCI, Global Computer Inc., einen weltumspannenden amerikanischen EDV Konzern in dessen Wiener Niederlassung anfing. Global Computer baute alle Arten von Computer und Computerzubehör. Die PCs von Global Computer begannen damals gerade den Markt zu überschwemmen. Vera kam in die Rechtsabteilung, wo sie es sofort mit allen Finessen des Vertragsrechtes zu tun bekam und sich mächtig in die Arbeit stürzte.
Wäre da nicht Andi gewesen. Auch er war fertig geworden und hatte als frisch gebackener Diplomingenieur der Raumplanung sofort einen Job bei der Niederösterreichischen Landesregierung bekommen. Sein Jusstudium hatte er schon vorher aufgegeben, da er es nie wirklich gewollt hatte. Ein Doppelstudium und Vera, das sei auch für ihn zuviel, meinte er manchmal scherzhaft. Vera hatte sich dann immer geschmeichelt gefühlt, obwohl es Andi eigentlich gar nicht schmeichelhaft gemeint hatte.
Doch die Stunde der Entscheidung nahte viel schneller als es Vera lieb war. Andi machte ihr auf ganz altmodische Weise einen Heiratsantrag. Er dachte, sie könnten als gut bezahltes Akademikerehepaar ihre Beziehung jetzt mit Trauschein, Ring und Siegel dauerhaft machen. Nachdem er sie in ein elegantes Wiener Restaurant zum Abendessen ausgeführt hatte und sie anschließend in einer Bar gelandet waren, hatte er ganz großartig die Schachtel mit den Ringen aus seinem Jackett gezogen und sie gefragt, ob sie seine Frau werden wolle.
Sein künftiger Dienstort sei Baden bei Wien, gerade die richtige Gegend, um eine gemeinsame Wohnung oder ein Reihenhaus zu erwerben und um eine Familie zu gründen. Mit den Kindern könnten sie ja noch ein wenig zuwarten, bis Vera in ihrem Job besser eingearbeitet sei und in Karenz gehen könne.
Vera wusste nicht, ob sie ja sagen sollte. Es war ihr irgendwie zu schnell gegangen. Sie wollte sich noch nicht binden und bat um Bedenkzeit. Andi war an diesem Abend sehr verständnisvoll und wollte sie zu nichts drängen, aber im weiteren Verlauf des Abends kamen sie dann nicht in die Wohnung von Vera, wie Andi es gerne gewollt hätte, sondern sie trennten sich schon bei der Oper da Vera von dort die U-Bahn nahm. Es war das erste Mal gewesen, dass Vera nach einem Abend mit Andi alleine heimkam.
In der nächsten Zeit fing Andi öfters an, von gemeinsamen Kindern zu sprechen und von den Vorteilen des ehelichen Lebens südlich von Wien in einem Villenviertel. Vera fand währenddessen in ihrer Firmenpost die ersten Termine zu Dienstreisen vor, die sie nach London und Frankfurt führen sollten. Mit einem Säugling am Arm schwer vorstellbar.
Vera wurde es immer klarer, sie wollte kein Leben als brave Hausfrau und Mutter und der Kinder wegen auf die Karriere verzichten. Sie wollte aber auch nicht auf Andi verzichten. Irgendwie liebte sie ihn noch immer, auch wenn sich ihre Gefühle in Bezug auf Andi immer mehr verwirrten. Doch was Andi von ihr verlangte, wollte sie zu diesem Zeitpunkt einfach nicht.
Sie musste sich daher entscheiden. Entweder Andi ja, Kinder gleich und dann zur Oma mit ihnen und ab ins Business. Das schien recht stressig zu werden.
Oder Andi nein, Kinder nein und alleine eine Karriere starten. Die tapfere Karrierefrau ohne Freund und mit langen einsamen Abenden war auch keine verlockende Alternative.
Oder mit Andi und zuerst keine Kinder, aber dann schon. Machte sie Karriere, so konnte sie schwer in Karenz gehen. Hatte sie dann Kinder, kämen die dann zur Oma. Die Oma wurde aber nicht jünger und mit fünfunddreißig die Kinder zur Oma abschieben erschien ihr irgendwie unmoralisch. Da war es doch besser, auf die Kinder ganz zu verzichten. Denn so eine Chance auf Karriere hatte sie wahrscheinlich sobald nicht wieder, dachte sie. Eine Chance auf jemanden wie Andi aber auch nicht.
Wenn er sie wirklich liebte, dann würde er sie verstehen, dessen war sie sich ganz sicher. Sie wollte mit Andi zusammen sein, aber sich nicht binden. Die Villa im Süden Wiens konnte warten. Das Leben in der Stadt gefiel ihr besser. Da draußen im Grünen schien es ihr zu langweilig. Andi würde das sicher verstehen.
Doch er verstand nicht. Er spielte den Beleidigten und meinte, wenn sie ihn nicht wolle, dann eben nicht. Wenn sie seinen Heiratsantrag ablehne, dann zeige sie ihm, dass sie ihn nicht wirklich liebe und ihre Beziehung für sie nur eine vorübergehende Liebschaft sei. Er wolle aber etwas Dauerhaftes im Leben und in der Liebe und wenn sie das nicht wolle, dann ginge er eben ganz.
Was war aus ihrer einstigen Liebe nur geworden. Nachdem jeder seine Sachen aus der jeweils anderen Wohnung geholt hatte, sahen sie sich nicht wieder. Ihre Lebenswege liefen in kürzester Zeit vollständig auseinander. Nur manchmal grübelte Vera darüber nach, weshalb er so stur gewesen war und weshalb sie ihm deswegen nicht wirklich böse war. Aber zurückkehren und ihn fragen, ob der Antrag noch gelte, das ließ ihr Stolz nicht zu und Andi machte auch keine Anstalten mehr, sich bei ihr zu melden.
Seltsamerweise war Vera aber nicht wirklich überrascht darüber, wie Andi sich verhalten hatte. Sie fand das logisch und zu ihm passend. Vera wunderte sich da ein wenig über sich selbst. Woher kannte sie Andi so gut? Woher war damals diese große Vertrautheit gekommen, die sie von Anfang an in ihrer Beziehung gehabt hatten. Sie wusste es nicht, hatte aber immer das Gefühl gehabt, auch er kenne sie viel besser, als es eigentlich möglich sei. Nun waren sie getrennt. Würde sie dieses Rätsel der Liebe je lösen können oder ging es anderen Leuten mit anderen Menschen ebenso, dass sie meinten, sie würden sich viel länger kennen, als es tatsächlich der Fall war. War das nur psychologischer Unsinn, oder steckte doch mehr dahinter?
Der Regen schlug noch heftiger ans Fenster. Hier stand sie nun in Brüssel auf Dienstreise. Sie hatten sich beide entschieden. Nein, sie fühlte sich nicht einsam, nur keine Schwäche zeigen. Seit damals waren drei Jahre vergangen, über Andi war sie hinweg, auch wenn es lange weh getan hatte. Seit einem halben Jahr hatte sie ja auch wieder einen Freund und Michael war schließlich auch ganz nett und lieb zu ihr. Sie liebte ihn zumindest ein wenig. Mit Andi war er natürlich nicht zu vergleichen, aber von diesem Naturburschen aus dem Waldviertel hatte sie nun genug. Michael war Werbefachmann und jemand, der ihrem Lebensstil viel eher entsprach. Er war noch leichtlebiger als Herbert, aber darüber konnte sie noch hinwegsehen. Vielleicht würde sich die Beziehung ja noch entwickeln. Und wenn nicht, dann wollte sie heute nicht daran denken.
Es hatte zwei Jahre gedauert, dann hatte sie ihren Doktor fertig gehabt. Die Trennung mit Andi hatte ihr den nötigen Ehrgeizschub verpasst, neben der Arbeit noch ein Doktorat anzuhängen. Denn ihr Chef hatte ihr versichert, dass in den USA nur ein Titel wirklich zähle, Doktor und sonst nichts. Den Magister könne sie in USA vergessen, wenn sie wirklich Karriere machen wolle.
Ihr Chef hatte recht behalten und war vor einem halben Jahr in Pension gegangen. Sie war seine Nachfolgerin geworden und leitete seither die Rechtsabteilung der Wiener Niederlassung. Dass der ursprünglich geplante Nachfolger zur Konkurrenz gewechselt war, weil die ein besseres Anbot für ihn hatte, war einer der Glücksfälle im Leben, auf die viele Menschen oft ein Leben lang vergeblich warten.
Sie hatte nun vier Juristen unter sich, drei davon mit Doktorat. Ihr alter Chef, Dr. Günther hatte ihr versichert, dass sie nur wegen ihrem gekonnten Auftreten und ihren Managementqualitäten den Leiterjob erhalten habe, die anderen Juristen seien fachlich besser, aber als Chefin der Abteilung sei das für sie ein Vorteil. Er hatte Recht behalten, dieser Umstand half ihr, sich in der Abteilung als Chefin auch durchzusetzen.
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