Verflixt – verflixt – verflixt.
Er sollte sich doch seine Schützlinge anschauen. Oh fuck ... (gleich entschuldigte er sich für diesen Gedanken).
Wie von der Tarantel gestochen machte er sich auf den Weg zu dem genannten Einsatzort.
2. Dezember – Jessica
Irgendwo in einer mittleren Großstadt in Deutschland
Manchmal fühlte sie sich wie der sprichwörtliche Grinch. Die Weihnachtsmusik, die übertriebene Dekoration und der Glühwein an jeder Ecke nervten sie furchtbar.
Der gestrige Tag war fast noch in einer Katastrophe geendet. Musste sie ausgerechnet Tanja ziehen? Die perfekte, überaus nette, selbstsichere Tanja , die von allen geliebt und jeden bewundert wurde. Wie um alles in der Welt sollte sie sich für ebendiese Tanja ein Geschenk einfallen lassen. Ihr Dauerzustand, schien sich auf gefrustet zu fixieren.
Völlig zerschlagen, die Kaffeetasse in der Hand stand sie übermüdet und schlecht gelaunt an ihrem Schreibtisch. Den ganzen Abend hatte sie sich den Kopf zerbrochen, was sie Tanja in ihr Wichtelpäckchen packen könnte. Dass dieses Problem auch noch ihren Tag belastet, machte sie fast biestig.
Tief in ihren Inneren würde sie jetzt ihre Kaffeetasse an die Wand werfen und den ganzen Scheiß Papierkram hinterher. Sie hatte es so satt.
Sabine hatte ihr doch tatsächlich noch die Einladung für die Firmenweihnachtsfeier zukommen lassen. Boar ... Am liebsten hätte sie sie einfach zerrissen und ihr hinterhergeworfen.
Aber nein ... Immer freundlich lächeln, freundlich nicken und „ .... yeeaah ... wie bin ich doch happy “, rufen.
Jessica – reiß dich zusamme n.
Sie brauchte hin und wieder solche kleinen seelischen Ausfälle. Was sollte es. Sie würde auch dieses Weihnachten überleben, genau wie die anderen davor ... Vielleicht werden die nächsten Jahre einfacher.
Einige Minuten tief Luft holen, um sich zu sammeln, dann konnte sie sich wieder auf ihre Arbeit konzentrieren.
Zwei Stunden später wurde ihr Tür erneut aufgerissen, es schien zur Gewohnheit zu werden. Keiner klopft mehr, keiner .... ach ja ... sie vergaß - wer würde schon in der Weihnachtszeit sich darüber einen Kopf machen.
„Jessica, stell dir vor ...“, aufgeregt, wie ein kleiner Kolibri, stürmte Sabine in den Raum. Lief im Zimmer umher und suchte nach Worten.
„Sabine?“ Sie fühlte sich gestört, hatte das mit dem Konzentrieren doch gerade geklappt.
„Oh, ich bin doch so aufgeregt!“ Abrupt blieb sie vor dem Schreibtisch stehen. Jessica starrte sie weiterhin direkt an. Hob leicht die Hände und zuckte nebenbei mit den Schultern, nach dem Motto – nun sag endlich!
„Am Nikolaustag findet doch die Weihnachtsfeier statt ...“, sie schaute Jessica bestätigungsheischend an. Sie murmelte etwas Unverständliches in ihren, nicht vorhandenen, Bart, gestikulierte Sabine aber, weiter zu sprechen.
„Unser Chef hat, da dieses Jahr ein Jubiläum ist – oh, ich habe es schon wieder vergessen ...“, zu theatralisch schlug sie sich an die Stirn.
„Sabine – was hat er ...?“ Jessica überlegte, was es für Mord gab. Oder Totschlag im Affekt – bei nervenden Arbeitskollegen.
„Oh, entschuldige ... Ich verliere zurzeit öfters mal den Faden ... also ... er hat eine unglaublich berühmte Band eingeladen. Dazu noch ein Dutzend wichtiger Bänker, Industrielle und was weiß ich, noch alles. Weißt du was das heißt?“ Voller Vorfreude, mit erhitzten Wangen und hochrotem Gesicht stand sie so da und Jessica nahm ihre Mordgedanken etwas zurück.
„Na sag schon ...“
„Das heißt, wir lernen richtig wichtige Leute kennen! Wir treffen CEOs!“
„Ah ja ... das ist wirklich fantastisch. Wow!“
In Sabines Augen stand jetzt absoluter Unglauben.
„Hast du mir nicht richtig zugehört? Wir treffen wichtige und absolut reiche M ä n n e r !“ Die freudige Erregung ersetzten die ungläubigen Blicke.
Ein mitleidiges kleines Lächeln huschte über ihren Mund.
„Männer ...“, für Frauen war doch eigentlich dieses eine Wort ausschlaggebend. „... wie nett.“
„Oh, Mensch Jessica, nun freu dich schon. Du bekommst nicht nur einen gefüllten Nikolausstiefel, sondern auch noch einen Einblick beziehungsweise Ausblick auf Elitemänner!“
Jessica konnte Sabrinas Laune nicht verderben. Sie war einfach zu berauscht, von der Vorstellung, wichtige Persönlichkeiten aus der Wirtschaft zu treffen. Na fein. Dann sollte sie doch darin schwelgen. Hoffentlich vergaß sie nicht – das die Männer in solchen Positionen niemals treu waren.
Verflixt, sie musste damit aufhören sich darüber Gedanken zu machen. Sie brauchte eine grandiose Idee für ihr anderes Problem. Das da hieß Tanja und Wichtelpäckchen.
Irgendwo in einer kleinen sehr ländlichen Stadt
Die ergebnislose Auseinandersetzung mit seiner Mutter gestern, hatte ihn doch mehr mitgenommen, als gut für ihn war. Seine Flucht führte ihn zu seinem Großvater, der wie immer in der Stube auf seinem Schemel saß und an einem kleinen Holzstück schnitzte. Er brauchte nichts zu sagen, der alte Mann verstand ihn ganz ohne Worte, er wies auf den Stuhl neben sich, zeigte auf einen Stapel Hölzer und konzentrierte sich wieder auf seine Arbeit.
Luke nahm sich sein Messer aus der Hosentasche, suchte sich ein sehr schön gemasertes Stück aus und begann in gleichmäßigen ruhigen Zügen, die Holzspäne nach einander abzuschälen. Bewegung für Bewegung wurde er ruhiger.
„Lass gut sein – Junge“, wie sein Großvater so unverhofft das Wort an ihn richtete, ließ ihn zusammenzucken.
„Wie soll ich denn dem gerecht werden? Sie gibt mir nur bis Weihnachten Zeit! Als ob sie gleich nach den Feiertagen sterben, wöllte!“ Er schnaufte.
„Sie hat Angst!“ Er war wirklich ein weißer Mann, sein Großvater.
„Natürlich hat sie Angst – hätte ich auch, aber muss sie mir solche Aufgaben aufzwingen?“ Er hielt in der Bewegung inne. Jammerte er? Beschwerte er sich? Er konnte es nicht fassen – er hörte sich an, wie ein nörgelnder Teenager an?
„Junge – das ist ihr letzter Wunsch.“ Sachlich richtig. Sie hatte es sich gewünscht. Nicht befohlen. Aber wer schlägt schon einer Todkranken einen Wunsch ab? Er sicherlich nicht. Auch wenn er dafür .... ja, was? Wo sollte er bis Weihnachten eine Frau auftreiben, die ihn auch noch heiraten wollte?
Freilich, er war nicht hässlich – aber mit den heutigen Vorstellungen, von einem attraktiven Mann, konnte er nicht mithalten. Groß – ja, breitschultrig – ja, na und da hörten die Vorzüge auch schon auf. Der Rest war eher Mittelklasse bis unscheinbar. Mit seinem kleinen Bauch hatte er sich mittlerweile angefreundet. Wenigstens der blieb treu. Weder seine körperliche Arbeit, noch hartes Training konnten in bezwingen. Also musste er bleiben.
Durch die viele Arbeit im Freien hatte er auch keine glatte und zarte Haut – er trug einen Dreitagebart und „Creme a la Leder“. Da half auch keine noch so intensive Feuchtigkeitscreme. Und über seine Haare brauchte er gar nicht erst zu reden. Was er an Härte im Gesicht hatte, umso weicher waren seine Haare. Locken die ihn immer lausbubenhaft wirken ließen.
Es mangelte ihn nicht an flüchtigen Bekanntschaften und hier und da eine kleine kurze Liebelei, mehr wollten die Frauen aber auch nicht von ihm. Und er hatte noch keine gefunden, die er für würdig hielt, sie darum zu bitten, bei ihm zu bleiben.
Blöde Situation.
Er hielt das Stück Holz in der Hand und betrachtete es ungläubig! Was um alles in der Welt hat er hier geschnitzt?
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