Mein täglich Brot verdiene ich heute…
Unsere Agentur hatte die Promotiontour für ein neues Buch übernommen. Da es das erste Werk der Autorin war, das Buch aber sehr zeitgeistig, wurde es von einem kleinen Verlag herausgebracht. Unsere Bezahlung erfolgte zu 50% mit Naturalien, also Bücher. Da es nun mal schon da war, wollte ich mir das nicht entgehen lassen.
Titel: Der dressierte Mann ist glücklich
Untertitel: Jedermann ist dressierbar.
Im Zuge der Tour fragte ich sie, wie lange sie schon mit ihrem Partner zusammen sei. Die Antwort kam leise,… ich bin Single.
Man kann ja bekanntlich alle Lebewesen dressieren, von Kanarienvögeln bis zum Löwen. Dazu muss das Lebewesen aber physisch da sein – ohne Löwen, keine Löwendressur.
Die Hauptthesen, jeder Mann will dich ins Bett kriegen, ausgegangen davon dass Frau das auch möchte, weise nachdrücklich darauf hin, dass du momentan an keiner festen Beziehung interessiert bist, und deine Wohnung eine männerfreie Zone ist. So lernst du gleich seine Wohnung kennen, falls er sie nicht mit einer vorhanden Frau teilt und kannst bei Nichterfolg leichter flüchten und stellst ihm nicht schon am Beginn den gefürchteten Beziehungskäfig vor das Fenster.
Lob, Lob und nochmals Lob. Seinen guten Stil, seine Ausdrucksweise, seine Phantasie beim Sex, kleine meisterliche Leistungen der Handwerkskunst – zur Sicherheit reicht es den Stecker der Kaffeemaschine raus zu ziehen. Diese Reparatur schafft dann wirklich jeder Mann. Sehr beliebt ist auch seinen sicheren Fahrstil zu loben, selbst dann wenn er ständig überholt, schimpft und grauenvoll Auto fährt. Regelmäßiges Atmen und Kopfrechnen lässt einem solche Situationen besser überstehen. Der Sinn ist psychologisch begründet – sich selbst erfüllende Prophezeiung.
Männer wollen Distanz, Frauen wollen Nähe. Drehen sie den Spieß um. Wohldosierte Distanz, Nähe als Belohnung. Vergleichbar mit einem Leckerli für den braven Hund. Die Wirkweise ist die gleiche wie bei Tieren, sie machen was wir wollen, glauben aber sie wollen, weil im Unterbewusstsein ist das Leckerli gespeichert.
Unberechenbarkeit, werfen sie Pläne über den Haufen, das macht sie interessant. Negativ könnte man sagen sie sind unzuverlässig, positiv gesagt sind sie jedoch spontan. Sie müssen ein Rätsel bleiben, das er immer wieder lösen möchte.
Meine Schlussfolgerung zu diesem Buch, ein vorangehender Kurs zur emotionalen Tiefpflegerin ist mit Sicherheit von Vorteil. Eine unheilbare Männerallergie macht das Buch fast zum Bestseller.
Ich setze mich nicht gerne allein in ein Cafe, es wirkt oft so, ob man nur darauf wartet einem Mann den Widerhacken in den Nacken werfen zu wollen. Ich wollte nur einen Bevor-dinner-drink oder auch zwei in mich hineinwerfen, einfach um runter zu kommen.
Ich wollte eine kurze Zeit alleine mit dem Menschen verbringen, den ich am meisten liebe – mich. Ich wählte gerade das große rote Telefon zum Universum an, die machen aber scheinbar keine Überstunden, weil just in diesem Moment setzte sich ein fetter Mann mit seinem ebensolchen Kötter ungefragt an meinen „Ich werf alles hin und wird Prinzessin-Tisch“. In diesem Moment springt ein bisher für mich unsichtbares Monster in Form eines Bernhardiners vom Nachbartisch auf die stinkende Flohdacke an meiner Seite. Der Fette neben mir reißt mit affenartiger Geschwindigkeit seine Bierflasche an sich, offensichtlich an solche Szenarien gewöhnt. Mein Amaretto sour hingegen ergießt sich zeitglich über meinen hellrosa Seidenrock, bevor schlagartig die Tischkante auf mein Schienbein kracht. Ich werde nie erfahren, ob Karl-Heinz überlebt hat, oder als ungesundes Leckerli geendet hat, eine Gruppe an Weissmantel-Pinguine sagte, ich glaube wir konnten sie stabilisieren. Warum treten Ärzte immer in Gruppen auf, traut sich einer alleine nicht? Sie starrten mich einiglich an, wie Angehörige die ihre verschütteten Liebsten wiedersehen, nachdem er aus einem tiefen Schacht gezogen wurde. Ich habe eine begründete Abneigung gegen Ärzte, ein echtes Beziehungstrauma – sie äußern immer nur Vermutungen, verkaufen die aber als bare Münze. Bei meiner letzten Operation einer Hammerzehe, sagte einer der Kapazunder zum Jungspund – Kollege sehen sie es als Bastlerhit.
Meine Partnerin Vilma betreute zur gleichen Zeit die Eröffnung eines Kindergartens. Ein neues Konzept, wo die kleinen Lieblinge den ganzen Tag ihre natürliche Entwicklung ausleben sollten, ohne jede Grenze. Da war mir die Büchertour dann doch lieber.
Als Werbeagentur haben wir die Aufgabe das Produkt des Kunden möglichst gut rüberzubringen – basta.
Die Frage einer Zuhörerin beantwortete ich wissend lächelnd mit – das Buch gehört in das Bücherregal jeder Frau, wie eine Zahnbürste in jedes Badezimmer. Ich meinte es auch genau so – in das Regal.
Aber nichts im Leben ist umsonst und obwohl ich diese Frau nicht wirklich bewunderte, weder als Mensch noch für dieses Buch, fiel mir auf, dass sie bei der täglichen Lesung immer total frisch aussah. Obwohl ich auch jeden Abend mitbekam, dass sie den Abend mit einer Flasche Wodka im Hotelzimmer ausklingen ließ. Ihr Leben war in Wirklichkeit genauso beige, wie viele Leben, aber sie schaffte es mindest hier es in nude zu präsentieren – was eigentlich das Gleiche ist.
Konnten gute Gene für diesen Zustand ausreichen oder was war ihr Geheimnis? Bei der nächsten Lesung ging ich in ihr Hotelzimmer um das Rätsel zu lösen. Im Bad fand ich nichts Besonders, Tagescreme, Nachtcreme, Serum – nichts Spezielles, nichts was ich nicht kannte. Ich schaute mich weiter um, da musste doch was sein. Am Nachtkästchen stand ein Ding, dass ich für ein I-Phon oder ein ähnlich elektronisches Ding hielt, daneben lagen Facial Ampullen. Ok, das konnte des Rätsels Lösung sein, die Marke kannte ich nicht. Ich notierte den Namen gleich in mein Papiergedächtnis als mir auffiel das auf dem Elektrokastl der gleiche Schriftzug abgebildet war. Nach der Lesung eilte ich sofort zu meinem Computer und gab den Suchbegriff ein. Es erschienen hunderte Seiten über das Gerät – in 10 Minuten ein gleichmäßig, pralles, strahlendes gesundes Hautbild – ein Sofortlifting. Mir war ganz schlecht, ich konnte mir nicht erklären wieso ich, als totaler Beautyjunkie DAS nicht kannte. Ich wollte das Ding sofort bestellen – da stand überzeugen Sie sich selbst bei einer kostenlosen Probebehandlung bei einem Vertriebspartner in ihrer Nähe. …meine Nerven tanzten Salsa. Scheiss drauf, dann musste ich die Unsymphatlerin eben fragen. Ich konnte das Abendessen kaum erwarten, gleich beim Aperitif sagte ich möglichst zufällig: Ich habe da im Internet etwas Tolles gefunden, haben Sie das schon mal gehört, wo Sie doch so eine schöne Haut haben? Diese sympathische, liebe Frau antwortete ohne Umschweife – ja ich vertreibe das sogar, sie können es gerne zum Einkaufspreis bei mir bestellen. Wenn Sie wollen mache ich Ihnen eine Probebehandlung. Alles im Leben macht Sinn, selbst diese Lesetour.
Als ich nach Hause kam war das Paket schon da und ich startete einen neuen Lebensabschnitt meiner persönlichen Schönheit. Ich war nun auch Partner dieser Firma und wusste zuerst gar nicht wie mir geschah, als ich nach einem Monat eine Gutschrift von 350,- Euro auf meinem Konto sah. Ich halte mich weder für blöd, blauäugig oder geschäftlich unerfahren – sondern dachte einfach an eine Fehlbuchung seitens der Bank. Dennoch rief ich bei der Firma an um die Sache zu klären. Dort teilte man mir mit, dass alles korrekt ist, da ich ja sechs Geräte verkauft habe. Die meinten meine Freundinnen, denen ich natürlich sofort davon erzählt hatte und die das Gerät auch bestellt haben, ergeben diese Provision. War früher mein Einkommen in der Dimension meiner Haarfülle situiert, hatte ich jetzt quasi den Afrolook erreicht.
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