Ja.
Und dann?
Was dann? Abends bin ich mit meiner Frau ins Residenz- Theater. Und ehe Sie wieder dumme Fragen stellen: da war immer noch Schabbat.
Sie fanden es aber nicht nötig, gleich nach Hause zu kommen?
Nein warum auch. War doch gar kein Anlass. Nur weil ein paar Leute Bauchschmerzen haben. Was glauben Sie wohl, wie viel Bauchschmerzen ich bei dieser Gemeinde habe. Da kommt auch keiner bei mir vorbei.
Aber immerhin ist ein Todesopfer zu beklagen.
Haben Sie nun auch wieder Recht. Aber erst hinterher. Da war ich natürlich wieder da.
Herr Levy, gleich nachdem eine Vergiftung als Todesursache festgestellt worden war, haben wir die Küche in Ihrer Synagoge versiegelt und momentan sind Beamte der Spurensicherung damit beschäftigt, Hinweise auf eine Quelle des Giftes zu finden. Sie können Ihre Küche aber schon demnächst wieder in Betrieb nehmen, weil wir alles, was uns verdächtig vorkommt, einfach mitgenommen und ins Labor gebracht haben.
Ja, das geht schon klar. Meinetwegen können Sie die Küche auch für ein paar Wochen ganz dicht machen. Dann sehen die Leute endlich mal, was die Gemeinde Ihnen an jedem Schabbat so bietet und sie werden vielleicht etwas Demut lernen. Aber das werden wir denen ohnehin in den kommenden vier Jahren noch beibringen müssen.
Wie soll ich das verstehen, Herr Levy?
Wir haben doch Gemeindewahlen am nächsten Sonntag. Ich glaube in diesem Laden muss noch eine Menge passieren. Das habe ich mir jedenfalls für die neue Legislaturperiode vorgenommen. Aber ich will Sie mit diesem Gemeindequark nicht langweilen.
Also ein gezielter Anschlag auf eine bestimmte Person ist das ja wohl nicht gewesen, sinnierte Parnas in einem Gespräch mit seinem neuen Kollegen Kleinschmidt. Dann hätte der Täter ja wohl nicht versucht, die halbe Beterschaft in der Synagoge zu vergiften ohne wenigstens sicher sein zu können, dass sein Opfer auch unter denen Vergifteten ist.
Es kann aber auch andersherum gewesen sein, Herr Parnas, der Täter hat seinen Anschlag breit angelegt, um Rückschlüsse zwischen Täter und Opfer zu erschweren.
Möglich ist das schon Kleinschmidt, aber die verabfolgte Giftmenge hätte doch in keinem Fall ausgereicht, um einen halbwegs gesunden Erwachsenen umzubringen. Den armen Kamenetzky hat es doch nur erwischt, weil der sowie schon halb über den Damm war. Der hätte genauso gut auch in der nächste Woche von ganz alleine den Löffel abgeben können. So gesehen war das eigentlich ein Zufallstreffer.
Aber denn wer kann denn ein Interesse daran haben, so viele Leute zu vergiften?
Ich bin zuversichtlich, dass wir es herausfinden werden.
Was war das überhaupt für ein Anlass, bei dem mehrere Menschen das Arsen gefuttert haben?
Das war ein Kiddusch
Ein was?
Ein Kiddusch. Das ist so eine Art Brunch im Anschluss an einen Gottesdienst.
Gottesdienst mit Brunch?
Jepp.
Und wann immer?
Jeden Samstag, und noch an einigen anderen Tagen des Jahres.
Und das kostet Eintritt?
Nein.
Alles umsonst?
Jepp.
Nicht schlecht. Ich werd' Jude.
Na dann viel Glück!
Und wo kommen die Lebensmittel her?
Keine Ahnung. Das meiste kochen die wohl selbst. Einzelheiten werden wir bestimmt noch im Laufe der Woche herausbekommen. Für heute Nachmittag um vier haben wir zunächst mit dem Pächter der Küche einen Termin. Mal sehen was der so sagt.
Guten Tag Herr Schimatzky. Ich darf mich vorstellen: Parnas, Oberkommissar bei der Mordkommission und das ist mein Kollege Kommissar Kleinschmidt.
Angenehm. Schimatzky. Ich bin der Pächter der Küche. Aber Mordkommission? Sie glauben an ein Tötungsdelikt bei dieser Vergiftungssache beim letzten Gemeindekiddusch?
Momentan ist es für Spekulationen noch viel zu früh. Das wird sich alles in den nächsten Tagen erst ergeben. Herr Schimatzky, zunächst mal eine Frage, die Ihnen vielleicht unpassend erscheinen mag. Aber sind Sie auch Mitglied in der Jüdischen Gemeinde?
Nein. Ich bin ja auch nicht jüdisch. Mein Name lässt vielleicht etwas anderes vermuten.
Und trotzdem sind sie Pächter der Küche?
Ja, warum denn nicht?
Wir haben die Vorstellung, sie mag irrig sein, dass die Jüdische Gemeinde nur oder wenigstens überwiegend jüdische Mitarbeiter hat.
Das ist nicht richtig. Nicht einmal in der Verwaltung ist das meines Wissens so. Aber die Küche wurde ganz normal ausgeschrieben und nach der Bundeskantinenrichtlinie fremd vergeben.
Nach der was?
Bundeskantinenrichtlinie. Eigentlich heißt es Richtlinien für Kantinen bei Dienststellen des Bundes . Nach deren Grundsätzen werden die Vergabe und der Betrieb geregelt. Immerhin ist die Gemeinde eine Körperschaft öffentlichen Rechts.
Aber Ihre Kantine muss doch koscher sein? Ich verstehe nicht viel von den jüdischen Speisegesetzen, aber doch immerhin genug, um in groben Zügen zu wissen was koscher ist.
Na und? Natürlich kochen wir koscher. Sogar glatt.
Klären Sie einen dummen Menschen auf. Was ist glatt ?
Glatt heißt so viel wie super koscher. Mehr weiß ich auch nicht, da müssen Sie schon den Rabbiner fragen. Ich tu nur was man mir sagt, und meine Angestellten sowieso.
Wie viele Leute haben Sie denn?
Zwei Köche und eine Spülkraft. Ich mache den ganzen Bestell- und Verwaltungskram.
Und wer sagt Ihnen, was Sie zu tun haben?
Na, der Maschgiach!
Wer ist das denn?
Das frage ich mich auch manchmal. Also einfach gesagt, der Koscheraufseher. Der passt auf, dass hier alles richtig läuft.
Und der, was sagten Sie, Maschiach
Maschgiach...
der Maschgiach ist auch bei Ihnen angestellt?
Nein, der ist Angestellter der Gemeinde. Aber bezahlen muss ich den, über irgend so einen krummen Weg. Wir zahlen die Kohle, die bekommt dann der Rabbiner, weil formal ist der unser Aufseher in der Küche, und der führt das Geld an die Gemeinde ab. Aber am Ende bin ich der Goldesel, der alles bezahlen darf.
Aber der Maschgiach ist jüdisch?
Und wie! Super jüdisch!
Und wie sieht die Koscheraufsicht so aus?
Der Maschgiach kommt morgens um sieben, wenn wir Glück haben. Dann macht er die Herdplatten und Öfen an, kontrolliert den Wareneingang und passt auf, dass in den Laden nichts reinkommt, was nicht koscher ist. Dann sieht er beim Schnippeln des Salats zu und manchmal besieht er sich die Eier, die wir verwenden. Den Rest des Tages schleicht er herum, sieht in unsere Töpfe, sitzt auf seinem Stuhl und liest in dicken hebräischen Büchern. Den Job hätt' ich auch gern. Obwohl, soviel zu beaufsichtigen gibt es eigentlich nicht, weil meine Leute alle bestens Bescheid wissen und praktisch keine Fehler machen. Aber der Maschgiach muss trotzdem sein. Kommt gleich nach dem lieben Gott.
Der passt also auf, dass nichts Verbotenes in Ihre Küche kommt?
Nichts, was nach den Gesetzen der Juden verboten ist.
Gibt es da besondere Merkmale?
Herr Kommissar, wollen Sie jetzt ein Seminar über koschere Küche? Dann sitzen wir morgen noch zusammen. Also mal in aller Kürze: Gemüse ist fast immer OK, außer aus dem Ursprungsland ist Israel.
Israel geht nicht?
Nein.
Versteh ich nicht.
Ich auch nicht. Ist nun mal so. Muss ich auch nicht verstehen, dafür haben wir ja den Maschgiach. Alles was irgendwie in einer Fabrik hergestellt worden ist, hat irgendwo eine kleine Markierung auf der Verpackung, so ein Logo oder einen Schriftzug. Das hat jedes Produkt aus industrieller oder gewerblicher Fertigung. Fleisch aber auch.
Und der Schriftzug oder das Logo sagt Ihnen koscher oder nicht-koscher ?
Also das ist sehr vereinfacht ausgedrückt. Wollen wir aber zunächst mal so stehen lassen. Aber nicht alle Logos und Siegel sind in Ordnung.
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