Wie sollte er die Sendeleistung des Kreuzes messen, wenn es keine elektromagnetischen Wellen aussandte, sondern nur Gedanken? Vermutlich war das Kreuz ein Sender, der die Gedanken des Beters in Form von verstärkten Quanten aussandte. Messen konnte er das nicht. Zunächst machte Molder noch mehrere Fotos von dem Innenleben des Kreuzes.
Er konnte keine Messungen an den Chips vornehmen, weil die Gefahr bestand, dass sich die Schaltung zerstören könnte. Das FBI hatte sich verpflichtet, das Kreuz wieder an den Eigentümer zurückzugeben. Ein Kreuz mit zerstörtem Sendeverstärker für das Senden von Quanten hätte einen unvorstellbar hohen Schadenersatz zur Folge.
Die Regierung müsste an den Eigentümer jeden Preis zahlen, damit der Fall nicht vor die Gerichte kommt. Die Regierung kann es sich nicht leisten, dass in aller Welt bekannt werden würde, welche hoch entwickelte Technik einige Amerikaner verwenden.
Molder machte mit dem Kreuz einen Versuch. Er berührte das Kreuz und betete in sich hinein, dass der Geist Gottes Bob Woller veranlassen solle, sich zur Tür zu begeben. Er wollte damit prüfen, ob er mit seinem Gebet eine Wirkung auslösen könne. Aber Woller bewegte sich nicht. Molder machte nun den Vorschlag, den Reverend der nächstgelegenen Kirche der Baptisten herzuholen. Man sollte dann den Reverend bitten, in das Kreuz Gebete hineinzusprechen, deren Wirkung man überprüfen könne. Doch Woller lehnte das sofort ab.
"Wir brauchen hier keinen Pastor mit seinem Gebet, um zu prüfen, ob sein Gebet eine messbare Wirkung auslöst", sagte Woller. "Mit Gebeten wurde offenbar erreicht, dass in Las Vegas für eine Stunde der Strom ausfiel. Mit Gebeten wurde auch bewirkt, dass auf der Lance Airforce Base in Arizona mit Hilfe eines künstlich erzeugten Magnetsturms einen Tag lang kein Flugzeug starten konnte.
Gebete waren höchst wahrscheinlich verantwortlich dafür, dass die Wallstreet im Januar fünf Stunden lang keinen Strom hatte. Seit einer Woche hat die Wallstreet für ihre Computer keinen Strom mehr, aber Strom für die Schreibtischlampen. Brauchen Sie noch mehr Beweise?"
Molder war beeindruckt. "Alle diese Ereignisse wurden tatsächlich mit Hilfe von Gebeten erzeugt?", fragte Molder. "Das ist ja der helle Wahnsinn. Wenn das wahr wäre, stünde es im Widerspruch zu unserer gesamten Naturwissenschaft."
"Wir haben keine andere Erklärung für die genannten Ereignisse", fuhr Woller fort. "Wichtig wäre für uns zu wissen, ob Gebete auch ohne das Kreuz, also ohne Sendeverstärker, so wirksam sind. Wir müssten in der Lage sein, alle uns bekannten Kreuze zu beschlagnahmen. Dann könnten wir feststellen, ob das Sündhafte im Bewusstsein der Menschen schlagartig wieder verschwindet.
Bietet uns das Telekommunikationsgesetz eine Möglichkeit, die Kreuze zu beschlagnahmen, weil sei einen Sender enthalten?"
"Leider nein", antwortete Molder. "Das Telekommunikationsgesetz bezieht sich nur auf Geräte mit eigener Stromversorgung, deren Sendeleistung mit Messgeräten gemessen werden kann. Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kreuz nicht vor. Sie müssen das Kreuz wieder an den Eigentümer zurückgeben. Aber FBI und CIA sollten mit Nachdruck den Entwickler dieser revolutionären Technik suchen. Er darf nicht in die Hand unserer Feinde fallen." Molder machte eine kurze Pause.
"Aber was haben Sie da zu dem Sündhaften im Bewusstsein gesagt?", fragte Molder. "Wurde das Auftreten des Sündhaften im Bewusstsein vieler Menschen auch von Gebeten verursacht?"
Die Frage erschreckte Woller. Er hätte keine Andeutung machen dürfen, dass Gebete das Sündhafte im Bewusstsein verursacht haben könnten. Auch wenn hierzu bisher keine absolut sicheren Erkenntnisse vorlagen, musste diese Vermutung geheim bleiben.
"Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse", antwortete Woller, dass mit Gebeten in den Menschen ihr Sündhaftes angesprochen wird. Wir glauben immer noch, dass die Wahnvorstellungen von sündhaften Handlungen in der Vergangenheit durch Bakterien oder Viren oder chemische Substanzen verursacht werden.
Die von mir erwähnte Verbindung von Gebeten mit dem Erscheinen des Sündensyndroms war nur eine sehr unsichere Hypothese von vielen weiteren Hypothesen. Gebete können offenbar die Materie beeinflussen aber nicht unsere Denkvorgänge. Sie können nicht in unsere Seele und nicht in unser Unterbewusstsein eingreifen und hier Veränderungen bewirken."
Die Antwort von Woller stellte Victor Molder zufrieden. Es beruhigte ihn zu wissen, dass seine Kollegen mit aller Kraft daran arbeiten, das Sündensyndrom zu beseitigen.
Woller nahm das relativ dürftige Ergebnis der Untersuchung des Kreuzes zur Kenntnis. Er informierte seine Kollegen der BAU. Dann veranlasste er die Rückgabe des Kreuzes an Reverend Jeff Finner in Lordsplace. Im Übrigen müsste der Entwickler und Hersteller der Kreuze gefunden werden. Das war jetzt die Hauptaufgabe.
Die Überprüfung des Senders vom Wohnmobil
FBI-Agent Flix hatte den in Swallow Falls in dem Wohnmobil GoBIG beschlagnahmten Laptop dem Labor des FBI übergeben. Obwohl es Samstag war, wurden von den wenigen noch arbeitsfähigen Technikern Prüfungen durchgeführt.
Dr. Nandor war ins Labor gekommen, ebenso die zwei Ingenieure, die mit dem Radio ondométre Brestige den Standort des Senders ermittelt hatten.
Mit der Prüfung des Laptops mit Sender war der Physiker Tanchin beauftragt worden. Tanchin betrachtete den Laptop von allen Seiten. Dann stellte er fest, dass das Gehäuse ursprünglich zu einem japanischen NEC-Handheld aus dem Jahre 1992 gehörte. Die angebrachten Aufkleber mit der Aufschrift "HP", Hewlitt Packard, waren teilweise eine Täuschung. Bildschirm und Tastatur waren erneuert worden und entsprachen dem Stand der Technik vor 7 Jahren. Sie stammten tatsächlich von HP.
Tanchin schloss den Laptop mit dem von Flix mitgebrachten Netzkabel an das Stromnetz an. Dann bootete er den Laptop. Das Display zeigte die übliche Anordnung eines Windows-Laptops mit Microsoft Betriebssystem und Software von HP. Auf dem Display gab es jedoch einen Ordner mit Namen "Special".
Als Tanchin den Ordner öffnen wollte, zeigte sich, dass er passwortgeschützt war. Tanchin versuchte, mit einfachen Passwörtern den Ordner zu öffnen. Das misslang. Wenn das benötigte Passwort sehr lang war, konnte es mehrere Tage dauern, um es zu knacken.
Man beschloss, die eingebaute Hardware des Senders zu untersuchen. Es sollte auch festgestellt werden, mit welcher Software der Sender arbeitet. Dadurch wollte man hinter das Geheimnis kommen, warum der Sender mit normalen Messgeräten nicht zu orten war.
Im Einvernehmen mit Dr. Nandor fuhr Tanchin das Betriebssystem herunter und schaltete den Laptop aus. Dann öffnete er das Gehäuse. Als Tanchin die Abdeckplatte zur Hauptplatine entfernte, stieg schwacher Brandgeruch aus dem Gehäuse auf. Es zeigte sich, dass neben der üblichen Hauptplatine für Laptops ein Sender in das Gehäuse eingebaut worden war.
Aber durch das Öffnen der Abdeckplatte war ein Kontakt ausgelöst worden, der drei größere Chips des Senders zerstörte. Es war nun nicht mehr möglich zu erkennen, wie der Sender konstruiert war und wie er eine normale Ortung verhinderte.
Nandor war verärgert. Er machte Tanchin den Vorwurf, dass er damit hätte rechnen müssen, dass beim Öffnen des Laptops ein Kontakt zur Zerstörung von Chips ausgelöst wird. Diesen Vorwurf wies Tanchin sofort zurück. Er hatte keinen Kontakt feststellen können. Bei genauer Betrachtung musste Nandor nun einräumen, dass sein Vorwurf unberechtigt war. Es war kein Kontakt zu erkennen, weder an der Abdeckplatte noch an dem Gehäuse darunter noch an den Chips.
Nandor entschuldigte sich bei Tanchin. Offenbar war durch Änderung des Luftdrucks oder des Magnetfelds ein Signal zur Zerstörung der drei Chips ausgelöst worden. Es handelte sich um eine ihnen unbekannte Art von Kontakt. Alle Beteiligten trösteten sich damit, dass sie zumindest den Piratensender ausgeschaltet hatten.
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