Plötzlich sind wir alles, was wir gern sein würden, nur nicht mehr wir selbst. Schlimmer noch, wenn wir durch Lügen zu dem werden, was sich der Andere wünscht. Und wenn der dann diese Lügen durchschaut, dann sind wir auch noch beleidigt, enttäuscht und ganz tief verletzt.
Heiratsanzeige Typ Wahrheit: „EU-Rentner und jung gebliebener Disco-Fan (50), unvermögend, unterwegs mit gepflegten 186 cm, leichte Dellen an der Hüfte, ergraute Hinterkopfglatze, von Leben und Liebe gezeichnet, sucht gepflegtes Disco-Girl, normalgewichtig, das auch Nähe und spätes Liebesglück im gemeinsamen Nest ertragen kann.“
Heiratsanzeige Typ Lüge: „Gutsituierter jung gebliebener und gepflegter 50-er, 186 cm groß, schlank, gutaussehend, unternehmungslustig, sucht passende Frau für gemeinsame Unternehmungen. Spätere Heirat nicht ausgeschlossen.“
Lass mich raten, was Du bei der Wahrheit denken wirst:
Witzbold, Pflegefall, Spinner --- oder so ähnlich.
Wir wollen einfach nicht verstehen, das jede Lüge, egal wie klein und unbedeutend, ein Fehler ist. Denn wir wollen nicht angelogen werden und lügen trotzdem selbst. Wie soll da Vertrauen entstehen?
Das alles gilt nicht nur für Äußerlichkeiten, sondern erst recht für die inneren Werte. Was als Wunsch nach Liebe deklariert wird, ist oft der Wunsch zärtlich berührt zu werden, oder nach Sex. Doch wer nur Sex sucht, der sollte lieber die Finger von Beziehungen lassen. Dann ruhig den Partner öfters wechseln und sorgenfrei die Beziehungsprobleme umgehen.
Die Liste unserer Wünsche und Forderungen an den nächsten Partner wird mit jeder negativen Erfahrung umfangreicher. Und die Liste setzt sich nicht nur aus unseren eigenen Erfahrungen zusammen, sondern auch aus Dingen, die wir bei Verwandten und Freunden, aus Radio oder Fernsehen aufnehmen. Irgendwann hat sich alles dann zu einem Wall aus Hindernissen aufgetürmt, die ein neuer Partner nur schwer überwinden kann. Wir verlernen Zugeständnisse zu machen und reden uns ein, dass wir alleine doch auch glücklich sind.
Aus allen diesen Dingen verlieren wir eigentlich die Fähigkeiten, sich dem Anderen anzupassen, nachzugeben, Kompromisse zu machen.
Außerdem sind wir äußerst sensibel geworden. Jedes Fehlverhalten, jede noch so kleine Abweichung kann eine neue Partnerschaft schon beenden, bevor sie begonnen hat. Wir reagieren bei manchen Dingen nur noch Angstgesteuert und ablehnend. Und das passiert nicht mal bewusst. Wissenschaftler haben festgestellt, dass wir nur 10% von allem bewusst selbst tun. Alles andere hat unser Unterbewusstsein schon längst entschieden, bevor wir handeln. Dabei wurden alle Informationen die sich früher mal eingeprägt haben ausgewertet und auf die jeweilige Situation übertragen. Es ist schwer, die Altlast loszuwerden und das Gehirn zu trainieren, das es warnen, aber nicht verbieten darf.
Und es ist nicht nur Angst, die uns ausbremst, sondern auch die eingeschränkte oder verloren gegangene Kompromissbereitschaft. Wir wollen auf nichts verzichten, was für uns unabdingbar erscheint. Darunter befinden sich immer wieder vollkommen bedeutungslose Wünsche, wie zum Beispiel Glatze, Nichtraucher, ein spezielles Hobby usw.
Denn diese Dinge haben nicht mal indirekt etwas mit Liebe zu tun. Und so bringen wir uns selbst an einen Punkt, wo wir dann aufgeben. Auch das geschieht meist in mehreren Stufen.
Hier stellt sich die philosophische Frage, ob die Glatze wirklich so entscheidend ist, dass wir auf all die anderen positiven Charaktereigenschten – die wir uns ja wünschen – tatsächlich verzichten wollen. Und warum den Raucher ausschließen? Vielleicht hört er ja aus Liebe auf, weil er ahnt, wie eklig ein Raucherkuss sein kann.
Die innerliche Ablehnung all dessen was uns verletzen könnte ist die erste Stufe. Vorneweg Untreue, Lügen, Lieblosigkeit und so weiter. Danach geht es weiter mit dem Äußeren. Für wen noch schick machen, für wen sich die Haare machen und Fingernägel pflegen? Warum überhaupt noch dies oder das tun? In Ausnahmefällen kommt gleich danach die Wohnung dran und die Gesellschaft ist um einen Messie reicher.
Somit geht dann meist auch die Suche nach einem Partner den Bach runter. Es folgt die Abkapselung. Die Einsamkeit wird immer unerträglicher und man endet bei Hund, Katze oder Wellensittich. Das ein Haustier den Partner ersetzt, passiert oft auch schon, während man noch in einer nicht mehr funktionierenden Beziehung ist. Das meist für Kinder angeschaffte Haustier wird dann kurzerhand umfunktioniert.
Die Liebe die der Andere nicht mehr will oder als Strafe nicht bekommen soll, wird auf das Haustier übertragen.
In einem extremen Fall einer Freundin lebte die den Mann ersetzende Katze an dessen Plätzen. Sie schlief im Bett, kuschelte auf dem Sofa mit ihr. Der Hund war das Baby. Er wurde gewaschen, gepflegt und gehalten wie ein Baby. Er wurde nicht mit seinem Namen, sondern mit Kosewörtern belegt: Mein Baby, mein Süßer, mein Schatz. Hatte der Hund aber nicht mehr gehorcht, wurde ihm die Liebe entzogen und er hieß plötzlich wieder ‚Bello’. Und nach jeder Wäsche wurde er geküsst, nicht nur auf den Kopf, sondern auch auf den Bauch, die Schnauze. Der Hund wurde nach dem Gassi gehen mit dem Freund des Frauchens sofort so begrüßt, als wenn der kleine Sohn vom Spielen zurückkommt. Der Freund selbst war in dem Moment nur noch ein lästiger Besucher. Kam der Freund von ihr zu Besuch, dauerte es oft über eine halbe Stunde, bis er überhaupt begrüßt wurde. „Geh schon mal ins Wohnzimmer Schatz, ich mach nur noch dies und das“. Das ist schon nicht mehr gedankenlos, das ist pure eiskalte Gefühllosigkeit.
Wir wollen an dieser Stelle noch nicht Ursachenforschung betreiben, sondern nur den schlimmsten aller Endzustände festhalten. Diese Frau hatte ihre Gefühle für einen Mann schon lange vorher verloren – für immer, bzw. nie welche besessen.
Leider gibt es auch Menschen, die weder die Stärke haben auszuweichen, noch den Willen. Der Suizid ist für sie der einzig gangbare Weg um Einsamkeit und Depressionen auszuweichen. Sicher ist es eine Lösung. Aber wenn man ernsthaft jemanden finden möchte, ist es doch nicht schwer darum wenigstens erstmal etwas zu kämpfen.
Die meisten Menschen machen erst gar nicht den Versuch alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Sie sind schon so tief gefallen, dass ihre Kraft für den Weg nach vorne vollständig erschöpft ist.
Dabei ist nur der erste Schritt schwer, sich überhaupt aufzuraffen. Schon die Vorstellung, dass bald wieder die Weihnachtsfeiertage kommen und man wieder mal alleine ist, hat etwas Bedrohliches an sich. Wenn Du es Dir leisten kannst, dann ab in den Urlaub. Am Besten dorthin, wo es erst gar keine Weihnachtsbäume gibt, außer vielleicht den in der Hotellobby. Falls das nicht möglich ist, dann vermeide alle rührseligen Filme. Höre anregende oder aufregende Musik, lese ein Buch oder Zeitungen/Illustrierte. Lerne Dich selbst zu beherrschen. Und vor allem, stelle Dir nicht die Frage nach dem WARUM! Es ist Vergangenheit und Du willst die Zukunft, also überlege lieber, was Du alles tun willst und musst.
Depressionen können schnell entstehen. Man hat sie schon, bevor man sie selbst erkennt. Oft bekommt man sie nämlich schon in der laufenden Beziehung. Spätestens wenn man die Erkenntnis hat, das die Ehe nur noch ein totes Nebeneinander ist, man sich schlichtweg allein gelassen fühlt. Das Schlafengehen wird zur Qual. Nur keinen Sex mit jemandem, den man selbst kaum noch liebt und/oder von dem man nicht geliebt wird. Man bleibt schließlich unter einem Vorwand solange auf, bis der Partner im Bett mit Sicherheit eingeschlafen ist. Dadurch steht man dann auch spät auf, so dass der Andere dann schon zur Arbeit weg ist. Da das nur in der Woche funktioniert, sind dann am Wochenende wieder mal Migräneanfälle angesagt. Wenn Dein Zusammenleben schon so weit kaputt ist, dann denke mal darüber nach, ob Du nicht besser alleine aufgehoben bist – neu anfangen, Dich neu finden und verwirklichen. Aber bei einem Mann zu bleiben, mit dem nur noch eine Hausgemeinschaft besteht ist schlichtweg dumm.
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