1 ...6 7 8 10 11 12 ...25 Elijah nickte. Rolf ein Jurist? Lieber hätte der sich erschossen.
Eschenbach sagte, „Sie sehen aus, als wollten Sie etwas sagen?“
Elijah schüttelte den Kopf. „Nö.“
„Aber jetzt ist der Herr Dillinger ja in Pension. Und ich bin hier. Sagen Sie mal, Herr Leblanc. Ihr Vorname, aus der Bibel, nicht? Elijah. Bei Ihrem Hintergrund, ich hätte da Kevin erwartet oder Kent.“
„Ich auch.“
Eschenbach sagte, „Sehen Sie, haben wir schon etwas gemeinsam.“ Und das Lächeln war zurück. „Dazu Ihr Französischer Nachname, in den USA fürs FBI gearbeitet und jetzt wieder hier in Deutschland. Wollen Sie uns damit verwirren?“
„Ich gebe mein Bestes“, sagte Elijah und schloss die Augen. Amelie. Warum Shanghai? Was gibt es in Shanghai?
„Ihr Bestes, so. Und seit Sie aus den USA zurückgekommen sind, vor ... “, suchender Blick in die Akte, „drei Jahren. Da haben Sie auch Ihr Bestes gegeben, nehme ich an. Trotzdem sind Sie nicht befördert worden, als der Herr Dillinger ausgeschieden ist. Wie kommts?“
Elijah machte die Augen wieder auf.
02:28.
„Ich hätte den ganzen Tag hinter diesem Schreibtisch verbringen müssen“, sagte er. „Dazu habe ich nicht die Ausdauer. Ich muss ab und zu aufstehen und vor die Tür.“
Eschenbach nickte. „Und das haben Sie in Albuquerque gemacht? Aufstehen und vor die Tür? Und dann wahrscheinlich aufs Pferd und weg. Hatten Sie Pferde?“ Und als Elijah ihn anguckte, „Ja, ja, als Sie hereingekommen sind, da habe ich doch Ihre Stiefel gesehen und auch gehört, logisch, die machen ja genug Krach auf diesem Boden. Man hatte mir natürlich auch davon berichtet, von Ihren Westernstiefeln, ihrem Hut. Kauzig scheint mir das oder zumindest unbequem. Aber gut, ist ja Ihre Sache. Also, hatten Sie Pferde? Meine Tochter reitet nämlich auch.“
03:10.
Was hat Amelie in Shanghai gemacht?
03:13.
„Sie müssen nicht ständig auf die Uhr gucken, Herr Leblanc, wir haben noch Zeit. Und ich habe noch einige Fragen.“ Eschenbach sagte, „Streichen Sie das mit den Pferden. Nicht so wichtig. Etwas anderes. Die Dienstaufsicht.“
Elijah guckte.
Der Kerl sah so klein aus, die Schultern schmal selbst unter der Jacke, die eingefallene Brust, der dünne Hals. Und die Augen wässrig und rot.
Aber jetzt fuhr er die schweren Geschütze auf.
„Auch in dieser Hinsicht sind Sie ja eine Legende“, sagte Eschenbach. „Was ich nicht verstanden habe beim Studium Ihrer Akte, wie jemand innerhalb von drei Jahren so viele Probleme mit der Dienstaufsicht haben kann wie Sie.“ Eschenbach gab ihm Zeit, etwas zu sagen und sagte dann, „Kein Kommentar, gut, dann mache ich mal. Vor ...“, er blätterte, „vor drei Jahren, Sie waren gerade wieder zurück, da haben Sie einem Beschuldigten den Arm gebrochen. Angeblich, weil er seine Opfer verhöhnt hat. Ein Jahr später haben Sie einen Kollegen aus Bayern geohrfeigt, vom LKA, weil, angeblich hat der eine Frau nicht achtungsvoll behandelt. Die Frau stand im Verdacht, einer kriminellen Vereinigung zuzugehören. Kurz darauf-“
„Im Verdacht, genau.“
„Unterbrechen Sie mich bitte nicht, Herr Leblanc. Kurz darauf einem jungen Mann den Kiefer eingeschlagen, dabei war der doch nur ein harmloser Zeuge. Im Übrigen in einem Fall, der nicht einmal Ihrer war. Und im vergangenen Jahr haben Sie einen Kollegen so lange gewürgt, bis er ohnmächtig wurde, dieses Mal beim Sport und angeblich sogar im Einvernehmen.“
Eschenbach senkte den Kopf und sah ihn von unten herauf an, wie das Barbara draußen auch gerade gemacht hatte. Als würde er sonst eine Brille tragen. „Im Einvernehmen? Ehrlich, Herr Leblanc?“
Und als Elijah wieder nicht antwortete, „Sie scheinen ja gerne zu schweigen, Herr Leblanc, aber das wird Ihnen nichts nutzen. Nicht bei mir.“ Er sagte, „Sie sind nur davon gekommen, weil dieser Kollege Ihre Version gestützt hat. Wahrscheinlich so eine Type mit irgendeinem verschrobenen Ehrenkodex. Wie man das von der Mafia kennt.“ Eschenbach schlug die Akte zu und warf sie auf den Tisch, von wo sie an dem Schwein vorbei fast bis zu Elijah rutschte. „Und das waren nur einige der Vorfälle. Lassen Sie uns darüber sprechen. Mir scheint, das kommt davon, wenn man Leute wie Sie zum BKA holt. Mit Ihrem familiären Hintergrund.“ Er sagte, „Aber gleich zu Anfang, damit hinterher keine Missverständnisse aufkommen, Herr Leblanc, mir ist es sowas von egal, wie Ihre Kindheit verlaufen ist: Polizisten, die unter mir arbeiten, die haben keine Probleme mit der Dienstaufsicht.“
Elijah nickte. Und wie ist Amelie nach Shanghai gekommen?
„Niemals.“
Elijah nickte wieder. Von zuhause weggelaufene Vierzehnjährige schaffen es vielleicht bis in die nächste größere Stadt, die anderen, die richtig Wilden weiter bis nach Hamburg oder München oder Berlin. Aber nicht ... wie weit? Zehntausend? Kilometer in eine völlig andere Welt.
„Gut, dann ist das ja klar“, sagte Eschenbach. „Dann doch noch mal wegen heute Morgen. Im Airporthotel haben Sie den Schweden gefunden, nicht?“
Jemand musste Amelie nach Shanghai gebracht haben, gar kein Zweifel. Alleine hätte sie das nicht geschafft. Aber wie wahrscheinlich war es dann, dass Amelie die einzige war? Die einzige ist?
„Herr Leblanc?“
„Ja?“
„Der Schwede.“
„Johansson, ja ... wie war nochmal die Frage?“
Eschenbach hörte sich genervt an, wie er seinen Atem rausließ. „Im Airporthotel haben Sie ihn gefunden?“
„Airport, ja.“ Elijah schlug seine Personalakte auf und sagte, „Ist die für mich?“
„Natürlich nicht.“ Eschenbach beugte sich über den Tisch und nahm ihm die Akte aus der Hand. „Der Schwede, Herr Leblanc.“
„Genau, der Schwede. Hat wohl gewusst, dass wir ihm auf den Fersen sind. Sein Flug ging um zehn. Rio, ganz Klischee.“
„Das muss aufregend gewesen sein. Erzählen Sie mal. Von der Festnahme, meine ich. Wenn Ihre Konzentration noch ausreicht.“
Elijah erzählte.
Eschenbach sagte, „Der hatte seine Waffe also neben sich auf dem Nachttisch liegen und hat geschlafen ?“
„Er war wohl müde“, sagte Elijah. „Serienmörder müssen schlafen, genau wie Sie und ich.“
„Da sollte man doch denken, er wäre aufgeregt gewesen. Flug nach Rio, Copacabana, Strand, Sonne. Jede Menge Mädchen, alle mit Gehirnen. Waren Sie schon einmal in Rio, Herr Leblanc?“
Elijah schüttelte den Kopf. Unwahrscheinlich war es. Amelie konnte nicht die einzige sein.
„Ich auch nicht. Warum haben Sie ihn nicht erschossen?“, sagte Eschenbach.
Völlig unwahrscheinlich. Es sprach einfach gegen jede Erfahrung, dass Amelie – Was hat Eschenbach da gerade gesagt?
„Na ja, Sie müssen nicht so gucken, Herr Leblanc. Wenn ich Ihre Probleme mit der Dienstaufsicht berücksichtige, Sie sind ja wohl eher der gewalttätige Typ. Da kann einem schon ein solcher Gedanke kommen. Oder? Und bei dem, was der Kerl angestellt haben soll, neun junge Frauen ... Vermutlich wären Sie ja auch damit davongekommen.“
„Angestellt hat“, sagte Elijah wieder. „Ich versuche, meine Klienten lebend zu fassen. Das ist so ein Grundsatz von mir.“
„Ihre Klienten ? Hm ... ja, aber was, wenn Ihr Klient nicht geschlafen hätte? Sondern er hätte mit der Waffe in der Hand auf Sie gewartet? Nichts zu verlieren, in die Enge getrieben, schon neun tot, da kommts auf einen ja nicht an.“ Eschenbach sagte, „Was hätten Sie dann gemacht? Glauben Sie tatsächlich, Sie können so schnell Ihre Waffe ziehen? So schnell wie ...“ Er fuchtelte mit den Händen in der Luft, Augen gegen die Decke.
Billy the Kid.
„... keine Ahnung. Meinen Sie, Sie könnten das?“
„Mit ein bisschen Glück“, sagte Elijah und stand auf, „dann hätten Sie und ich jetzt ein Problem weniger.“
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