1 ...7 8 9 11 12 13 ...25 Er sah Eschenbach nachdenken und es dann verstehen. „Oh, mit ein bisschen Glück ... Nein, ich habe doch nichts gegen Sie, Herr Leblanc. Nur weil ich Sie vielleicht ein wenig hart angegangen bin mit Ihren privaten ... mit Ihren Eltern und all das. Aber setzen Sie sich hin. Uns bleiben noch neun Minuten. Und ich bin noch nicht mit Ihnen fertig.“
„Sie mögen Zeit haben“, sagte Elijah, „ich nicht.“ Und, nur um herauszufinden ob Eschenbach etwas wusste, „Ich habe Dinge zu tun. Fragen Sie Amelie.“
„Setzen Sie sich hin, Herr Leblanc“, sagte Eschenbach wieder. „Amelie Bennett ist tot. Sie hat alle Zeit der Welt.“
Elijah blieb stehen und schwieg.
Eschenbach wusste also.
„Und Sie und Frau König können sich nicht weiter mit Amelie Bennett beschäftigen“, sagte Eschenbach. „Das ist Sache der Frankfurter Kollegen. Nicht unsere Sache. Nie gewesen, auch damals nicht. Wir können es uns nicht erlauben, anderen Dienststellen in die Arbeit zu pfuschen. Unaufgefordert. Ungefragt. Und Zeugen den Kiefer brechen. Das geht doch nicht.“
„Angekommen“, sagte Elijah und drehte sich um und ging zur Tür und blieb dort stehen. „Aber als ich sagte, Fragen Sie Amelie, habe ich etwas anderes gemeint, Eschenbach.“
„Ja? Was haben Sie denn gemeint?“
„Das Mädchen, das nach Amelie kam“, sagte Elijah und öffnete die Tür, „und das der Täter jetzt gefangen hält. Während wir hier miteinander plaudern und Zeit verschwenden, die uns und diesem Mädchen niemand jemals zurückgeben wird.“
Als Elijah draußen war, drückte Eschenbach auf die Schweinsnase, die daraufhin wieder ein leises Grunzen von sich gab. Die Anzeige blieb stehen.
06:48.
Das kürzeste Mitarbeitergespräch von allen.
Eschenbach grinste. Dieser Cowboy. Eine harte Nuss.
Als Elijah in sein Büro kam, saß Jo auf seinem Schreibtisch, Mantel in den Händen. Ihre übereinandergeschlagenen Beine baumelten vor und zurück. „Es ist noch früh, aber was denkst du, sollen wir-“
„Ja.“ Elijah nahm Jacke und Hut, Jo rutschte vom Tisch, und sie gingen.
Jetzt saßen sie im Café de Paris auf gepolsterten Stühlen an der Wand, leere Tische zwischen sich und den Stühlen am Fenster und den anderen Gästen dort.
„Was hältst du von Eschenbach?“, sagte Jo.
„Brüllt und glaubt, er wäre ein Löwe“, sagte Elijah und sah Jo zu, wie sie ihre Hände unter ihre Beine klemmte und den Kopf schüttelte.
„Unterschätze den nicht. Der kann uns Ärger machen.“
„Jo, seine Uhr ist rosa und hat die Form eines Schweins, und wenn er sie anstellt ertönt ein Grunzen.“
„Von seiner Tochter“, sagte Jo. „Ich fand das ganz süß. Man munkelt, Eschenbach wäre in den vergangenen Tagen mehrmals in Berlin gewesen.“
„Und?“
„Im Ministerium.“
„ Und ?“
„Das riecht nach Beziehungen, Elijah. Vielleicht will er wechseln.“
„Du meinst, um später als Ministerialdirektor in Pension zu gehen, und weil er keine Ahnung von seiner Arbeit hier hat? Wär doch gut.“
„Aber wo bis dahin seine Loyalitäten liegen, muss ich dir nicht sagen.“
Die Bedienung kam, und sie bestellten Kaffee und Sandwiches. Auf seine Frage nach Apfelkuchen erhielt Elijah ein kopfschüttelndes Lächeln.
Jo sagte, „Was meint Eschenbach zur Dienstaufsicht?“
„ Polizisten, die unter mir arbeiten, die haben keine Probleme mit der Dienstaufsicht. Niemals. “
„Sage ich doch, unsere Arschkarte.“
„Er hat auch etwas ganz Seltsames gesagt“, sagte Elijah. „Er hat mich gefragt, warum ich heute Morgen den Schweden nicht erschossen habe.“
Jo sagte, „Warum hast du nicht?“
„Eschenbach hat dann noch gesagt, Wahrscheinlich wären Sie ja auch damit davongekommen.“
„Hm“, machte Jo, ernst jetzt. „Vielleicht hatte er schon einmal mit Polizisten zu tun, die über die Stränge geschlagen haben. Und wollte sehen, wie du reagierst. Oder dir signalisieren, Ich habe ein Auge auf dich.“
„Kann sein.“ Elijah sagte, „Und du bist dir sicher, dass er nach Berlin will?“
„Was heißt sicher. Aber für solche Typen ist Berlin doch immer der Himmel auf Erden.“
„Dann hoffen wir, dass er bald in den Himmel kommt.“
„Ob die Beihilfe ihm die Zähne bezahlt? Die waren alle neu.“
„Passen zum Gesicht“, sagte Elijah. „So aufgedunsen, bleich. Würde mich nicht wundern, wenn in Rolfs Schubladen statt Lakritzstangen jetzt kleine, bunte Fläschchen liegen.“
„Rolf hat Lakritze gegessen?“
Elijah nickte. „Wann hast du zuletzt von ihm gehört?“
„Von Rolf? Ein paar Wochen her.“
„Ein paar Wochen, huh? Er wollte sich melden, hat er gesagt.“
„Vermutlich will er sich erst an den Ruhestand gewöhnen.“
„Ja, vermutlich.“ Elijah sagte, „Eschenbach wusste von Amelie.“
„Tatsächlich? Woher?“ Und als Elijah mit den Schultern zuckte, „Vielleicht hat er auch Amelies Todesanzeige bekommen. Von Jankowsky.“
„Ja, vielleicht. Eschenbach hat mir gesagt, dass wir uns nicht mehr mit Amelie beschäftigen sollen.“
„Wie meinst du, gesagt? Wie eine Anweisung?“
„Er hat das Wort Anweisung nicht benutzt, aber er hat es wohl gemeint, denke ich.“
„War zu erwarten“, sagte Jo.
„Ja“, sagte Elijah. „Sag mal, wenn du an das Verschwinden der beiden anderen Mädchen denkst und dann an Amelie, worin unterscheiden sie sich?“
„Wir haben gerade so etwas wie eine Anweisung bekommen, und das ist deine nächste Frage?“
„Wir haben Mittagspause. Wir können reden, was wir wollen.“
„Meinethalben. Also, mehrere Punkte. Zum einen natürlich, Amelie ist tot. Die beiden anderen Mädchen leben und waren sogar einigermaßen wohlauf, als man sie gefunden hat. Dann unterschiedliche Orte: Mainz, Hamburg, Frankfurt. Dann natürlich, dass die beiden anderen Mädchen sehr schnell gefunden wurden. Eines in Mainz, nach gerade drei Wochen. Das andere bei seiner Tante eine Woche später. Amelie jetzt, nach zwei Jahren.“ Sie sagte, „Weißt du, dass ich mich nicht mehr an die Namen der beiden Mädchen erinnern kann?“
„Ich mich auch nicht. Aber es wundert mich nicht. Zwei Mädchen, die weggelaufen waren“, sagte Elijah. „Wir hatten seitdem viel zu tun. Es stimmt, beide Mädchen haben sie relativ schnell gefunden. Aber bei Amelie hat es gedauert. Zwei Jahre.“ Er sagte, „Junge Mädchen, die auf der Straße arbeiten, die fallen auf. Zumindest hier in Deutschland.“
„Du meinst, Amelie war genauso jung, die Polizei fährt in allen Städten regelmäßig Streife in ihren Problemvierteln, macht Razzien im Milieu, all das. Wie konnte Amelie da zwei Jahre unentdeckt bleiben? Meinst du das?“
„Vielleicht konnte Amelie unentdeckt bleiben, weil sie in den zwei Jahren gar nicht in Frankfurt war, sondern die ganze Zeit in Shanghai.“ Dann erzählte er ausführlich von seinem Gespräch mit George.
„Am Fluss mit Blick auf die Skyline von Shanghai“, sagte Jo nachdenklich. „Wieso Shanghai?“
„Amelie wurde mit einem Mobiltelefon aufgenommen, einem Nokia“, sagte Elijah dann. „Und zwar genau am vergangenen dreiundzwanzigsten Dezember um fünfzehn Uhr irgendwas.“
„Vor einem Monat“, sagte Jo, „und nur etwa drei Wochen vor ihrem Tod. Aber wieso Shanghai? Was hatte Amelie mit China zu tun?“
„Wir werden ihre Eltern fragen“, sagte Elijah. „Drei Wochen vor ihrem Tod war Amelie also definitiv in Shanghai. Frage ist, warum und wie lange sie dort war. Und warum sie tot in Frankfurt gefunden wurde.“
Die Bedienung kam mit ihren Sandwiches und sie begannen zu essen.
„Was willst du damit sagen, Wir werden ihre Eltern fragen?“, sagte Jo. „Gib mir mal eine Serviette.“ Sie wischte sich den Mund und sagte, „Wir können uns jetzt darüber unterhalten, wir haben Mittagspause, hast du vorhin festgestellt. Aber wir haben auch eine Anweisung von Eschenbach.“
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