„Nur, dass sie regelmäßig konsumiert haben muss. Wie es aussieht nicht exzessiv, aber regelmäßig. Und über einen längeren Zeitraum.“
Elijah guckte und Jo sagte, „Das überrascht dich?“
„Ich habs für möglich gehalten, dass sie nicht ... Sexuelle Kontakte?“
„Definitiv“, sagte Jo. „Alle bekannten Körperöffnungen. Erzwungen oder nicht, lässt der Bericht offen. Aber keine frischen Spuren, nichts, was direkt auf eine Vergewaltigung hindeuten würde.“
„Alle bekannten Körper-“ Elijah überlegte. „Vaginal und anal ist klar, aber um im Nachhinein Oralpraktiken festzustellen, da muss Amelie schon einen Infekt gehabt haben. Ist das so?“
Jo nickte. „Entzündliche Reaktion im Rachen. Das Labor hat ein Bakterium nachweisen können.“ Sie las vor. „Treponema pallidum.“
Elijah sagte, „Syphilis.“
„Sie muss sich drei oder vier Wochen vor ihrem Tod damit angesteckt haben. Und ich sag dir jetzt nicht, was Jankowsky dazu gesagt hat.“
„Besser nicht“, sagte Elijah. „Fremd-DNA?“
„Ein Dutzend an Kleidung und Haut, wie nicht anders zu erwarten.“
„Alte Verletzungen?“
„Uh, der Blutverlust von damals. Richtig. Jankowsky hat nichts erwähnt, und ich habe vergessen zu fragen. Ich rufe ihn nochmal an.“
Elijah schüttelte den Kopf. „Lass sein, ich frage Mattheis.“
„Wer ist Mattheis?“
„Kripo Frankfurt. Mattheis bearbeitet Amelies Fall. Er sagt, bei Amelie passt einiges nicht zusammen.“
„Das hat er gesagt?“
„Wörtlich.“ Elijah sagte, „Morgen früh fahre ich zu ihm. Dann nach Trier. Die Beerdigung ist um zwei, also kein Problem. Ich melde mich von unterwegs.“
Jo sagte, „Du wirst morgen deinen Spaß mit Jankowsky haben. Er hat sich kein bisschen geändert.“
Elijah nickte. „Es ist spät, und bevor wir weitermachen, sollten wir ohnehin abwarten, was Mattheis zu sagen hat. Lass uns für heute Schluss machen, was meinst du? War ein langer Tag.“
„Passt mir gut. Lukas ist diese Woche bei mir, für heute Abend planen wir Nudeln mit Tomate und einen Actionfilm.“
Elijah schaltete den Rechner aus. „Aber nicht Vin Diesel, huh?“
„Liam Neeson, Taken Eins Zwei Drei. Gestern hatten wir Eins, war gar nicht so schlecht, heute Zwei. Er will unbedingt Selbstverteidigung lernen und guckt sich jetzt all diese Filme an.“ Sie sagte, „Lukas ist jetzt vierzehn, so alt wie Amelie, als sie verschwand. Ich will , dass er lernt sich zu verteidigen.“
Elijah sagte, „Wie geht er mit der Situation um?“
Jo hatte ihm von ihrer Trennung erzählt. Sie und Thomas hatten sich danach, vor einem halben Jahr, Wohnungen nur einen Block voneinander entfernt genommen. Wegen Lukas, sie wechselten sich jede Woche mit ihm ab.
„Ich glaube, Lukas hat sich ganz gut abgefunden“, sagte Jo. „Thomas übrigens auch. Er hat bereits eine Neue.“
„Tatsächlich.“
„Lukas hat mir von ihr erzählt. Eine Frau, die ab und zu bei ihnen wäre. Mich stört das nicht, aber was ich nicht will, dass sich eine andere Frau einmischt. Bei Lukas, meine ich.“ Jo sagte, „Du triffst dich noch mit diesem Gielert?“
„Zum Training. Mal sehen, vielleicht weiß er ja, wer seiner Chefin im Nacken sitzt.“
„Unser Neuer, wer sonst“, sagte Jo. „Eschenbach will uns auf die Finger gucken.“
„Würde zu ihm passen, oder? Solange er uns dann trotzdem machen lässt, ist es mir egal.“
Jo sagte, „Training mit Gielert?“
„Gielert ist Ringer und kein schlechter.“ Elijah sagte, „Lukas wird von Filmen nicht viel lernen.“
„Na ja“, sagte Jo, „er könnte ja mal mit dir mitgehen.“ Und guckte.
Elijah zögerte. „Er wäre der einzige Jugendliche.“
„Vielleicht stört ihn das nicht.“
„Mmh.“
„Das wäre super“, sagte Jo.
„Ich hab noch nicht Ja gesagt.“
„Wirst du aber.“ Jo lächelte.
Elijah lächelte auch. „Nur, wenn du ihm zu den Nudeln noch eine Soße machst. Am besten Rinderhack, frisch vom Metzger. Wenn er trainieren will, braucht er mehr als leere Kohlenhydrate.“
Jo nahm ihren Mantel. „Ich werde deinen Einwand berücksichtigen, Herr Doktor.“
Elijah sagte, „Ich habe Eschenbach übrigens gesagt, dass ich glaube, Amelie wurde entführt.“
Jo lehnte sich gegen die Wand. „Du hast was?“
„Und dass ich glaube, der Entführer hat bereits ein weiteres Mädchen in seiner Gewalt.“
„Bitte?“
„Das hört sich jetzt vielleicht etwas vorschnell an-“
„Viel leicht etwas vorschnell?“
„Aber das ist es nicht“, sagte Elijah und nahm seine Jacke. „Ich habe so ein Bauchgefühl. Und du weißt, wie das mit meinem Bauch ist.“
„Moment, Moment“, sagte Jo, „du gehst mir nicht aus der Tür ohne mir etwas zu erklären.“ Sie sagte, „Du denkst also nun doch, Amelie wurde aus Trier entführt? Wir waren uns damals einig, dass sie weggelaufen war.“
„Ich sage nicht, dass Amelie aus Trier entführt wurde“, sagte Elijah. „Es könnte sein, es könnte nicht sein. Wir müssen das abklären, deshalb fahre ich morgen nach Frankfurt und spreche mit Mattheis. Deshalb werde ich auch mit Jankowsky reden und mit Niehring. Aber was auch immer das Ergebnis sein wird“, sagte er und zog die Jacke an, „ob direkt in Trier oder später, Jo: Amelie ist jemandem in die Hände gefallen.“
Der nächste Morgen, kurz nach neun, Polizeipräsidium Frankfurt. Elijah saß vor dem Schreibtisch von Hauptkommissar Mattheis und rieb sich den Ellbogen, den ihm Gielert überstreckt hatte und wartete darauf, dass der Kripomann auf der anderen Seite des Tisches den Hörer auflegte.
Was der jetzt tat.
„Tut mir leid, Nachwehen von unserem nächtlichen Ausflug in das aufregendste Viertel unserer schönen Stadt. Immer dasselbe. Am nächsten Morgen rufen die Anwälte an. Oder die Anwältinnen, genauso schlimm. Wie die hier gerade, das war Frau Doktor von Mayer-Prechting. Ich sage immer Frau Mayer-Prächtig, da regt sie sich so schön auf.“ Mattheis lachte und lehnte sich schwer auf den Tisch. „Wie wir es wagen können, eine Razzia bei ihrem Mandanten zu machen, einem unbescholtenen Geschäftsmann.“ Er schüttelte den Kopf. „Was ich besonders mag, wenn sie sagt, Mein Mandant bezahlt mit seinen Steuern Sie und alle Ihre Kollegen, und dann: Herr Kommissar!“
Elijah deutete auf die Plastiktüte mit Tabletten vor ihm. Klein, die meisten rund, fast alle beige oder gelblich. Alle mit eingestanzten Symbolen. „Von dem Geschäftsmann?“, und Mattheis nickte. „Ecstasy ...“, sagte Elijah und beugte sich vor, um besser sehen zu können, „mit einem Smiley?“
Mattheis strich rechts und links über seinen dichten Schnurrbart, „Smileys, Herzchen ... hier-“, und deutete mit einem dicken Zeigefinger auf eine Pille, „ein VW-Käfer, daneben, mit einem Mercedes-Stern. Audi hatten wir schon, aber kein Porsche und kein Opel, darauf warten wir noch. Hammer und Sichel haben wir auch, hier, und die olympischen Ringe, da. Und natürlich“, sein Finger huschte jetzt von rechts nach links nach unten, „Schweine, Hunde, Vögel, Pferde ...“ Er sagte, „Die hier sind von der privaten Party dieses Geschäftsmanns in der Dreihundert-Quadratmeter-Wohnung über seinem Puff. Entschuldigung, Frau Mayer-Prächtig: über seinem Business . Die haben Krokus gehört und Pillen reingeworfen, das gesamte Tierreich durch von Affe bis Zebra. Unter der Spüle haben wir drei Uzis gefunden und mehr Munition als der IS hat. Was soll man davon halten?“
„Krokus?“
„Hardrock aus der Schweiz“, und lachte. „Ich sags nochmal: Hardrock. Aus der Schweiz. Wie geht das? Die Bandmitglieder haben Totenköpfe auf dem T-Shirt, und das Durchschnittsalter liegt bei sechzig.“
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