Bernhard Bohnke
GENAU INS GLÜCK - Oder knapp daneben
Die Liebe in den Zeiten des Positiven Denkens
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Inhaltsverzeichnis
Titel Bernhard Bohnke GENAU INS GLÜCK - Oder knapp daneben Die Liebe in den Zeiten des Positiven Denkens Dieses ebook wurde erstellt bei
1 ES WAR EINMAL ...
2 SORGE DICH NICHT - LESE
3 ICH DENKE POSITIV, ALSO BIN ICH POSITIV
4 DER KOSMOS GEHÖRT MIR
5 DENK DICH DÜNN
6 DIE "POSITIV"- GRUPPE
7 ES GEHT MIR JEDEN TAG IMMER BESSER
8 SEX, SEXGEDANKEN UND GEDANKENSEX
9 EIN SCHEUSSLICH SCHÖNES GESPRÄCH
10 PROFESSOR POSITIV
11 UNVORSTELLBAR GLÜCKLICH DURCH HYPNOSE
12 WER NICHT LESEN WILL, MUSS HÖREN
13 TREIBE SPORT - ABER NUR IM KOPF
14 LIEBE UND POSITIVES DENKEN
15 DON’T WORRY, BE RICH
16 KLAMOTTEN MACHEN LEUTCHEN
17 PORSCHE = POSITIV
18 GELD, GELD, GOTT
19 SCHÖNES, NEUES LICHT-ZEITALTER
20 TANTRA, TANZ, TRANCE
21 POSITIVISMUS - ICH, DIE NR. 1
22 IM TIEFEN TAL DER TRÄNEN
23 DIE BESTE ALLER MÖGLICHEN WELTEN
24 UND WENN SIE NICHT GESTORBEN SIND ...
Impressum neobooks
Empört schlug Stefan die Wohnungstür zu. Gerade war er im Treppenhaus seiner neuen Nachbarin begegnet, einer attraktiven Dunkelhaarigen. Stefan hatte ihr zugelächelt und versucht, in seinen Blick "das gewisse Etwas" zu legen. Aber sie hatte ihm nur kurz und kühl zugenickt. Was sich diese Frau eigentlich einbildete!
Ächzend setzte er seine prallvollen Einkaufstaschen ab. Als er sich wieder aufrichtete, schaute er direkt in den Garderobenspiegel. Stefan trat an den Spiegel heran und beguckte sich. Für seine 36 Jahre sah er wirklich nicht übel aus. Gut, die Geheimratsecken ließen sich nur noch mit einem Trick überdecken, aber viele Männer hatten in seinem Alter schon eine Halbglatze. Seine Haut war auch noch straff, dabei weich wie ein Pfirsich. Und ein Doppelkinn konnte man allenfalls ahnen.
"Ich kann sehr mit mir zufrieden sein", sagte Stefan laut.
"Kannst du nicht", hörte er jemand nörgeln.
"Wer spricht da?" fragte er erstaunt.
"Deine innere Stimme", kam die Antwort.
Stefan war sich bisher gar nicht bewusst gewesen, eine innere Stimme zu besitzen. Und er war keineswegs sicher, dass er sich über eine solche Stimme freuen sollte, schon gar nicht über eine so vorlaute. Jedenfalls musste er sie zurechtweisen.
- Natürlich sehe ich gut aus. Mit 1,80 Meter habe ich Gardemaß. Und meine blonden, seidigen Haare zeigen noch keine graue Strähne. Ich bin wirklich eine stattliche wie jugendliche Erscheinung. Meine Nachbarin kann sich glücklich schätzen, dass ich mich für sie interessiere.
- Kann sie nicht.
- Was soll das heißen?
Stefan wurde langsam ärgerlich.
- Du bist zu dick.
- Unsinn. Ich habe vielleicht zwei, drei Kilo zu viel, aber eigentlich eine Traumfigur.
- Traumfigur? Dass ich nicht lache. Alptraumfigur! Und anstatt Pfirsichhaut hast du wohl eher Orangenhaut. Außerdem wie unsportlich du bist! Schon nach drei Treppen aus der Puste.
- Nur, weil ich so irre schnell hochrase.
Stefan bemühte sich, ganz langsam zu atmen.
- Nein, es kommt daher, dass du so bewegungsfaul bist. Dein einziger regelmäßiger Fußweg sind die fünfzig Meter zum Autoparkplatz. Aber wie soll man auch von einem Mann, der es beruflich zu nichts gebracht hat, sportliche Disziplin erwarten?!
Stefan war nun richtig wütend. Fast hätte er die Stimme angeschrien, aber irgendetwas hielt ihn zurück. Hatte sie nicht vielleicht recht? Wollte er sich die Wahrheit nur nicht eingestehen? Musste er der inneren Stimme sogar für ihre schonungslose Offenheit dankbar sein? Plötzlich ganz müde, schlich Stefan zu seinem Lieblingssessel und ließ sich fallen. Fast automatisch wollte seine Hand die Fernbedienung für den Fernseher drücken, aber er legte sie wieder weg. Nein, es war Zeit, dass er mal ernsthaft über sich und sein Leben nachdachte.
Stefan seufzte: Wenn es auch weh tat, diese Stimme aus seinem Inneren hatte nicht völlig unrecht; sie hatte in manchem recht, nein, sie hatte beinahe vollkommen recht. Klar war er zu dick, zwar nicht fett, aber ein bisschen vollschlank. Ihm schauderte bei diesem Wort. Einen Bauch hatte er - noch - nicht, doch immerhin einen netten kleinen Bauchansatz. So weit, so schlecht.
Und der Beruf? Sachbearbeiter bei einer Krankenversicherung war sicher nicht gerade seine Berufung, aber es gab Schlimmeres. Allerdings hätte er längst Gruppenführer sein müssen. Doch als vor einem halben Jahr die Position frei wurde, nahm man nicht ihn, sondern einen jungen Schnösel, der - so wurde gemunkelt - über das notwendige Vitamin B verfügte. Stefan hatte zwar mit den Zähnen geknirscht, aber nicht den Mund aufgemacht.
Überhaupt neige ich zu stark dazu, mich anzupassen und einzuordnen, überlegte Stefan. Bloß nicht unliebsam auffallen. Oder am besten gar nicht auffallen. Als er sich das letzte Mal ein neues Auto gekauft hatte, da wäre er fast einmal ausgebrochen. Er sah beim Händler einen knallroten Alfa Romeo, zwar gebraucht, aber in Topzustand, mit 145 PS. Und fühlte spontan den Wunsch, genau diesen Wagen zu besitzen. Aber schließlich hatte doch die "Vernunft" gesiegt. Er kaufte sich einen Golf-Jahreswagen, mit 75 PS, in grau. "Mausgrau", wie seine damalige Freundin Angela schnippisch anmerkte, die auch mit dem Alfa geliebäugelt hatte. "Aber das passt ja zu dir grauen Maus."
Damit war er am schmerzlichsten Punkt seiner schonungslosen Selbstanalyse angekommen. All die bisherigen Punkte wären nicht so tragisch, hätte er mehr Erfolg bei Frauen. - Unwillig zauste, zupfte und zippelte Stefan an seinem rechten Ohrläppchen. Aber tapfer setzte er seine Selbsterforschung fort.
Wenn er auch im Kollegenkreis manchmal mit seinen Erfahrungen prahlte und wenn er auch - von einem Schwips beschwingt - schon mal den Draufgänger spielte, im Grunde seines Herzens war er fast schüchtern. Und seine Attraktivität für das andere Geschlecht musste durchaus bescheiden genannt werden.
Angela verließ ihn kurz nach der Enttäuschung mit dem graumausigen Golf. Seitdem hatte er nur einige flüchtige Bekanntschaften gehabt. Und auch bei der neuen Mieterin schien er nicht gerade offene Türen einzurennen. Seit sie vor einer Woche in die Wohnung über seiner gezogen war, hatte er, wann immer er sie sah, ihr schöne Augen gemacht. Doch die Reaktion war unterkühlt bis eisig.
"N. Frohwein" hatte er auf ihrem Türschild gelesen. Er stellte sich vor, sie hieße Nicole, vielleicht weil ihn einmal eine Frau namens Nicole in einem Film völlig bezaubert hatte, und seine Nachbarin ähnelte jedenfalls äußerlich verblüffend dieser Nicole: die gleichen dunkelbraunen Augen, die so gut zur Farbe der lockigen Haare passen. Das Gesicht, das vielfältige und tiefe Gefühle erahnen lässt. Und ein Zauber, eine irgendwie geheimnisvolle Ausstrahlung.
Unglaublich, aber seine Vorstellung bewahrheitete sich noch am selben Tag, denn er sah ein Päckchen im Hausflur liegen, auf dem groß "Nicole Frohwein" prangte. Stefan war überzeugt: Dass ich ihren Vornamen intuitiv erraten habe, muss einfach ein gutes Omen sein. Und "Frohwein" klang in seinen Ohren wie eine Einladung. Aber offensichtlich galt diese Einladung nicht ihm. Oder noch nicht. So frostig, wie sie geguckt hatte.
Stefan stöhnte nach dieser Seelenpein schmerzlich auf.
"Gottseidank verkabelt", murmelte er und griff wieder zur Fernbedienung. Bei über 50 Programmen würde sich sicher eins finden lassen, das ihn seine missliche Lage und seine trübe Stimmung vergessen ließ. In der Phantasie in ein anderes Leben wegtauchen, sich in einen anderen, glücklicheren, erfolgreicheren Mann zu versetzen, das genau brauchte er jetzt. Doch gerade, als er einschalten wollte, meldete sich wieder die innere Stimme.
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