Axel Birkmann - Der Mann, der den Weihnachtsmann erschoss

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Weihnachten steht vor der Tür und schon im September werden die Supermarktregale mit Weihnachtsplätzchen, Schokoladen-Nikoläusen und Christstollen gefüllt.
Dann beginnt die Jahreszeit, die für Alois Kreithmeiers Gefühlswelt seiner Meinung nach die Schrecklichste von allen ist. Die Zeit des Konsumterrors, der Druck passende Geschenke für Heiligabend zu finden, der Run auf die Weihnachtsmärkt und das alles im Glühweinrausch und in Lametta-Dekoration. Der Anstieg von Taschen- und Ladendiebstählen, denn auch die Kleinkriminellen wollen am Fest teilhaben.
Für Alois steht dann nur eins fest: Überleben und auf den Frühling warten. Er hatte mit dem ganzen Rummel ums Weihnachtsfest nichts am Hut. Jemand muss wohl ähnlich wie er gedacht haben, denn am Ersten Adventswochenende wird auf offener Straße mitten im Freisinger Weihnachts- und Christkindlmarkt auf dem Domberg der Weihnachtsmann erschossen. Der Täter kann unerkannt fliehen. Nur das als Weihnachtsmann verkleidete Opfer bleibt in seinem Blut auf den kalten Pflastersteinen liegen. Alois Kreithmeier und seine fesche Kollegin Melanie Schütz sollen auf Anweisung der Staatsanwaltschaft den Fall bis zum Heili- gen Abend klären. Da bleibt ihnen nicht viel Zeit. Im vorweihnachtlichen Trubel stürzen sich die beiden Kommissare auf die Tätersuche und entdecken Spuren einer grausamen Tragödie einer alten Geschichte, die weit in die DDR-Vergangenheit hineinreicht und ihr blutiges Ende schließlich am Zweiten Advent in Freising findet. Alois und Melanie strengen sich an, den eiskalten Mörder bis zum Heiligabend dingfest zu machen. Ein fast aussichtsloses Unterfangen. Doch sie versuchen es.

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»Muss das denn sein?«, knurrte Alois ins Telefon.

»Ja, das muss sein. Ich hole dich um halb sieben ab. Bis dann.«

Melanie hatte aufgelegt ohne auf Alois’ Antwort zu warten.

»Weihnachtsmarkt?«, stöhnte er laut auf. »Und das mir, als einem der schlimmsten Weihnachtsmuffel. Das kann ja heiter werden.«

Alois startete den Wagen und fuhr los.

Während er wieder zurück in seiner Wohnung war und in seinen Kleiderschrank starrte, klingelte es an der Wohnungstür. Alois zuckte zusammen und sprang behände in den Flur um Melanie hereinzulassen.

»Du bist ja noch gar nicht fertig«, sagte sie und sah ihn von oben bis unten an.

»Ich weiß nicht, was ich anziehen soll?«, antwortete Alois.

»Zieh ganz einfach eine Jeans an, Hemd und Pulli, eine warme Jacke und ein paar Stiefel. Wir sind draußen und wenn die Sonne weg ist, wird es kalt. Mach, ich warte solange im Wohnzimmer.«

Alois sah Melanie an. Sie selbst hatte eine enge Jeans übergezogen, ihre Beine steckten in warmen Lammfellboots aus Australien, oben trug sie einen braunen Pullover über der Hose und hatte einen weißen Schal um den Hals gewickelt. Darüber war sie mit einer schwarzen Wellensteyn Jacke bekleidet und auf dem Kopf saß eine Fellmütze, unter der ihre blonden Haare frech herausfielen. Sie sah ganz einfach süß aus.

»Gut, ich beeile mich«, sagte er und drückte Melanie kurz an sich. Dann verschwand er im Schlafzimmer.

Es dauerte nicht lang, dann stand er ihr gegenüber. Genau so, wie sie es ihm geheißen hatte. Blue Jeans, schwarze Stiefel über der Hose, ein graues Hemd mit schwarzem Pulli und über allem eine dunkelblaue Daunenjacke, die ein bisschen zu eng sein musste, denn er fühlte er sah ein wenig aus wie das Michelin Männchen, die gleichen Ringe um den Bauch, nur nicht in Weiß, sondern in schwarz eben.

Melanie zog die Augenbrauen hoch, gab aber kein Urteil ab, sondern öffnete die Wohnungstür und machte sich auf den Weg. Alois folgte ihr schweigend.

Melanie ließ Alois fahren. So konnte sie doch den einen oder anderen Becher Glühwein oder Feuerzangenbowle genießen.

Alois parkte im Parkhaus am Wörth. Von dort aus machten sie sich zusammen auf den Weg zum Domberg. Sie überquerten die Bahnhofstraße und folgten der oberen Domberggasse. Nach einigen Metern marschierten sie rechterhand einen kleinen steilen Fußweg hinauf, der direkt auf den Domberg führte. Sobald Sie durch den Torbogen auf den Domvorplatz gegangen waren, das Kardinal-Döpfner-Haus befand sich von ihnen gesehen auf der rechten Seite, öffnete sich vor ihren Augen der Weihnachtsmarkt, der unter dem Namen »Adventszauber« an diesem ersten Adventswochenende stattfinden sollte.

Der Freisinger Domberg - im Zentrum Freisings und von weitem sichtbar - diente dieses Jahr erstmalig als stimmungsvolle Kulisse für einen Adventsmarkt der besonderen Art. Die Besucher erwartete am ersten Adventswochenende neben abwechslungsreichem Kulturprogramm und Kunsthandwerk, inspirierenden Workshops und kulinarischen Köstlichkeiten auch eine Bastelstube, Musik, und Essensstände mit Glühwein.

Im Domhof hatten die Veranstalter insgesamt 31 Hütten aufgebaut. Hinzu kamen noch weitere zwölf Aussteller im Renaissance-Innenhof des Kardinal-Döpfner-Hauses. Etwa die Hälfte der Kunsthandwerker stammte aus dem Landkreis. Mit dabei waren Töpfer, Schnitzer, Wollspinner und ein Glasbläser. Unter seiner Anleitung konnten die Besucher sich selbst ein Glasobjekt herstellen. Auf dem Programm stand auch viel Musik. Am heutigen Samstag sollten das Collegium Vocale Frisingae, der Gospel-Chor Freysing Larks, das Vokalensemble Cantabile und die Frisinga Fratzn auf der Bühne stehen.

»Zuerst etwas essen, oder wollen wir sofort mit dem Trinken anfangen?«, fragte Melanie ihren Kollegen, hängte sich bei ihm ein und zog ihn Richtung Glühweinstand.

»Vielleicht doch zuerst etwas essen. Ich habe seit dem Frühstück nichts mehr zu mir genommen.«

»Du Armer du, hattest du denn keine Zeit?«, foppte sie ihn.

»Nein. Ich habe immerhin einen Haushalt zu führen«, entrüstete sich Alois.

»Einen Einpersonenhaushalt, dass ich nicht lache. Ach entschuldige, hatte ich ja ganz vergessen, einen Einpersonenundeinhundhaushalt. Das ist schon was. Wo ist eigentlich Gizmo?«

»Bei Freunden. Ich brauchte mal etwas Zeit für mich allein.«

»Zeit für dich allein?«, äffte sie ihn nach. »Du bist doch immer allein. Ach sorry, du führst ja einen Haushalt.«

»Richtig. Das macht Arbeit«, sagte Alois voller Inbrunst. »Und unter der Woche komme ich nicht dazu, da muss ich mit dir böse Buben jagen.«

»Erstens darfst du mit mir böse Buben jagen, es zwingt dich doch keiner, und zweitens, wann haben wir denn den letzten bösen Buben gejagt. Die beiden Studenten mit zwei Tüten voll Gras in ihren Rucksäcken könnten wir ja wohl nicht zum engsten Kreis der organisierten Drogenkriminalität von Freising nennen oder?«

»Tja, Melanie, es ist halt im Moment ruhig in Freising. Unsere Spitzbuben sitzen sicher auf den Malediven in der Sonne und machen uns erst im Januar wieder das Leben zur Hölle.«

»Na gut. Du hast mich überzeugt. Also erst mal was essen. Eine Bratwurst? Komm, da vorne gibt es einen halben Meter Bratwurst. Eine weiße oder eine Rote?«, fragte sie ihn und zerrte ihn in die Richtung des Grillstandes.

»Rot oder Weiß?« Alois schüttelte den Kopf.

»Ja, es gibt rote und weiße Bratwürste. Einen halben Meter in einer sehr langen Semmel. Ich lade dich ein. Also Alois, rot oder weiß?«

»Gut, dann nehme ich eine Rote.«

»Zwei Rote!«, rief Melanie zu einem jungem Mann, der hinter einer Theke im Grillhäusl stand und die Bratwürste mit einer metallenen Grillgabel auf einem runden Rost wendete, der über einem glühenden Holzkohlenfeuer an einem Gestell baumelte. Sein Kollege schnitt zwei lange Baguette Semmeln auf und hielt sie ihm hin. Vorsichtig legte der junge Mann am Grill jeweils eine seiner dunkelbraun gebratenen Bratwürste in die Kerbe.

»Senf hat’s rechts im Eimer. Macht 10 Euro zusammen«, sagte er und reichte die Semmeln in eine Serviette eingeschlagen Melanie über den Tresen. Alois nahm ihr sofort eine der Würste ab und beträufelte sie mit Senf. Dann biss er hungrig ins offene Ende.

»Die sind lecker«, sagte er mit vollem Mund und biss nun auch die andere Seite der Wurst gierig ab.

»Langsam, Alois, es nimmt dir keiner was weg. Wir sind doch nicht auf der Flucht.«

»Ich hab Hunger«, entschuldigte er sich und biss ein weiteres Mal hinein. Melanie hatte ihre Wurst nicht einmal zur Hälfte geschafft, da wischte Alois sich schon den Mund mit der Serviette ab und schaute sehnsüchtig auf die verbliebenen Würste auf dem Spindelgrill.

»Hast du etwa noch Hunger?«, fragte sie ihn erstaunt.

»Das war schon mal ein guter Anfang. War lecker.«

»Du Fressnase. Jetzt gibt es erst einmal einen Glühwein, dann sehen wir weiter. Es gibt ja auch noch ein paar andere Stände hier.«

Melanie schritt langsam immer noch den Rest ihrer Wurst genießend zwischen den Buden hindurch Richtung Glühwein und Feuerzangenbowle. Vor einem Glühweinstand blieb sie stehen und deutete Alois mit dem Victoryzeichen an - zwei gespreizte Finger - er solle zwei Becher dieses teuflischen Getränkes holen.

Das Essen bildete eine gute Grundlage für den Alkohol.

Melanie und Alois standen wie ein älteres Ehepaar in ihren Drink vertieft an einem Bistrotisch und wärmten sich die Hände am heißen Becher. Während sie so dastanden und den Besuchern, die langsam an ihnen vorbei schlenderten, zuschauten, machte sich am anderen Ende des Freisinger Adventszaubers jemand ganz anderes auf, um die Besucher an diesem Abend in Verzückung zu bringen und sie gedanklich in ihre Jugend zurückzubringen: der Weihnachtsmann oder auch bekannt als der Heilige Nikolaus.

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